USA: Die Liquidität treibt die Erwartungen nach oben Allenthalben werden die jüngsten US-Konjunkturdaten als Zeichen dafür gewertet, dass es wirtschaftlich nicht noch weiter bergab geht. Noch sieht man eine kurzfristig weiter ungewisse Entwicklung voraus. Aber zahlreiche Marktbeobachter fühlen sich in der populären Annahme bestärkt, dass eine Erholung nur noch wenige Monate entfernt ist.
Die Erstanträge auf Arbeitslosigkeit sind von 442.000 der Vorwoche auf jetzt 427.000 gefallen. Das ist die vierte Woche in Folge, in der die Zahl zurückgeht und gleichzeitig die längste Periode seit Anfang 1999. Im Mittel sind die Erstanträge in diesem Jahr auf 404.000 angestiegen. Im Vorjahr lagen sie bei 303.000. 1991, das Jahr der letzten Rezession, wies 448.000 aus. Die Zahl der Personen, die Arbeitslosen-Unterstützung erhalten, ist zum ersten Mal seit neun Wochen leicht auf 3,7 Millionen gefallen, bleibt aber höher als zu irgend einem Punkt in der Rezession 1990/91. Die Arbeitslosenrate liegt mit 5,4 Prozent auf einem Fünfjahres-Hoch. Sie wird noch weiter steigen, aber niemand glaubt gegenwärtig, dass sie noch den Spitzenwert von 7,8 Prozent nach der Rezession 1990/91 erreichen wird. Scott Anderson von Wells Fargo etwa erwartet bis Mitte nächsten Jahres einen Anstieg auf etwa 6 Prozent. Daraus wiederum wird geschlossen, dass die Zeit der größten Arbeitsplatzverluste vorbei ist. Hierdurch könne ein schwaches Konsumklima die wirtschaftliche Erholung kaum noch nachhaltig gefährden. Der Index des Konsumentenvertrauens stieg von 82,7 im Vormonat auf 83,9, dem höchsten Wert seit August. Im Januar hat er noch bei 112 gelegen. Zuvor waren bereits besser als erwartete Zahlen für den Baubeginn von Eigenheimen und für Umsätze des Einzelhandels veröffentlicht worden. In der Folge dieser Zahlen sackten natürlich die Anleihekurse durch, was die Rendite der 10-jährigen Staatsanleihe der USA an der 5-Prozent-Marke kratzen lässt. Gleichzeitig zeigten sich die Aktienmärkte fest, auch gestützt durch Liquidität im Überfluss . Das lässt manchen Marktteilnehmer betreten unter sich gucken, der nur mit halbem Herzen (und halbem Portemonnaie) an der Rallye teilnimmt, die Reißleine fest im Griff. Schon kommen Warnrufe, die Märkte liefen zu weit und zu schnell der tatsächlichen Entwicklung voraus. Viele Analysten sagen, es könne zwar jetzt immer wieder zu kurzen Strohfeuern kommen, die durch partiell leergefahrene Lager verursacht würden, aber eine robuste Entwicklung stecke noch nicht dahinter. Die Geschichte lehre zudem, dass Unternehmen ihre Kosten oftmals noch so lange weiter reduzieren, bis sie selbst von einem Ende des Abschwungs überzeugt sind. Außerdem habe der Oktober mit 415.000 gerade erst den größten Monatsverlust an Arbeitsplätzen seit 1980 gebracht. Darüber hinaus sei es noch ein sehr weiter Weg, bis die Wirtschaft wieder von jährlich 4 Prozent wächst wie in den späten 90-er Jahren. „Dass sich das Verbrauchervertrauen leicht erholt, überrascht nicht,“ sagt Richard Curtin von der Universität Michigan, die den Index erhebt. „Sehr überraschend wäre eine starke Erholung gewesen.“ Vor einer wirtschaftlichen Belebung legt der Index in einem Monat zunächst leicht zu, um im darauf folgenden deutlich anzuziehen, führt Curtin aus. Die jeweils leichte Zunahme im Oktober und November zeige viel mehr die anhaltende Unsicherheit der Konsumenten. Sicher haben auch die massiven Preisnachlässe im Oktober und die geringen Finanzierungskosten zu der leichten Belebung des Konsumklimas beigetragen. Eine Minderheit unter den Volkswirten glaubt immer noch, dass eine Erholung viele Monate entfernt ist. Eine Zunahme der Investitionstätigkeit sei nirgends zu beobachten und der schwache Arbeitsmarkt begrenze den privaten Konsum. Die Marktforscher der „Organization for Economic Cooperation and Development“ sagen denn auch für das nächste Jahr lediglich ein 0,7-prozentiges Wachstum der US-Wirtschaft voraus. Das wäre dem Verlauf der Rezession von 1990/91 nicht unähnlich. Auch damals wuchs die Wirtschaft in den folgenden fast zwei Jahren nur wenig. Bis April 1993 blieb die Beschäftigung unter dem Spitzenwert vom Juni 1990. Gnadenlose Optimisten ziehen noch eine andere Parallele. Die Rezession begann seinerzeit mit dem zyklischen Beschäftigungshoch im Juni 1990 und endete neun Monate später. Im aktuellen Zyklus lag das Beschäftigungshoch mit 132,7 Millionen Stellen im März. Das nehmen sie als den eigentlichen Beginn der aktuellen Rezession, rechnen 9 Monate hinzu und kommen so zu dem Schluss, dass das Wirtschaftstal gleich zu Beginn des kommenden Jahres verlassen wird. Alle Diskussion um die Frage nach dem wann und wie der Erholung dürfte für die aktuelle Verfassung der Aktienmärkte wenig relevant sein. Wirtschaftsdaten sind momentan nur schmückendes Beiwerk. Lassen sich Hoffnungen damit verbinden, ist es gut. Wenn nicht – auch gut. So lange die (institutionellen) Marktteilnehmer in diesem Jahr nach der Baisse der vergangenen 18 Monate wieder etwas Performance zeigen wollen oder müssen, wird gekauft. Flüssige Mittel stehen reichlich zur Verfügung. Umso bedeutender ist die „Erholungs-Diskussion“ bei der Frage, wie groß das Rückschlagspotenzial ist, das sich jetzt aufbaut. Denn je weiter die Märkte vorlaufen, desto kritischer wird bald hinterfragt werden, wie es tatsächlich mit der Wirtschaft aussieht. Die Stunde der Wahrheit schlägt vermutlich irgendwann zu Beginn des neuen Jahres. Dann ist weitere Zeit ins Land gegangen, manches lässt sich nach dem Weihnachtsgeschäft besser beurteilen. Das gilt insbesondere für die amerikanische Wirtschaft, die zu zwei Dritteln vom Konsum abhängt. Technische Korrekturen im liquiditätsgetriebenen Aufwärtstrend einstweilen vorbehalten, wie es so schön heißt.
Trader_Baron
|