Frage: Was zeichnet einen Weltklasse-Trader wie Sie sonst noch aus? Wodurch unterscheiden Sie sich Ihrer Meinung nach von anderen Tradern? Was sind Ihre Stärken?
ROTTER: Die Fähigkeit, in Gewinnphasen aggressiver zu werden und größere Risiken einzugehen, in Verlustphasen dagegen genau das Gegenteil zu machen. Dies widerspricht normalerweise dem Naturell des Menschen. Am besten, man hat eine Person, die nichts mit Traden am Hut hat, an seiner Seite, die ab einer vorher festgelegten Verlustsituation den Trading-Terminal abschaltet und den Trader nach Hause schickt.
Frage: Sie sind als Orderbuch-Scalper bekannt. Können Sie unseren Lesern kurz erklären, was ein Orderbuch-Scalper macht und wie in etwa Ihre Handelsstrategien aussehen. Welche Taktiken benutzen Sie dabei?
ROTTER: Es ist eine Art Market Making, bei dem man gleichzeitig Kauf- und Verkaufsorders im Markt platziert und seine Handelsentscheidungen sehr kurzfristig aufgrund bestimmter Ereignisse im Orderbuch trifft. Die Positionen werden nur sehr kurzfristig gehalten (Scalping = herausschneiden einer kleinen Marktbewegung). Ich habe beispielsweise in mehreren verschiedenen Futures gleichzeitig sehr viele Orders eng am Markt. Die daraus resultierenden Trades egalisieren sich meist ergebnismäßig, weil ich mal etwas kaufe und anderswo etwas verkaufe. Dadurch bekomme ich aber ein sehr gutes Gefühl für die Marktstimmung, um dann gezielt den einen oder anderen großen Trade zu platzieren.
Frage: Wie lange halten Sie im Schnitt eine Position?
---- das ist Straddeln ----
ROTTER: Da ich sehr selten einen "Single-Trade" (= Trade, um die Kursbewegung in eine Richtung auszunutzen) habe, sondern, wie beschrieben, meistens immer wieder neue Ausführungen auf beiden Seiten im Orderbuch bekomme (sowohl auf der so genannten Bid-Seite = Käufer als auch auf der Offer-Seite = Verkäufer), habe ich oft stundenlang wechselnde Positionen in verschiedenen Märkten, wobei sich meine Marktmeinung manchmal alle paar Minuten ändert bzw. auch ändern muss. Dies fällt mir relativ leicht, da ich bei meinen Trades meistens sowieso nur auf die nächsten 3 bis 5 Ticks sehe.
Frage: Waren Sie während Ihrer professionellen Laufbahn schon immer ein Orderbuch- Scalper oder haben Sie es auch mit anderen Methoden versucht, zum Beispiel Swing- oder Momentum -Trading?
ROTTER: Ja, allerdings passe ich mein Trading immer wieder an bestimmte Marktsituationen an. So habe ich an sehr volatilen Tagen natürlich wesentlich weniger Orders im Markt und mache viel mehr Single-Trades, wobei ich diese oft nur für ein paar Sekunden aufrechterhalte.
Frage: Ist Ihre Form des Tradings nur an elektronischen Börsen möglich?
ROTTER: Grundsätzlich ja, weil man im Trading-Pit nicht gleichzeitig so viele Orders handhaben kann und man erst nach einem Handelspartner suchen muss, während man in einem elektronischen Orderbuch sofort traden kann und die elektronischen Märkte weniger manipulationsanfällig sind.
Frage: Versuchen Orderbuch-Scalper immer die Stopps im Markt zu finden und auszunehmen?
ROTTER: Das ist sicher so, wobei durch die stark steigende Liquidität in den vergangenen Jahren die Stopps nicht mehr so oft schnelle "Spikes" (= plötzliche markante Kursausbrüche) verursachen. Oft sind die Stopps auch nicht mehr dort, wo man sie vermuten könnte, da die anderen Marktteilnehmer auch nicht dumm sind bzw. in den letzten Jahren dazugelernt haben.
