Nachrüstung am Auto Ein Euro-5-Motor schlägt die Euro-6-Werte von Michael Heller 05.07.2017 Der kleine Entwicklungsspezialist Baumot macht mit einem Katalysator Furore. Testergebnisse bestätigen, dass eine Nachrüstung möglich ist. Der Chef ärgert sich über die Politik.
Baumot hat seinen Katalysator in einen VW Passat eingebaut und mehrfach testen lassen. Foto: Baumot Baumot hat seinen Katalysator in einen VW Passat eingebaut und mehrfach testen lassen. (Foto: Baumot) Stuttgart - Der kleine Autozulieferer Baumot aus Königswinter (bei Bonn) nimmt es mit den Großen der Branche auf. Der Entwicklungsspezialist kämpft gegen die vorherrschende Meinung in der Fahrzeugindustrie an, dass Euro-5-Dieselmotoren nicht so nachgerüstet werden können, dass sie Euro-6-Grenzwerte erreichen; Ausnahmen von den vielerorts drohenden Fahrverboten soll es grundsätzlich nur für Euro-6-Autos geben.
Baumot hat Taten sprechen lassen und einen Katalysator mit dem Namen BNOx entwickelt, den zum Beispiel ADAC, „Auto, Motor und Sport“ und die Deutsche Umwelthilfe getestet haben; Ergebnis: Das Abgasreinigungssystem funktioniert; die Emissionen von Stickoxiden (NOx) sinken um etwa 90 Prozent und liegen damit sogar im Straßenbetrieb weit unter dem Euro-6-Grenzwert. Baumot-Chef Marcus Hausser haut deswegen aber nicht auf die Pauke: „Wir haben eine sehr gute Nachrüstlösung, vermutlich nicht die einzige, aber bislang offenbar die beste“, sagt der 44-Jährige.
Das System kostet 1500 Euro plus 500 Euro für den Einbau Solange allerdings nicht klar ist, wie die Politik das Problem mit den NOx-Emissionen lösen will, weiß kein Anbieter, ob sich der Einstieg in die Produktion lohnt. Der Baumot-Chef ärgert sich: „Die Politik muss endlich eine Entscheidung treffen. Im Moment wird von einigen Verantwortlichen verzögert und taktiert – und das alles auf dem Rücken der Leute, die einen Diesel haben. Es kann aber nicht sein, dass der Endkunde, der unschuldig an der Misere ist, am Ende zahlt. Eine Regelung sollte meiner Ansicht nach so aussehen: Der Hersteller zahlt die Hardware, und der Gesetzgeber gibt etwas für den Einbau dazu.“
Den Preis des Bau-mot-Systems kalkuliert das Unternehmen mit etwa 1500 Euro; hinzu kommen etwa 500 Euro für den Einbau. Aufgrund der geringen Abmessungen gehen die Rheinländer davon aus, dass ihr SCR-Katalysator, der mit Harnstoffeinspritzung arbeitet, in alle gängigen Dieselautos eingebaut werden kann. Dahinter macht der ADAC freilich ein Fragezeichen.
Nach dem Erfolg in London winken Folgeaufträge
Baumot hat seit 2011 einige Millionen Euro in die Entwicklung von BNOx gesteckt, das weltweit in etwa 100 Nutzfahrzeugen im Einsatz ist. Aus diesem Geschäft kommt Baumot, genauer gesagt aus dem Baumaschinenbereich – worauf der Name hindeutet, der für Baumaschinen und Motoren steht. Der Vorteil, auf den das Unternehmen setzen kann: „Bei Baumaschinen geht es um kurze Einsätze und um kalte Temperaturen. Das ist mit Blick auf Abgas die Höchststrafe“, sagt Hausser. Personenwagen hatten die Entwickler eigentlich nicht auf dem Radar. „Wir sind davon ausgegangen, dass eine Nachrüstung hier kein Thema sein würde“, sagt Hausser. „Aber dann kam der Fall Volkswagen.“
Die Investoren haben Druck gemacht Schneller als bei Personenwagen geht es gegenwärtig bei Nutzfahrzeugen voran. In London hat Baumot gerade zusammen mit drei weiteren Anbietern von der Dachorganisation für die Koordination der Verkehrssysteme der Stadt, Transport for London (TfL), den Auftrag für die Umrüstung von 5800 Stadtbussen auf Euro 6 bis 2019 erhalten. Hausser hofft auf Folgeaufträge in England, zum Beispiel in Birmingham, und auf ähnliche Projekte in Deutschland. Baumot stellt die Abgasreinigungssysteme nicht selbst her, sondern konzentriert sich auf die Entwicklung in Zusammenarbeit mit Partnern und hält dann die Patente. Die Produktion übernehmen Auftragsfertiger.
