Ich weiß gar nicht, ob ich Dein provokantes? posting antworten soll, Du scheinst Dir mit der reinkopierter Marktmeinung, Deine Meinung bereits gebildet zu haben...
nichts desto trotz stelle ich mal 2 interessante Artikel rein, von einem Autor, den ich wegen seiner hervorragenden Recherchen sehr schätze, meiner Meinung nach ist der Ölpreis viel zu hoch und realitätsfern (über den Future gehedged, ob sich da nicht der ein oder andere die Finger verbrennt...), die 60 bzw. 70 sehe ich ausdrücklich nicht !
Fehleinschätzungen beim Öl, die Prognosen sind übertrieben!
von Jochen Steffens
Ich musste zugegebenermaßen etwas schmunzeln, als ich ausgerechnet heute von meinem lieben Kollegen Christoph Amberger, den Header las:
"Auch Chancen auf der Short Seite nutzen!"
Zunächst habe ich wirklich gestutzt, von einem der bullishsten meiner Kollegen so ein Satz? Ich war dann froh, als dann wenigstens direkt eine positive Perspektive für die weitere Zukunft folgte und diese Aussage mit den Shorts dann nett verschleiert wurde, mit der Erkenntnis, dass man auf beiden Seiten Geld verdienen kann. Alles andere hätte mich auch wirklich gewundert!
Aber der Zeitpunkt dieser Überschrift bleibt - hm, ich möchte mal sagen: interessant! Ja, die Bullen, die noch vor wenigen Wochen kaum zu halten waren (ich hatte davon berichtet) kokettieren mit der Short Seite.
Zeit, um sich ein wenig von dem Börsechaos gedanklich zu entfernen und rein sachliche Überlegungen anzustellen:
Das Hauptthema: Öl
Wäre es nicht für viele Verbraucher so traurig, es wäre wirklich lustig. Öl ist im Moment eindeutig ein "emotionales Problem". Doch gerade mit Emotionen muss man bei Rohstoffen vorsichtig sein. Bei Aktien stimmt das, wenn alle euphorisch sind, dann sind alle investiert - dann kann der Preis der Aktien kaum noch steigen, weil das Geld auf der Käuferseite ausdünnt.
Bei Rohstoffen ist das natürlich anders. Hier bestimmt zusätzlich die Nachfrage das Geschehen. Deswegen funktionieren Stimmungsindikatoren nicht so wirklich gut bei Rohstoffen. Das wird gerne in letzter Zeit etwas vergessen. Die Stimmung ist aber natürlich ein mitbestimmender Faktor.
Man kommt nicht umhin, beim Öl mehr auf die Fundamentals achten:
Eine Fehleinschätzung ist, dass die aktuelle Nachfrage immer weiter exponentiell steigen wird. Dieser Bedarf solle nicht gedeckt werden können und den Ölpreis in die Höhe treiben, so die Öl-Bullen. Im Moment schwächt sich das weltweite Wirtschaftswachstum ab, nicht nur in Amerika sondern auch besonders in Asien. Ein schwächeres Wachstum wird jedoch sofort zu weniger Nachfrage nach Öl führen. Nach Angaben der internationalen Energiebehörde ist im Moment eine Stabilisierung bei der Nachfrage zu erkennen.
Deutlichstes Zeichen für die Abschwächung auch in Asien: Das BIP in Japan ist im zweiten Quartal lediglich um 0,4 % anstatt wie erwartet um 1 % gestiegen. Das hat natürlich mit der Abschwächung des chinesischen Wachstums zu tun. Darauf weisen auch noch andere Indikatoren hin. Die USA hatten, wir erinnern uns, auch ein schlechteres BIP-Wachstum gemeldet. Sogar in der EU ist das BIP nach zuvor 0,6 % im zweiten Quartal nunmehr nur um 0,5 % gestiegen.
Da aktuell die Produktion von Öl weiter erhöht wird, die Lager gefüllt werden oder bereits voll sind, wird sich eine Abschwächung der Nachfrage sofort negativ auf den Ölpreis auswirken.