Frage: Was machen Sie, wenn eine Position plötzlich gegen Sie läuft? Benutzen Sie Stopp-Loss Orders?
ROTTER: Ich versuche grundsätzlich meine Positionen immer sofort zu liquidieren, wenn sie gegen mich laufen, wobei dies bei größeren Positionen oft schwierig ist, weil ich den Markt dann natürlich weiter gegen mich bewege und andere Trader eventuell in die gleiche Situation geraten, was die Bewegung noch beschleunigt. Meist kann ich anschließend einen Teil der Verluste aufgrund meines Wissens über das Zustandekommen der Bewegung wieder reinholen.
Frage: Warum haben Sie kein Problem damit, Ihre Position zu schließen und sogar in die entgegen gesetzte Richtung zu traden? Sollte ein guter Trader nicht eine Meinung haben und auch dazu stehen?
--- keine Meinung ist die beste Meinung - daran übe ich auch noch ---
ROTTER: Nein, ganz im Gegenteil. Ein Börsenguru oder Analyst muss vielleicht zu seiner Meinung stehen, aber ein Trader sollte am besten gar keine Meinung haben. Je mehr Meinung man ins Spiel bringt, desto schwerer kann man sich von Verlustpositionen verabschieden.
Frage: Welche Rolle spielt die Markt-Psychologie für Sie?
ROTTER: Ich versuche immer, die Psychologie des Marktes zu lesen bzw. zu spüren, um dann meine Entscheidungen zu treffen.
Frage: Wie gehen Sie mit störenden Gedanken und Emotionen um?
ROTTER: Im Notfall mit einer kalten Dusche oder mit dem Sprung in einen kalten Pool.
Frage: Wie sieht Ihre Vorbereitung für den Trading Tag aus? Gehen Sie systematisch vor, haben Sie Routinen für den Tagesablauf oder nehmen Sie den Tag quasi wie er kommt?
ROTTER: Vor Börseneröffnung bzw. Trading-Beginn überprüfe ich grundsätzlich erst einmal alle Wirtschaftstermine sowie alle möglichen kursbeeinflussenden Ereignisse, die an diesem Tag passieren könnten (z.B. Reden von Zentralbankoffiziellen). Dann versuche ich, alle wichtigen Levels in meinen Märkten festzustellen. Dies geschieht durch eigene Analysen sowie durch das Lesen von Analystenkommentaren. So bekomme ich ein Bild von dem, was eventuell wichtig sein könnte. Die Markt-Meinungen anderer Börsenteilnehmer interessieren mich hingegen überhaupt nicht, da man sich nur beeinflussen lassen würde.
Frage: Wie viele Stunden sitzen Sie täglich vor den Bildschirmen und wie viel Zeit nimmt dann das eigentliche Trading in Anspruch?
ROTTER:Im Moment sitze ich zirka fünf Stunden ununterbrochen vor dem PC und bin in dieser Zeit auch aktiv. Bei Spezialereignissen können es aber auch schon mal elf Stunden am Stück sein. In dieser Zeit habe ich ständig wechselnde Positionen, außer an sehr umsatzschwachen Tagen.
Frage: Wie sieht Ihre technische Ausrüstung aus? Benutzen Sie eine besondere Handelsplattform, Software, oder Soundmachines bzw. Squawk-Boxen?
ROTTER: Meine Handelsplattform ist der MD-Trader von Trading Technologies. Daneben habe ich Reuters, Bloomberg, CQG und eine USD-Squawkbox.
Frage: Wie funktioniert eine USD-Squawkbox und welchen Nutzen können Sie daraus ziehen?
