
2002 wird als das Jahr der besonders bescheuerten Vergleiche in die Geschichte eingehen. Gab es nicht schon genug Politiker, die in der Schule nicht so recht aufgepaßt haben?
Wohl nicht. Naja, Roland Koch - immerhin "brutalstmöglicher Aufklärer" von eigenen Gnaden - haben wir schon lange nicht mehr zugetraut, alle seine Sinne beisammen zu haben. Und in einer neuen Politiktradition möchte der Schwarz-Koffer-Hesse natürlich nicht hintenanstehen. Was Däubler-Gmelin und Kochs Berlin-Kollege Stölzl können, kann der Koch schon lange! Man braucht ja bloß einen vernünftigen Gegner, den man mit dem Vergleich an den Karren pinkeln möchte.
Was also der Däubler-Gmelin ihr George W. Bush und Stölzl die rot-grüne Bundesregierung waren, ist dem Roland sein ver.di-Chef Frank Bsirske. Der hatte bei einer Großdemonstration in Berlin öffentlich die Namen von Besserverdienenden erwähnt. Warum Koch die jetzt verteidigt ist zwar nicht ganz klar, aber vielleicht will er ja demnächst in die FDP wechseln. Oder er macht gleich bei Möllemanns neuer Partei mit.
Angriff Koch am 12. Dezember im Hessichen Landtag: Bsirskes Art, öffentlich die Namen von reichen Deutschen zu nennen, sei, "als würde man die mit so einer neuen Form von Stern an der Brust stigmatisieren. Eine schlimme Parallele zu anderen Zeiten."
Bsirske ist also der Nazi, der die gelben Sterne klebt. Und die Reichen sind die Holocaustopfer. Wie weit darf ein Regierungschef eigentlich gehen???
ReaktionenDer Hessische Landtag stand daraufhin kurz Kopf, die Sitzung wurde unterbrochen und Koch rang sich eine Entschuldigung ab. Oder zumindest, das, was er für eine hält: "Das ist vergaloppiert, das war nicht meine Absicht." Ach, macht doch nichts, Roland, das hat doch keinem weh getan?!
Oh, vielleicht doch. Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, fand es jedenfalls eine "unerträgliche Beleidigung aller Opfer des Nazi-Regimes". Sein Vize Michel Friedman fand nach einiger Zeit des Entsetzens die Sprache wieder: "Es darf nicht sein, daß Politiker, indem sie fahrlässig immer wieder Vergleiche des 'Dritten Reiches' zur Aufarbeitung konkreter gegenwärtiger politischer Konflikte heranziehen, zur Banalisierung und Relativierung der unmenschlichsten Vorgänge im 'Dritten Reich' beitragen."
Denn das ist die Folge, von der keiner weiß, ob sie nicht vielleicht gar das Ziel ist. In einer Zeit, in der viele der Meinung sind, es sei langsam genug, immer von Auschwitz hören zu müssen, paßt das vielleicht ganz gut ins Konzept. Bald stehen dann Holocaust und Steuererhöhung auf einer Stufe. Oh, doofe Steuererhöhung und dann war da ja noch der doofe Hitler mit seinen paar Judenmorden... Darf ein Politiker so ein Risiko der Bagatellisierung fahrlässig eingehen? Das noch in einer Zeit der "Pisa-Studien", wo jeder vierte Schüler meint, Hitler hätte mit seinen Autobahn-Bauten "nicht nur Schlechtes" bewirkt. Armes Deutschland!
Doch auch PositivesRoland "Tellerlippe" Koch hat aber auch etwas Positives verursacht, natürlich völlig ungewollt, den ersten großen Auftritt des neuen Grünen-Chefs (aus der Grünen-Mottenkiste) Reinhard Bütikofer. Der forderte prompt Kochs Rücktritt wegen der "brutalstmöglichen Entgleisung"!
Auch der in Kürze - noch vor Hessen - zur Wahl stehende Landtag in Hannover spürte einige Nachbeben des "Judenstern-Wahns". Ministerpräsident Sigmar Gabriel warf Koch "kalkulierten Mißbrauch des Holocaust" vor, woraufhin die CDU-Fraktion den Landtag verließ. Entgegen der Hoffnung vorfreudiger Zeitgenossen ist sie aber mittlerweile wieder zurückgekommen. Da hieß es dann aus der CDU, Koch habe sich doch entschuldigt. Doch bei wem eigentlich? Bei Bsirske? Bei den Holocaust-Opfern? Nö, der hat sich doch bloß "vergaloppiert"! Darum braucht man doch nicht so ein Buhei zu machen.
Weitere BuheisSchon zwei Wochen zuvor machte CSU-General Thomas Goppel seinen Beitrag zur Nazi-Vergleichs-Kultur. Beim Parteitag in München verglich er die derzeitige politische Lage, im Stile Oskar Lafontaines, mit der Zeit vor 1933: "Rezessionen gab es am Ende der Weimarer Republik, Rezessionen gibt es heute." Und fügte später hinzu: "Solche Zeiten können zur Geburtsstunde von Populisten und Demagogen werden." Womit er wohl leider nicht in aufklärerischer Selbsterkenntnis sich und Roland Koch meinte.
Also frisch ans Werk. Wer jetzt seinen Einstieg in die Politik plant, zum Beispiel über die Grünen, Jusos, JuLis oder Junge Union, sollte schon einmal fleißig das Vergleichen üben. Wie wäre es denn mal mit "Roland Koch ist wie Boris Becker" in Bezug auf das Lavieren mit Geldern vorbei an der Steuer und den Behörden. Oder "Adolf Hitler war genau so ein Nazi wie Hermann Göring", könnte sogar fast stimmen. "Stalin war wie ein Kommunist". Oder etwa "Fußball ist wie Politik, es geht nur noch ums Geld". Eigentlich ist alles Allen egal. Warum nicht einmal "die SPD ist wie die CDU, wenn sie an der Macht ist"? Irgendwie kann man ja irgendwas mit irgendwem vergleichen. Wer hindert die Politiker denn daran? Die Wähler? Schauen wir doch, was in Hessen nach der Wahl passiert. Wird künftig ein Lügner und Verharmloser an den Hebeln der Macht sitzen? "Die SPD ist wie die CDU, wenn sie an der Macht ist"? Und alles bleibt gleich.