Mit diesem Geschäftsmodell hat das Management die Lehren aus der Vergangenheit gezogen, als der Nachrüstboom für die ersten Katalysatoren und für Partikelfilter zu Ende ging. „Die Nachrüstbranche hat extrem harte Zeiten hinter sich. In den zurückliegenden fünf Jahren ist der Markt stark geschrumpft“, sagt Hausser. Auch die Investoren machten Druck auf Baumot, sich stärker Zukunftsthemen wie der Elektromobilität zuzuwenden Das Ergebnis der Strategiediskussion: „Wir haben uns dann entschieden, nach einem Engineering-Dienstleister mit Schwerpunkt in der Motorenentwicklung Ausschau zu halten, der mit innovativen Themen wie dem autonomen Fahren und der Sensorerprobung umgehen kann“, berichtet Hausser.
Für Kontec in Korntal-Münchingen wird ein Käufer gesucht Die Wahl fiel 2015 auf das Unternehmen Kontec in Korntal-Münchingen, das jedoch schnell durch den VW-Dieselskandal in Mitleidenschaft gezogen wurde. „Der Diesel ist in Verruf geraten, und deshalb werden jetzt Dieselmotoren, die eigentlich noch geplant waren, nicht mehr entwickelt“, erläutert der Baumot-Chef. „Da waren auch bei Kontec auf einmal die Prüfstände leer, weil mehrere Entwicklungsaufträge storniert wurden.“ Außerdem kürzten viele Autobauer die Budgets für externe Dienstleister wie Kontec.
Hoffen auf die „Blaue Plakette“
Die Folge: Anfang des Jahres stellten die Gesellschaften der Kontec-Gruppe entweder Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung oder auf ein Schutzschirmverfahren. Gleichzeitig mit der Bekanntgabe des Londoner Busauftrags teilte Baumot mit, dass das Unternehmen die Zukunft nunmehr ohne Kontec plane. Was das bedeutet? „Wir konzentrieren uns jetzt auf die Abgas-Nachbehandlung und suchen deshalb für Kontec einen Käufer“, sagt Hausser. Es gebe vier bis fünf Interessenten, ergänzt er.
Die Mehrheit der Aktien ist in Streubesitz Damit würde Baumot 220 der 300 Mitarbeiter abgeben, die im vorigen Jahr (also einschließlich Kontec) noch für 38,2 Millionen Euro Umsatz gesorgt haben. Dabei fielen 3,3 Millionen Euro Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen an. Eine Prognose für 2017 und 2018 traut sich Hausser gegenwärtig nicht zu, da offen ist, wie Baumot mit BNOx punkten kann und wie sich die Trennung von Kontec bilanziell auswirkt. In der Vergangenheit war bei Baumot schon einmal von 100 Millionen Euro Umsatzpotenzial die Rede. Hausser hält das auch jetzt nicht für unrealistisch – zum Beispiel, wenn die Blaue Plakette für saubere Dieselfahrzeuge kommen sollte. Aber der Manager, der früher für eine US-Tochter von Daimler gearbeitet hat, weiß auch: „Dann entsteht ein riesiger Markt. Das werden wir dann sicher nicht alleine schaffen. Da spricht einiges dafür, auf Partnerschaften zu setzen.“
Baumot ist börsennotiert (Freiverkehr) und gehört zu gut 20 Prozent der Beteiligungsgesellschaft RMK, hinter der vor allem die Familie des Gründers steht, und zu 14 Prozent dem Unternehmen Cleantech aus China; der Rest ist in Streubesitz. Das Grundkapital von 27,6 Millionen Euro ist in Ein-Euro-Aktien eingeteilt – die etwa auf Höhe des Nennwerts notieren. Quelle: http://www.stuttgarter-zeitung.de/...fc71-4f0f-b02b-3ab3bf1770ca.html
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