ftd.de, Fr, 9.3.2001, 14:57
Die japanische Regierung hat am Freitag ein Notpaket vorgestellt, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Die Pläne sehen niedrigere Dividendensteuern und die Einrichtung eines privaten Fonds für Verkäufe von Überkreuzbeteiligungen der Unternehmen vor. Zudem fordert die Regierung darin die Bank von Japan (BoJ) zu einer weiteren Lockerung ihrer Geldpolitik auf. Analysten vermissten in dem Katalog Vorschläge für tiefgreifende Strukturreformen. Regierungspolitiker äußerten sich erneut widersprüchlich über den Kurs der japanischen Währungspolitik. Zudem wuchsen Spekulationen über einen bevorstehenden Rücktritt des unpopulären Ministerpräsidenten Yoshiro Mori.
Das Notpaket soll nach Angaben der Regierung vor allem den zuletzt arg unter Druck geratenen japanischen Aktienmärkten wieder Auftrieb verleihen. Dazu sei zum einen eine drastische Senkung der Steuern auf Aktiendividenden geplant, um Aktien als Anlageform wieder attraktiver zu machen. Darüber hinaus solle ein privater Fonds für den Aufkauf von Aktien eingerichtet werden, die wegen der Auflösung von Überkreuzbeteiligungen der Unternehmen verkauft werden. Diese Veräußerungen kurz vor Ende des Fiskaljahres am 31. März waren Analysten zufolge ein Hauptgrund für die jüngsten Kursverluste japanischer Aktien. Der Nikkei-Index hatte sich in den vergangenen Tagen bereits etwas von seinem zuvor erreichten 15-Jahres-Tief erholt. Am Freitag schloss der Index vor Bekanntgabe des Notpaketes 0,18 Prozent im Minus bei 12.628 Zählern.
Keine expansiven fiskalpolitischen Schritte
Analysten begrüßten, dass in dem Maßnahmenkatalog entgegen früherer Regierungspolitik keine expansiven fiskalpolitischen Schritte vorgesehen sind. Sie fragten sich aber, wer die Mittel für den Aktienaufkauf-Fonds bereitstellen solle, wenn die Regierung dies offenbar nicht plane. Außerdem dürften nicht nur Symptome bekämpft werden, sondern die wirtschaftlichen Probleme müssten an der Wurzel gepackt werden. Von der Notenbank forderte die Regierung darüber hinaus eine weitere geldpolitische Lockerung, beispielsweise durch das Setzen eines Inflationsziels. Nach Einschätzung des BoJ-Chefs Masaru Hayami ist das angesichts der momentanen Preisbewegungen nicht möglich. Regierungspolitiker betonten, das Paket schlage explizit keine Umstellung des Yen-Wechselkurses vor. Zuvor waren Spekulationen aufgekommen, der Yen-Kurs könne im Verhältnis 1:100 neu festgelegt werden, um die Währung für Investoren attraktiver zu machen. Ein derartiges Vorhaben hatten Experten jedoch als reine Geldverschwendung bezeichnet. "Warum drucken sie nicht direkt dreieckige Banknoten, so dass sich jeder neue Geldbörsen kaufen muss. Das würde die Wirtschaft wirklich ankurbeln", sagte Marshall Gittler, Währungsstratege bei der Bank of America.