Dabei muss beachtet werden, dass der hoher Ölpreis selbst eine Abschwächung der Wirtschaft verursacht und so die Nachfrage negativ beeinflusst - eine Selbstregulierung des Marktes sozusagen. Diese Selbstregulierung hat auch längerfristige Auswirkungen:
Sollte der Ölpreis weiter so hoch bleiben, werden immer mehr Firmen und Verbraucher auf Alternativen zum Öl oder sparsamere Alternativen mit Öl umsteigen und sich insgesamt sparsamer verhalten. Das gilt weltweit. So engagiert sich China zum Beispiel verstärkt im Bereich alternativer Energien. Auch Arnold Schwarzenegger setzt in Kalifornien auf alternative Energien, um den Bundesstaat unabhängiger vom Öl zu machen.
Diesen Effekt und die sehr langfristige Auswirkung auf den Anstieg des Ölverbrauchs konnten Sie während und nach den letzten Ölkrisen miterleben.
Und eine letzte der Fehleinschätzung, die gerne als Argument angeführt wird: Es gäbe nicht mehr genug Öl-Reserven.
Das ist so nicht richtig: Öl ist (noch) genug vorhanden. Wie ich schon mehrfach geschrieben habe: Allein die Ölsandvorkommen in Kanada, die aufgrund neuerer Technik mittlerweile rentabel abbaubar sein sollen, werden mit 28,5 Gt beziffert (1 Gigatonne = 1 Gt = 1.000.000.000 t). Damit liegt Kanada vor dem Irak mit 15,6 Gt und hinter Saudi Arabien mit 35,7 Gt auf Platz zwei der größten Ölvorkommen.
Die weltweiten Ölsandvorkommen werden auf 100 Gt geschätzt, die Wahrheit dürfte sogar noch höher liegen. Öl ist also genug vorhanden.
Bei Preisen über 30 Dollar dürften auch die Exploration weiterer Ölsandvorkommen lukrativ werden.
Das Problem: Einige Experten gehen davon aus, dass im Jahr 2000 die Förderungshöchstmengen endgültig überschritten wurden. Diese Experten rechnen also damit, dass niemals wieder so viel Öl gefördert werden wird, wie im Jahr 2000. Begründet wird das damit, dass die Hälfte der leicht förderbaren Ölreserven verbraucht sein sollen. Mit zunehmender Entleerung eines Ölfelds wird es schwieriger, die Fördermenge aufrecht zu erhalten. Ein Prozess, der sich in den USA um 1970 eingestellt hatte. Diese Experten sehen sich durch die aktuellen Statistiken bestätigt. In diesen Statistiken ist bei den Förderquoten bis 2000 ein steter Anstieg zu erkennen. 2000 gab es einen Knick und seitdem sind sie ruckläufig (bis März 2003). Beweis genug?
Wir Börsianer wissen hingegen, dass für diesen Knick sehr wahrscheinlich etwas ganz anderes verantwortlich war. 2000 brach das weltweite Wirtschaftswachstum ein. Logisch, dass dann weniger gefördert wurde. Das wird bei dieser Betrachtung vollkommen ausgeblendet. Leider habe ich keine Statistik gefunden, welche die langfristige Ölförderung bis August 2004 aufzeigt. Mich würde interessieren, ob wir das Niveau von 2000 mittlerweile überschritten haben - es wäre ein klarer Hinweis darauf, dass sich diese Experten getäuscht hätten, die Förderquoten noch nicht das Hoch gesehen haben.
Das jedoch die leicht zu fördernden Ölquellen noch in diesem Jahrhundert versiegen, und Exploration neuer Quellen kaum den steigenden Bedarf decken kann, ist hingegen kaum zu bestreiten - es geht lediglich um den Zeitpunkt. Leider wird offenbar nirgendwo mehr gelogen als bei den Ölmengen/Ölvorkommen/Ölreserven.
Generell gilt: Die Technik zur Förderung der Ölsande und eventuell der Ölschiefer wird beständig weiter entwickelt - umso höher der Ölpreis, desto schneller wird diese Entwicklung fortschreiten. Das bedeutet, Öl ist noch genug da, die Frage ist nur: zu welchem Preis.
Ein weiteres Puzzelteilchen – China und der Ölpreisanstieg im August
von Jochen Steffens
Manchmal dauert es etwas, bis man hinter die Dinge sehen kann, die an den Börsen geschehen. Es müssen sich Nachrichten zu Nachrichten finden, wie Puzzelteilchen. Irgendwann erkennt man, auch wenn noch Puzzelteilchen fehlen, das Gesamtbild.
