Wir sind uns wohl einig, dass es gut und richtig ist, dass Unternehmen verpflichtet sind, die "kursrelevanten" Informationen umgehend zu veröffentlichen. Aber die Reaktionen der Marktteilnehmer (und damit die Kursbewegungen) sind doch in der Regel sehr extrem, d. h. sie stehen m. M. n. in keinem vernünftigen Verhältnis dazu, wie sich die Bedingungen geändert haben. Du, Inspector, hast geschrieben (#6717): "Außerdem: Für 2025 wurden bei MBG nochmal 10% Gewinnrückgang prognostiziert. Wirklich aufwärts gehen soll es erst 2026." Ich traue - mit Verlaub - niemandem, auch dem Vorstand der MBG-AG nicht, zu, dass sie jetzt schon den Gewinn für 2025 "berechnen" oder "prognostizieren" können. Wir leben nun mal in einer Marktwirtschaft (mit z. T. zugegebenermaßen allerdings extremen Tendenzen einer Planwirtschaft), doch das Verhalten des Volkes (bzw. das Verhalten des Volkes in seiner Rolle als Käufer) ist nicht wirklich prognostizierbar. Vermeintlich sind alle auf sog. "Stabilität" ausgerichtet oder fixiert, aber sehr viel Verhalten ist doch eher spontan oder richtet sich nach Kriterien, die von außen nicht nachvollziehbar, geschweige denn prognostizierbar sind. Autos sind keine kurzlebigen Güter des täglichen Bedarfs (die konsumiert würden), sondern eher langlebige Investitionsgüter. Um tatsächlich von außen einen Gewinn verlässlich schätzen zu können, bräuchte man sehr detaillierte Zahlen, die aber zu Recht vertrauliche interne Informationen des Unternehmens bleiben müssen, um als Unternehmen die - hoffentlich - "richtigen" Entscheidungen treffen zu können. Und dann müsste man auch noch verlässlich in die Zukunft der Weltgeschichte blicken können. Wir sehen es doch hier in D am Beispiel der jüngsten BTW bzw. der Regierungsbildung ganz deutlich: In Wahlprogramme kann man quasi "alles" hineinschreiben, was man so an politischen / gesellschaftlichen Ideologien im Kopf hat. Ob es dann umsetzbar wäre, das entscheidet sich frühestens in den Koalitionsverhandlungen und in den daraus resultierenden "Regierungsprogrammen". Da kann man schon wunderbar umschwenken von "wir werden" in "wir wollen". Im Laufe der Zeit wird dann aus allen "wir wollen" klammheimlich ein "wir würden gern, aber ..." oder ein "wir hätten gern ... gemacht, aber ...." Und dann wird man von der Realität eingeholt: Es geht dies nicht und das nicht und jenes ist zu teuer und dieses ist unter den aktuellen Umständen 'leider' doch nicht umsetzbar u.s.w. Ich will damit sagen, dass es sehr gut ist, Pläne zu haben - auch wenn sie z. T. vielleicht utopisch sein sollten - aber nicht alle Pläne werden umgesetzt bzw. können umgesetzt werden. Außerdem ändert sich sehr vieles in kurzer Zeit (wogegen sich anderes leider auch nach langer Zeit noch nicht gändert hat) - und unter solchen Umständen soll man realisierbar Prognosen für die Zukunft abgeben? Das ist doch gar nicht leistbar und im Grunde genommen absurd. Und aus diesem Grund gebe ich auf Prognosen auch bei der Aktienauswahl rein gar nichts! Statt an der Börse angeblich "die Zukunft zu handeln" (das habe ich früher z. B. am sog. Neuen Markt gemacht - z. T. mit Erfolg und z. T. mit Totalverlust) investiere ich lieber in angeblich "langweilige" AGs. Das - mit Verlaub - politische Gefasel von den angeblichen Wenden (z. B. in den Bereichen Energieversorgung, Verkehr) darf man nicht allzu wörtlich nehmen. Denn wenn man das wirklich wollte, dann würde man mit ganz anderen Methoden auffahren. Im Grunde genommen ist es sehr traurig, dass sich bei den wirklich gravierenden Problemen (u. a. Bildungssystem, Energieversorgung, Infrastruktur, Rente, Verkehr, ...) niemand traut, das jeweilige Problem an der Wurzel anzupacken, d. h. an den verursachenden Stellen Veränderungen zu veranlassen.
Inspector hat auch geschrieben: "Ein Aktienkurs spiegelt mMn vielmehr die Kurserwartungen der nächsten Jahr(zehnt)e wieder. Diese Kurserwartungen können falsch sein. Aber wer weiß das schon vorher?" Dass dem ersten Satz nicht so ist, zeigt die Börse: Wenn es tatsächlich um die Erwartungen "der nächsten Jahr(zehnt)e" ginge, so wäre dies ein sehr langer Zeitraum. Dann würde es keine Rolle spielen, ob dieses Jahr gut und nächstes Jahr schlecht oder andersherum wäre - es käme nur auf die lange Frist an und die Kursänderungen wären sehr träge. Denn offensichtlich können sich die langfristigen Erwartungen nicht täglich - oder sogar stündlich - ändern. Tatsächlich kommt es für die Kursentwicklung nur darauf an, ob jeweils momentan mehr "Irre" kaufen wollen (dann geht der Kurs hoch) oder mehr "Irre" verkaufen wollen (dann geht der Kurs runter).
So kann man mir natürlich vorwerfen: "Bist du irre, dass du gestern VW für 96,14 GEkauft hast? - Die haben doch eine Gewinnwarnung!" - "Ja sicher, aber die erste Hälfte habe ich heute für 98,12 und die andere Hälfte sogar für 99,08 wieder verkauft." Und Stephan würde stattdessen schreiben: "Bist du irre, dass du heute VW für 99,08 VERkauft hast? - Die sind doch viel mehr wert!" - "Ja sicher, aber was man hat, das hat man und wer sagt denn, dass sie nicht bald wieder deutlich billiger zuhaben sind?" In diesem Sinne sind wir doch alle Marktirren!
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