ROTTER: Sie können sich in den USA Kommentatoren anmieten, die ihnen direkt vom jeweiligen Trading-Pit das aktuelle Handelsgeschehen über Lautsprecher mitteilen. Dadurch erfahren sie einige Details über aktuelle Kurse ("Quotes"), Umsätze, Marktteilnehmer und Entwicklungen. Dieser Setup hat für mich den Vorteil, dass ich die "Squawkbox"-Informationen schneller aufnehme, weil ich sie permament höre und nicht erst auf den Bildschirmen danach suchen muss. Die USD-Squawkbox verwende ich, weil die Entwicklung des Euros gegenüber dem Dollar in den letzten Monaten oftmals Einfluss auf die Zinsmärkte hatte. Diese Effekte ändern sich aber auch. So beeinflussen momentan beispielsweise die Rohölpreise den FDAX usw.
Frage: Welche Timeframes bei den Charts setzt ein Orderbuch-Scalper wie Sie ein, der im Prinzip doch alle relevanten Informationen aus dem Orderbuch bekommt? Verwenden Sie auch Chartpattern und Indikatoren?
ROTTER: In der Regel 5 bis 30min-Charts, um mir Trendlinien und Indikatoren anzusehen. Allerdings bevorzuge ich meist die zeitlich unabhängigen Point&Figure-Charts, weil mir diese zum Teil klarere Formationen bzw. Chartpattern bieten (z.B. Triple Top). Und bei den Indikatoren schaue ich mir ganz gerne den CCI an, weil dieser auch die Volatilität der Märkte aufzeigt.
Frage: Sind Trendlinien, Pivot Points oder Indikatoren usw. für Sie wichtig?
ROTTER: Sie sind für mich sogar sehr wichtig, weil ich weiß, dass sich andere Trader daran orientieren und ich damit Informationen erhalte. Meine Handelsentscheidungen treffe ich dann aber nach anderen Kriterien.
Frage: Halten Sie es für möglich, dass einzelne Trader einen ganzen Markt beeinflussen können?
ROTTER: Nein, meines Erachtens kann ein einzelner Marktteilnehmer die Märkte niemals rund um die Uhr alleine im Griff haben. Es gibt immer mehrere Big Players im Markt. Nehmen Sie beispielsweise den Bund Future, den umsatzstärksten Futures-Kontrakt der Welt. Es werden fast täglich über eine Million Kontrakte gehandelt. Wenn beispielsweise aus dem nichts heraus ein Trend einsetzt, ohne große Korrekturen zu zeigen, könnte ich mich dagegen stellen, wie ich wollte. Ich würde den Markt trotzdem nicht aufhalten können, weil dahinter viel größere Kräfte wirken als ich sie aufbringen kann. Außerdem haben sich seit einiger Zeit so genannte "Analytics"(computergestützte Orderbuch-Scalper) hinzugesellt, die auch mir das Leben schwerer machen. Meines Wissens erforschen sie systematisch die Eigenarten und Verhaltensweisen des Orderbuches und setzen die Erkenntnisse daraus in Form von voll automatisierten Handelssystemen um. Weil sie oftmals in mehreren Märkten gleichzeitig agieren, vermute ich, dass diese Computer-Freaks aus dem voll automatisierten Spread- und Arbitrage-Handel kommen.
Frage: Wie muss ein Trader vorgehen, wenn er es mit der Methodik des Orderbuch-Scalpers versuchen will?
ROTTER: Er muss den Markt und das Orderbuch lange Zeit beobachten, um ihn lesen zu lernen bzw. ein Gefühl für die Bewegungsmuster zu bekommen.
Frage: Gibt es einen Rat, den Sie unseren Lesern geben können, damit diese erfolgreicher traden können?
ROTTER: Man sollte auf jeden Fall nicht halbherzig und nebenbei traden, sondern sehr professionell und gut informiert an die Sache herangehen. Lesen Sie Trading-Bücher und besuchen Sie gute Trading-Seminare, um bestens vorbereitet zu sein. Außerdem muss man grundsätzlich davon ausgehen, dass "IMMER ALLES" passieren kann…, insofern sollte beispielsweise die Toilette nicht zu fern vom Trading-Desk entfernt sein
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Angst frisst Gier
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