SPIEGEL
Geheimdienste warnen vor Islamisten-Terror in Deutschland
Nach der Ermordung des islamkritischen Filmemachers Theo van Gogh dreht sich in Holland die Spirale der Gewalt zwischen radikalen Islamisten und ihren ebenso radikalen Gegnern. Die Deutschen sollte das nicht kalt lassen, warnen Geheimdienstler. Der Funke könnte leicht überspringen.
Brandanschlag auf eine islamische Grundschule in den Niederlanden: Erhebliche Lücken im deutschen Geheimdienstnetz
Berlin/Köln - "Wir fürchten, dass gewaltbereite Islamisten die Vorgänge in den Niederlanden zum Anlass nehmen, auch in Deutschland zuzuschlagen. Die Gefahr, die auch von Trittbrettfahrern ausgeht, ist groß", erklärte ein Staatsschützer.
Ein Großteil der rund 31.000 islamistischen Extremisten in Deutschland steht nach Einschätzung der Geheimdienste bereit, notfalls im Namen Allahs ihre Vorstellungen auch mit Gewalt durchzusetzen. Der Fahndungsdruck auf die rund 300 im Bundesgebiet vermuteten besonders militanten Islamisten sei erhöht worden, berichtet die Nachrichtenagentur ddp unter Berufung auf Geheimdienstkreise.
"Aber wir wissen eben nicht, wo und wie wir die Extremisten fassen könnten", erläuterte einer der Fahnder. Die so genannten islamistischen Gefährder würden unerkannt in der Menge ihrer Glaubensbrüder untergehen. Erst vor kurzem hatte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, darauf hingewiesen, dass islamistische Terroristen auch jederzeit in Deutschland zuschlagen könnten. Ziercke geht davon aus, dass es in der Bundesrepublik eine ganze Anzahl unerkannter autonomer Terrorzellen der Islamisten gibt.
Terroristen können jederzeit zuschlagen
Die EU-Kommission hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Konflikt um radikale Moslems kein rein niederländisches Problem ist. Ereignisse wie in den Niederlanden könnten sich in jedem anderen Land in Europa abspielen, sagte ein EU-Sprecher in Brüssel. Ein Schreiben, das bei der Leiche van Goghs gefunden wurde, rief alle Muslime dazu auf, sich gegen die "ungläubigen Feinde" im Westen zu erheben.
Dabei profitieren die Islamisten noch immer von den erheblichen Lücken im deutschen und ausländischen Geheimdienstnetz, wie ein Geheimdienstexperte eingesteht: "Die Sicherheitsarchitektur stellt sich bei uns zuweilen wie ein löchriger Schweizer Käse dar", sagt auch ein Angehöriger eines für die Inlandsaufklärung zuständigen Dienstes.
Lagezentrum als Hoffnungsträger
Große Hoffnung legen die Fahnder jetzt auf das in Berlin geplante Analyse- und Lagezentrum mit zunächst rund hundert Mitarbeitern vom BKA, Bundesnachrichtendienst (BND) und Bundesverfassungsschutz (BfV). Es kommt den Vorstellungen von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) entgegen, der die Sicherheitsdienste zentral an die Spree holen will. In Berlin sollen nach Angaben Zierckes von Dezember an täglich Lage- und Gefährdungsbewertungen in direktem Austausch vorgenommen werden. "Ein riesengroßer Fortschritt für eine bessere Bekämpfung des islamistischen Terrors", urteilte ein Verfassungsschützer.
Für den 21. November plant der größte Dachverband der Muslime in Deutschland "Ditib" in Köln eine Demonstration mit dem Motto "Gemeinsam für Frieden und gegen Terror". Damit wollen die Veranstalter nach eigener Aussage dem islamistischen Extremismus eine Absage erteilen. Die große Mehrheit der Muslime wolle zeigen, dass sie zum Rechtstaat der Bundesrepublik stehe, sagte "Ditib"-Generalsekretär Ali Gülcek. Die Verfassungsschützer wollen ein waches Auge darauf haben, dass sich keine Radikal-Islamisten unter die Demonstranten mischen.
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