Grete Schickedanz’ «Lädle» wird abgewickelt
HERSBRUCK - Nach 62 Jahren ist die Geschichte des Schickedanz-Kaufhauses in Hersbruck an ihrem Ende angekommen. 55 von 65 Mitarbeitern sollen gehen. Ein lange Zeit familiär geführtes Unternehmen wird nach moderner Konzernmanier abgewickelt.
Der kalte Wind, der allerorten durch die Arbeitswelt weht, den kannten die rund 65 Beschäftigten im Hersbrucker Schickedanz-Kaufhaus nur aus dem Fernsehen und aus der Zeitung. «Als das bei der AEG passiert ist, da hab ich mir noch gesagt, so was gibt’s bei uns nie«, erzählt ein Verkäufer, der seit 29 Jahren im Quelle-Warenhaus arbeitet. Vor genau drei Jahren war das. Und der Hersbrucker kann sich gut erinnern, wie wütend ihn damals die kaltschnäuzige Schließung des Nürnberger AEG-Werks und der Rauswurf von 1700 Beschäftigten machte.
Suche wird schwierig
Jetzt sitzt der Mittvierziger gemeinsam mit knapp 50 Kollegen in der Vereinsgaststätte des SV Hohenstadt und lässt sich von dem aus Nürnberg angereisten ver.di-Sekretär Johann Rösch und einem Rechtsanwalt skizzieren, welche recht begrenzten Wahlmöglichkeiten er beim eigenen Rauswurf vom Arbeitsplatz noch hat. Aufhebungsvertrag, Abfindungszahlung, Sprinter-Prämie, Transfergesellschaft – mit einer Mischung aus Wut, Verzweiflung und Fatalismus versucht jeder Betroffene im groben Rahmen, den der Sozialplan und die ausgehandelten Zusatzvereinbarungen vorgeben, den für ihn besten Weg zu finden. Für die allermeisten ist es so oder so der Weg in die Arbeitslosigkeit. Ihr Kaufhaus wird es ab Herbst nächsten Jahres nicht mehr geben, und die Suche nach einer neuen Stelle im Einzelhandel wird schwierig werden.
Natürlich hatten die Beschäftigten in der mittelfränkischen Kleinstadt mitbekommen, wie sich auch in ihrem Unternehmen die Verhältnisse in den vergangenen Jahren grundlegend veränderten. Von der familiären Atmosphäre, die einst Grete Schickedanz in ihrem «Lädle« verbreitet hatte, war nicht mehr viel übrig geblieben. Nach dem Krieg hatten Grete und Gustav Schickedanz, bevor sie in Fürth ihr Quelle-Versandhaus wieder aufbauen durften, in Hersbruck recht klein mit einem Textilladen neu begonnen. Daraus entstand im Lauf der Jahre ein Kaufhaus, zu dessen Mitarbeitern die Seniorchefin bis zuletzt ein inniges Verhältnis pflegte.
«Wir waren naiv«
Auch die Erbin Madeleine Schickedanz hat noch einen Wohnsitz in Hersbruck. Doch sie hält sich nicht mehr oft hier auf. Und im Kaufhaus war die inzwischen 65-jährige Milliardärin so gut wie nie. «Ein einziges Mal habe ich sie in 18 Jahren gesehen«, erzählt eine Verkäuferin und Betriebsrätin. «Es war naiv von uns zu glauben, sie hätte ein Interesse an uns.«
Lange gab es freilich Grund zu solcher Hoffnung. Noch Anfang des Jahres hatte Madeleine Schickedanz verkündet, sie halte an Plänen für die Errichtung eines neuen Hauses mit dem schicken Namen «Schickedanz-Arkaden« fest. Dass in der Provinz damit wohl kaum noch das große Geld zu verdienen war, ahnten alle. Aber man glaubte an die Kraft der alten Bindung zum traditionsreichen Standort Hersbruck und ein wenig auch an so etwas wie unternehmerisches Verantwortungsbewusstsein.
Vor 20 Tagen kam dann die überraschende Nachricht, dass es vorbei sei mit den Plänen. Ein Internet-Kaufhaus mit nur noch zehn Beschäftigten soll auf einer einzigen Etage des alten Hauses bleiben, mehr nicht. Welches Konzept sich hinter diesem in Bielefeld erstmals erprobten «begehbaren Katalog« wirklich verbirgt, weiß in Hersbruck niemand so richtig. Und ob es ein zukunftsfähiges ist, erst recht nicht.
Keiner übernimmt Verantwortung
Man wäre unter den Mitarbeitern ja schon froh, wenn man wenigstens wüsste, wem man denn nun eigentlich die unerfreuliche Wende und das vorläufige berufliche Aus zu verdanken hat. Die Familie von Madeleine Schickedanz und die hohen Herren im Quelle-Konzern schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu.
Aber, was heißt schon Quelle-Konzern. Karstadt-Quelle, Arcandor, Primondo, die Namen des Unternehmensdaches, unter dem sich die Hersbrucker Beschäftigten mal ganz sicher gefühlt hatten, wurden immer fantasievoller, die Verhältnisse immer undurchsichtiger, die Finanzsituation immer prekärer.
Jetzt, so spüren die Mitarbeiter, sollen sie möglichst schnell von den Lohnlisten verschwinden. Wer bis Ende März einen Auflösungsvertrag unterschreibt, bekommt 30 Prozent «Sprinter-Prämie« zusätzlich zur Abfindung. Die Personalchefs, erzählt man, machen gehörig Druck. Und selbst die Hersbrucker Betriebsräte haben Mühe, die Details des Sozialvertrags und seiner Ergänzungen zu verstehen. Ausgehandelt hat das Werk der Gesamtbetriebsrat des Konzerns.
Es ist vorbei
Und auch auf Arbeitnehmerseite funktioniert offenkundig der Informationsfluss innerhalb der modernen Großstrukturen nicht sehr gut. Auch dass der ver.di-Mann erst nach 19 Tagen zu ihnen gefunden hat, können viele der Kaufhaus-Beschäftigten nicht verstehen. Aber nach zweieinhalb Stunden wissen sie eines: Es ist vorbei
|