Weitere, entscheidendende Puzzelteilchen:
Die erste Nachricht, die das Bild komplettierte, kam gestern über Reuters: Danach ist Chinas Import von Öl im Juli um 41 % auf 9,6 Mio Tonnen oder 2.32 Millionen Barrel pro Tag angestiegen. Kein Wunder, dass der Ölpreis steigt, wenn China so viel Öl nachfragt. Andererseits mutet das schon etwas seltsam an, da Chinas Wirtschaftswachstum sich doch verlangsamt haben soll.
Erst im Zusammenhang mit zwei anderen Nachrichten wird deutlich, was da eigentlich los ist. Ein chinesischer Wirtschaftsbeamter wird in den Medien zitiert, der von einem Interesse Chinas an der Übernahme von Yuganskneftegaz (ein Segment von Yukos) spricht. Immerhin produziert Yuganskneftegaz 60 % des Öls, dass nach China exportiert wird. Obwohl sich die Beziehungen zwischen Russland und China in den letzten Jahren vertieft haben und es enge Kooperationen in wirtschaftlichen und sogar militärischen Bereichen gibt, glauben Beobachter nicht, dass der Kreml einem Verkauf ins Ausland zustimmen wird.
Doch so richtig deutlich wird erst, wie dringend China auf das Öl aus Russland angewiesen ist, wenn man eine Meldung von gestern hinzu nimmt: So soll China die Bereitschaft angedeutet haben, die Transportkosten, sprich ausstehende Rechnungen von Yukos an die russische Eisenbahn, übernehmen zu wollen. Natürlich um zu verhindern, dass es zu Exportengpässem kommen wird.
Diese letzte Nachricht zeigt: China macht sich offenbar große Sorge im Zusammenhang mit der Yukos Krise. Was liegt also näher, als Reserven aufzubauen. Und genau das würde die stark gestiegene Nachfrage im August erklären.
Wobei es noch einen zweiten Grund gibt. Die Preise in China selbst steigen nur verzögert zu dem Ölpreis. Aus diesem Grund horten unabhängige chinesische Händler und Endverbraucher Ölprodukte, da sie davon ausgehen, dass die Preise auch in China weiter steigen werden.
Also offenbar haben beide Seiten Recht: Die Analysten, die sagen, dass der Ölpreis nachfragegetrieben sei und die, die behaupten der Ölpreis sei durch die aktuellen Unsicherheiten verursacht. Das bedeutet aber, der Ölpreis wird wesentlich weniger durch Venezuela und den Irak getrieben, sondern offenbar durch die chinesische Nachfrage in Verbindung mit der Yukos-Krise!
Es ist also davon auszugehen, dass sobald die Yukos-Krise bereinigt ist und die weiteren Lieferungen nach China sichergestellt sind, sich der Ölpreis wieder beruhigen wird.
Übrigens, ein Nachtrag zum Investor's Daily vom vorigen Freitag und Ihre vielen Antworten auf meine Frage:
Die Förderungshöchstmenge wurde tatsächlich nicht, wie ich erwartet hatte, im Jahr 2000 erreicht. Die Opec will im nächsten Monat 30,5 Mio Barrel / Tag fördern, so viel Öl, wie seit 1979 nicht mehr! Die Experten haben sich demnach getäuscht, der Einbruch 2000 hatte tatsächlich etwas mit der Wirtschaftskrise zu tun.
Mein lieber Kollegen Tom Dyson aus den USA ist mir heute mit seinen Ausführungen zu Google zuvor gekommen (lesen Sie dazu etwas weiter unten seinen Artikel "Zum Börsengang von Google"). Google ist nun genauso hoch bewertet, wie General Motors!!! Eine einfache Internetsuchmaschine ...
Ein Nachtrag sei mir zum Wochenende noch erlaubt: Heute morgen brachte ein Kommentator in den Medien es auf den Punkt: (ich kann es nur inhaltlich wiedergeben, da ich den genauen Wortlaut nicht mehr im Kopf habe): Wir sind doch alle mittlerweile zu Ölhändlern degradiert, die Aktienhändler, die Devisenhändler, die Bondmarktspezialisten – alles Ölhändler.
Greetz f-h http://www.anmeldung.boerse-total.de
|