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Das DFB-Sportgericht hat über den Einspruch von Hertha BSC geurteilt, wie man es nach der Verhandlung vom Freitag erwarten durfte: Das 2:2 zwischen Düsseldorf und Berlin im zweiten Relegationsspiel bleibt unangetastet, die Fortuna darf sich auch juristisch als Aufsteiger fühlen. Während der Verhandlung waren die Angriffe und Übergriffe der Hertha-Spieler gegenüber Schiedsrichter Stark, über die eigentlich erst in einem gesonderten Verfahren zu richten sein wird, derart in den Mittelpunkt gerückt, dass man dies als Zeichen verstehen konnte, was dem Gericht in diesem Fall mindestens genauso wichtig war: Der Schutz des Schiedsrichters, nicht nur des Spiels.
Nach Ansicht der ersten Instanz fand die skandalträchtige Partie in Düsseldorf zwar unter außerordentlich turbulenten Zuständen, jedoch spieltechnisch regulären Bedingungen statt. Das Chaos der Platzstürmung mit zwanzigminütiger Unterbrechung, ein Spiel in den letzten Minuten ohne (geklaute) Eckfahnen und Elfmeterpunkt, dafür mit Hundertschaften von Sicherheitskräften an den Seitenlinien, sind nun also der neue Rahmen, den die DFB-Sportgerichtsbarkeit für Begegnungen im deutschen Profifußball für akzeptabel hält.
Einspruch unbegründet - wenn das alles ohne „feindselige Haltung“ geschieht, wohlgemerkt. Die freundliche Übernahme des Platzes wurde in der Urteilsbegründung ausdrücklich der Aggressivität der Hertha-Spieler gegenüber gestellt. Ein allzu bequemes Urteil
Der Richter, der die Umstände des Relegationsspiels für nicht wiederholungswürdig erachtet, verurteilte vor wenigen Monaten noch Dynamo Dresden mit dem Ausschluss aus dem kompletten DFB-Pokal nach Ausschreitungen und Spielunterbrechungen beim Spiel in Dortmund. Es könne Tote geben, wenn es so weitergehe in deutschen Stadien, sagte er. Damals hieß es: Wehret den Anfängen! Und heute: Feiert schön weiter?
Dass Urteil gegen Dresden war überzogen wie die Rhetorik, in höherer Instanz wurde es kassiert. Diesmal allerdings, wo es nicht vorrangig um die Bestrafung eines Klubs für seine Anhänger ging, sondern um den Schutz des Spiels vor jedweder Einmischung, erscheint das Urteil des DFB-Sportgerichts seltsam ängstlich - oder unpassend pragmatisch.
Ein Wiederholungsspiel um den Aufstieg unter aufgeheizten Umständen wäre tatsächlich keine leichte Sache, das wochenlange Warten auf eine endgültige sportliche Entscheidung eine Zumutung für die Klubs im Liga-Niemandsland mit Blick auf die Saisonplanung. Aber das allzu bequeme Urteil ist genau das falsche Signal, das in diesen Tagen, in denen der Fußball die Kontrolle über einen Teil seiner Anhänger zu verlieren droht, vom DFB ausgeht. Die Grenzen der Zumutbarkeit sind verschoben worden, so weit, wie man sich das kaum vorstellen mochte. Von den starken Worten blieb in der Verhandlung nichts
Das oberflächliche sportliche Gerechtigkeitsempfinden hat die DFB-Justiz auf ihrer Seite. Die Fortuna-Spieler haben sich den Aufstieg verdient und sich nichts zu Schulden kommen lassen. Die Angriffe der Hertha-Profis auf den Schiedsrichter erscheinen dabei wie der Ausdruck eines auch moralisch abgewirtschafteten Klubs, dessen Anwalt von einem möglichen „Blutbad“ und Sicherheitswarnungen der Polizei bei einem Spielabbruch schwadronierte hatte.
Von den starken Worten blieb in der Verhandlung nichts übrig, nur von den halbstarken Taten der Berliner um ihren Anführer Kobiaschwili und seinen zweifelhaften Helfern. An der entscheidenden Frage, um die Verbände und Vereine auch nach diesem Urteil nicht herumkommen, ist der DFB jedoch gescheitert: Wann gibt der Sport ein Spiel für den Moment verloren, um es dadurch wieder zu gewinnen? Der Moment war da, der DFB hat ihn verpasst. ----------- "Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart."
Curt Goetz
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