Süddeutsche 3.2.07:
Die Katastrophe hat schon begonnen Forscher belegen mit drastischen Zahlen, wie genau sie den globalen Wandel vorhersagen können. Von Christopher Schrader
Dies war der Tag der klaren Worte. "Es ist keine Frage, dass die Zunahme des Treibhausgases auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist", sagte Susan Solomon vom Weltklimarat IPCC am Freitag in Paris.
"Die Debatte muss ab heute zu Ende sein, und die Politik muss mit dem Handeln beginnen", forderte der Chef des UN-Umweltprogramms (UNEP), Achim Steiner.
Der zweite Faktor ist die Abweichungen der Computermodelle voneinander, mit denen Forscher verschiedener Institute die sechs Szenarien durchgerechnet haben. Ganz sicher sind die Forscher aber, dass schon in den kommenden beiden Jahrzehnten die Temperatur um 0,4 Grad Celsius steigen dürfte , sagte Susan Solomon. Selbst wenn die Treibhausgase seit dem Jahr 2000 konstant gehalten worden wären, würde sich das Klima um 0,2 Grad erwärmen. "Das zeigt, wie sehr wir jetzt schon auf einen weiteren globalen Wandel festgelegt sind."
Angesichts des Vertrauens, das die Forscher ihren Daten entgegenbringen, wirkt es allerdings widersinnig, dass die Temperaturdaten eine größere Streuung haben als im Report von 2001. Das liegt vor allem daran, dass die neuen Modelle versuchen, Rückwirkungen im Klimasystem zu berücksichtigen, von denen die Wissenschaft damals wenig wusste.
Das Abschmelzen der Gletscher lässt den Wasserspiegel steigen
Nachfragen werden wohl auch beim prognostizierten Anstieg des Meeresspiegels aufkommen. Dort sagt der IPCC nun über die sechs Szenarien einen Wert von 18 bis 59 Zentimeter voraus. Das ist immerhin eine präzisere Aussage als 2001: Damals lag die Spanne zwischen 21 und 70 Zentimetern. Doch die Veränderung täuscht zum Teil: Der neue Report kalkuliert den Anstieg nur bis 2095, der alte hatte bis 2100 gerechnet. "Außerdem ist heute die Unsicherheit größer, was mit den Gletschern passiert", so Stefan Rahmstorf. Ihr Abschmelzen würde die Wassermenge der Ozeane erhöhen.
Erst am Freitag hatte Rahmstorf im Wissenschaftsmagazin Science vorgerechnet, dass der IPCC 2001 die Meeresspiegel-Erhöhung eher unterschätzt hatte: Tatsächlich gemessen wurde bereits ein Anstieg von 3,3 Millimetern pro Jahr, der IPCC hatte für den Anfang des 21. Jahrhunderts maximal 2,0 Millimeter angesetzt. Nur ein Risikozuschlag für die Gletscherschmelze bringt die Prognose halbwegs mit den aktuellen Messwerten in Einklang - offenbar erfüllt die Erde bereits die schlimmsten Erwartungen der Klimaforscher.
Tatsächlich dürfte der Klimawandel überall drastische Konsequenzen haben. Die Mittelmeerländer dürften dermaßen von der Hitze geplagt werden, dass Landwirtschaft dort zunehmend weniger möglich ist. Dafür könnte Skandinavien zur Kornkammer Europas avancieren. Große wirtschaftliche Verschiebungen und Wanderbewegungen wären die Folge.
Die Voraussetzungen dafür sind zumindest gut, denn die 21-seitige "Zusammenfassung für Politiker" des neuen IPCC-Berichts genieße "die Akzeptanz aller Regierungen der Welt", sagte IPCC-Präsident Rajendra Pachauri.
Mit "sehr hoher Sicherheit", so der jetzt veröffentlichte Text, habe die Menschheit durch ihre Emissionen und die Veränderungen bei der Landnutzung die Erde erwärmt. Das wisse man heute genauer als beim bisher letzten Report 2001. Die bereits eingetretene Erwärmung sei beispiellos, und das sei "sehr wahrscheinlich" auf die Freisetzung von Treibhausgasen wie Kohlendioxid oder Methan zurückzuführen. Als Folge sei es "praktisch sicher", dass die meisten Länder im 21. Jahrhundert mehr heiße Tage und Nächte erleben werden und weniger Frostperioden. All das hatte der Bericht 2001 weniger scharf formuliert.
Mit höherer Sicherheit als zuvor könne die Wissenschaft zudem vorhersagen, so Susan Solomon, dass Länder in subtropischen Regionen weniger Niederschläge bekommen werden, die in hohen nördlichen Breiten mehr. Eine Zunahme von Hitzewellen und schweren Regenfällen sei "sehr wahrscheinlich", heißt es im Report, die Ausweitung von Dürreregionen und die Verstärkung von tropischen Stürmen wie Hurrikanen immerhin "wahrscheinlich". Diese Abstufungen beruhen auf einer einheitlichen Sprachregelung, die das IPCC seinen Autoren auferlegt hat.
"Es gibt kaum noch Zweifel am menschengemachten Klimawandel"
"Sehr wahrscheinlich" dürfen sie nur schreiben, wenn die berechnete Wahrscheinlichkeit über 90 Prozent liegt. Deutsche Klimaforscher bekräftigten angesichts dieser Zahlen die zentrale Botschaft des IPCC-Reports. "Der Bericht stellt ganz klar fest, dass der Mensch überwiegend an der globalen Erwärmung Schuld hat. Natürliche Faktoren spielen eine völlig untergeordnete Rolle", sagte Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Martin Claußen, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, ergänzte: "Es gibt kaum noch Zweifel am menschengemachten Klimawandel." Dies mache der Bericht "so deutlich wie nie zuvor".
Seit Montag hatten Forscher und Regierungsvertreter in der französischen Hauptstadt gerungen, um der Zusammenfassung den letzten Schliff zu geben. Dabei hatten manche Beobachter befürchtet, Politiker könnten den Text verwässern, hier ein "womöglich" einfügen, dort die Formulierung einer Wahrscheinlichkeit verändern. Doch das ist überwiegend nicht geschehen. Wer den nun veröffentlichten Text mit den beiden letzten internen Entwürfen vergleicht, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, findet eher eine Zuspitzung der Botschaft. Einschränkungen sind verschwunden, bekräftigende Sätze eingefügt, und die erwarteten Werte für die globale Erwärmung noch einmal angestiegen.
Das IPCC sieht nun eine Temperaturzunahme bis zum Jahr 2100 um 1,1 bis 6,4 Grad Celsius voraus, verglichen mit dem Durchschnittswert der Jahre 1980 bis 1999. Im letzten Entwurf des neuen Berichts standen noch Zahlen, die 0,1 Grad niedriger waren (SZ, 1.2.). Die breite Spanne erklärt sich aus zwei Faktoren.
Zum einen hat der Weltklimarat sechs verschiedenen Szenarien zugrundegelegt, wie sich die Welt in der Zukunft entwickeln könnte. Sie beginnen beim Szenario B1, sozusagen der heilen, der vernünftigen Welt, die sich auf Maßnahmen gegen den Klimawandel einigt und Energiespartechnik nutzt. Am anderen Ende des Spektrums steht das Szenario A1Fl, bei dem mit der Wirtschaft auch der Verbrauch von fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder Kohle wächst, die große Mengen Treibhausgase freisetzen.
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