Erneut Verwirrung auf Finanzmärkten
Führende Regierungspolitiker sorgten unterdessen mit widersprüchlichen Aussagen zur Währungspolitik erneut für Verwirrung an den Finanzmärkten. Während Wirtschaftsminister Taro Aso Devisenmarktinterventionen zur Schwächung des Yen als falsch bezeichnete, sagte Handelsminister Takeo Hiranuma: "Ein sinkender Yen-Kurs ist bis zu einem gewissen Grad tolerierbar, wenn er nicht überschießt." Finanzminister Kiichi Miyazawa hatte sich zuvor ebenfalls gegen Interventionen ausgesprochen, nachdem BoJ-Chef Hayami dies prinzipiell nicht ausgeschlossen hatte. Miyazawa entschuldigte sich am Freitag außerdem für seine Äußerungen vom Vortag, der Staatshaushalt des Landes stehe kurz vor dem Kollaps. "Die von mir gewählten Worte waren unangebracht", sagte er in Tokio. Der Yen zeigte sich am Freitag nach den deutlichen Kursverlusten der Vortage weitgehend stabil, konnte aber von dem Notpaket der Regierung auch nicht nennenswert profitieren. Die Aussicht auf einen Rücktritt Moris verlieh der Währung dagegen leichten Auftrieb. Gegen 13.00 Uhr MEZ notierte der Dollar mit 119,8 Yen, nachdem er am Vortag noch auf ein 20-Monats-Hoch bei 120,40 Yen geklettert war. Ein Euro kostete 111,8 Yen, nachdem er am Donnerstag noch über 112 Yen gestiegen war.
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Japans Wirtschaft faßt wieder Mut
Der "Tankan-Bericht" signalisiert ein Ende der Talfahrt von Nippons Wirtschaft. Sorgen macht man sich aber wegen des schwachen Dollars.
TOKIO. Der am Montag publizierte Stimmungsbericht der japanischen Notenbank, Tankan, zeigt zum ersten Mal seit 15 Monaten nach oben. Der Index verbesserte sich im vergangenen Quartal um 20 Punkte auf minus 18 Tankan-Punkte. Regierung und Experten sind begeistert, die Börse reagierte jedoch verhalten. Vor allem die aktuelle Dollar-Schwäche und die damit verbundene Verteuerung japanischer Exporte in die USA dämpften die gute Laune.
Der Tankan ist deutlich besser ausgefallen als allgemein erwartet. Die darin ausgewiesene Stimmungslage von 8550 Unternehmen aller Branchen hat sich seit 1974 nicht mehr so rapide verbessert wie derzeit. Für die Großindustrie wurde ein Index von minus 18 ermittelt. Nur mehr 41 Prozent der Firmen sehen demnach eine weitere Verschlechterung ihrer konkreten Geschäftslage. Erwartungsgemäß blieb der Tankan-Index für die kleine und mittelständische Industrie mit minus 41 hinter den Top-Konzernen zurück, verbesserte sich aber immerhin um zehn Punkte. Der nichtindustrielle Sektor hat sich offenbar am besten erholt, hier wurde ein Index von minus 16 ausgewiesen, ein Plus um sechs Punkte.
Ausgemachte Japan-Fans wie Jesper Koll, Chefvolkswirt bei Merrill Lynch in Tokio, sehen sich bestätigt: "Wenigstens ist wieder Licht im Tunnel zu sehen". Nun springe der Konjunkturfunke von den großen auch auf die kleineren Unternehmen über. "Die exportgeführte Erholung lebt und läuft", so Koll.
Andere Analysten sind skeptischer. "Der Wiederaufschwung bei den Ausfuhren nutzt nur den Großen", meint etwa Takeshi Minami von UFJ Securities. Die Aussichten für die Zulieferer seien aufgrund der Produktionsverlagerungen nach China und in andere asiatische Länder so düster wie nie zuvor.
Wegen der Verteuerung des Yen gegenüber dem Dollar sinken zudem die Marktchancen der japanischen Exporteure in den USA - während sich gleichzeitig ihre Kosten erhöhen und die erlösten Gewinne (in Yen ausgedrückt) sinken. Deshalb könnte sich Nippons Industrie zu früh freuen: So stieg der Optimismus vor allem bei den Herstellern von elektronischen Maschinen und Komponenten; diese Branche rechnet aber mit einem Dollarkurs von fast 126 Yen, um mehr als fünf Prozent günstiger als derzeit.
Ein Problem ist nach wie vor die Investitionsrate. Zwar wollen Japans Firmen ihre Aufwendungen nur um 6,7 statt wie bisher um 8,4 Prozent kürzen. Aber ein Konjunkturmotor ist dieser zweitwichtigste Wachstumsfaktor damit noch lange nicht.
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