Kosten der Energiewende geraten außer Kontrolle
Deutschland ist immer noch Netto-Stromimporteur und der Ökostrom wird teurer: Die Energiewende muss dringend nachjustiert werden.
Angela Merkel hatte die Quadratur des Kreises versprochen und muss nun zugeben, dass auch sie keine Wunder vollbringen kann. Die Bundeskanzlerin hatte die atompolitische Kehrtwende, die Abschaltung von acht Kernkraftwerken und den beschleunigten Einstieg in die Erneuerbaren Energien im Sommer dieses Jahres mit fahrlässigen Zusagen garniert: Deutschland werde trotz allem nicht Importeur von Atomstrom, betonte sie.
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Foto: dapd/DAPD Die Fotovoltaik ist der größte Kostentreiber der Energiewende
Und zudem werde Strom trotz der politisch verfügten Abschaltung großer Kapazitäten bezahlbar bleiben. Insbesondere die Umlage für erneuerbare Energie, so versprach es die Kanzlerin wörtlich vor dem Bundestag, solle nicht über das derzeitige Niveau von 3,5 Cent pro Kilowattstunde hinaus ansteigen.
Von der Realität eingeholt
Die Realität hat die Regierungschefin schnell eingeholt. Deutschland ist noch immer Netto-Stromimporteur und bezog etwa gestern am frühen Nachmittag allein 3400 Megawatt aus der Atom-Nation Frankreich. Rein rechnerisch produzierten dreieinhalb Kernkraftwerke des Nachbarn nur für den deutschen Bedarf.
Ebenso wie das Autarkie-Versprechen muss die Bundeskanzlerin wohl auch ihre Zusage stabiler Ökostrom-Preise brechen. Die Mittelfrist-Prognose der Netzbetreiber, die jetzt veröffentlicht wurde, sagt schon für 2013 eine Erhöhung auf bis zu 4,74 Cent pro Kilowattstunde voraus.
Nach einem weiteren Szenario der Prognos-Studie, die der Voraussage zugrunde liegt, könnte die Umlage sogar noch auf bis zu sechs Cent pro Kilowattstunden klettern.
Eigentlich ist diese Entwicklung kein Wunder, solange die Bundesregierung gerade die teuersten Ökostrom-Arten am meisten fördert. So kommt die Offshore-Windenergie neben der erwünschten Grundvergütung auch noch in den Genuss eines Kreditprogramms der Staatsbank KfW über fünf Milliarden Euro.
Und die Fotovoltaik, der größte Kostentreiber der Energiewende, wurde von Bundesumweltminister Röttgen bislang von Subventionskürzungen in der nötigen Größenordnung nachsichtig verschont. Die Forderung gleich mehrerer Regierungskommissionen und Sachverständigenräte, die Kosten des Solarzubaus durch eine feste Mengenbegrenzung zu „deckeln“ schlug Röttgen in den Wind.
Selbst die Anti-Subventionspartei FDP verhinderte merkwürdigerweise die in der Regierungskoalition diskutierte Deckelung der Solar-Beihilfen, die in anderen Ländern längst praktiziert wird. Schon heute sind die Energiepreise die stärksten Treiber der Inflation in Deutschland. Die Energiewende, gerade erst eingeleitet, muss dringend nachjustiert werden, wenn die Kosten nicht völlig außer Kontrolle geraten sollen.
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