Chemie
Keine guten Aussichten für Unylon-Aktie
05. Mai 2006 „Erfolgsverwöhnt“ ist nun nicht gerade das Adjektiv, mit dem man die Aktionäre der Hamburger Unylon AG beschreiben könnte. In den vergangenen zwölf Monaten brachte es das Papier in der Rangliste der deutschen Aktien mit der schlechtesten Kursentwicklung auf Platz 78 und im vergangenen Monat gar auf Platz 6. 40 Prozent betrugen die Kursverluste.
Das mag zunächst beim Blick auf die Bewertung nicht so recht einleuchten. Schließlich ist Unylon mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 5,4 für das laufende Jahr eine der am niedrigsten bewerteten deutschen Aktien.
Trotz Umsatzanstieg in die roten Zahlen gerutscht
Unylon ist nach eigenen Angaben eine Beteiligungsholding im Sektor Kunststoffchemie, die sich vollständig auf das Material Nylon konzentriert. Tatsächlich ist die Gesellschaft 2002 aus einem Börsenmantel hervorgegangen und hält 100 Prozent der Anteile an dem Produktionsunternehmen Unylon Polymers GmbH im brandenburgischen Guben, die nach Angaben der Mutter „zu den führenden konzernunabhängigen europäischen Nylonherstellern“ gehört. Weitere Beteiligungen gibt es bislang noch nicht.
Der konsolidierte Umsatz mit Nylon-Granulat stieg nach vorläufigen Ergebnissen im vergangenen Jahr nach der Kapazitätsausweitung um 25 Prozent von 53,1 auf 66,5 Millionen Euro. Indes hatte Vorstand Marcus Ernst im September noch einen Umsatz zwischen 70 und 75 Millionen Euro prognostiziert.
Noch schwächer fiel das Ergebnis aus. Gegenüber den ursprünglichen Erwartungen habe sich die Markterschließung für neu eingeführte Produktlinien verzögert. Zudem hätten weitere Investitionen belastet. Das führte dazu, daß vor Steuern (EBT) ein Verlust von 1,2 Millionen Euro nach einem Gewinn von 1,4 Millionen im Vorjahr anfiel, der entweder auf Abschreibungen oder ein schwaches Finanzergebnis zurückzuführen ist, da vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) ein Gewinn von drei Millionen Euro zu Buche stand.
Reduzierte Prognosen
Für das EBT hatte Ernst im September noch einen Wert zwischen null und 0,5 Millionen Euro prognostiziert und den erwarteten Rückgang mit dem Wegfall der Investitionsbeihilfen begründet, die das Unternehmen 2004 für den Standort im ostbrandenburgischen Guben erhalten hatte.
Nicht ganz klar wird aus der Mitteilung, ob sich wenigstens die Prognose erfüllt hat, daß das um Beihilfen bereinigte operative Ergebnis sich von „minus über eine Million Euro stark verbessern und ins Positive drehen wird.“ Als operatives Ergebnis wird zumeist das Ebit, aber auch das Ebitda verstanden. Handelt es sich um letzteres, so ist ein entscheidender Schritt hin zu nachhaltiger Profitabilität gelungen. War damit das Ebit gemeint, kommt es auf die (nicht bekannt gegebene) Höhe der Abschreibungen an.
Unylon selbst sieht mit den Ergebnissen den „begonnenen operativen Turnaround manifestiert“. Für das laufende Geschäftsjahr 2006 wird zudem „eine Ergebnisverbesserung bei einem Umsatz von 70 bis 75 Millionen Euro auf Basis der aktuellen Preise“ erwartet.
Diese Prognose beinhaltet mehrere interessante Aspekte. Erstens wird der Umsatz in derselben Höhe prognostiziert, die vor acht Monaten noch für 2005 erwartet worden war. Das bedeutet, daß sich demgegenüber die Marktaussichten offenbar eingetrübt haben. Noch im November lag die Prognose für das laufende Jahr bei Erlösen von mindestens 80 Millionen Euro und einem Ergebnis von rund einer Million Euro. Laut Bericht im Nebenwerte-Journal war damals von einem starken Wachstum des Polyamid-Marktes von jährlich 6,5 Prozent die Rede.
Kapitalmaßnahmen belasten
Zweitens impliziert die Bezugnahme „auf Basis der aktuellen Preise“ mögliche Preisveränderungen, die Ergebnis und Umsatz nicht unerheblich beeinflussen. Zwar könnten damit auch Preiserhöhungen gemeint sein, doch auch im ersten Halbjahr 2004 schon machten Unylon „marktbedingt niedrigere Absatzpreise“ zu schaffen. Gleichzeitig waren die Beschaffungspreise für den Rohstoff Caprolactam gestiegen, so daß sich das Ergebnis der Unylon Polymers und in der Folge ebenso das der Mutter Unylon AG verringerte.
Zu schaffen machen der Aktie aber auch die zahlreichen Kapitalmaßnahmen der vergangenen Jahre. Durch Kapitalerhöhungen und die Ausübung von Optionsscheinen stieg das Grundkapital von ursprünglich 1,77 Millionen Euro im Jahr 2002 auf mittlerweile 13,7 Millionen. Zudem stehen noch 219.971 Optionsscheine aus, die zum Bezug von je einer Aktie zu einem Kurs von einem Euro berechtigen sowie 1,68 Millionen Optionsscheine aus, die zum Bezug von je einer Aktie zum Kurs von 1,10 Euro je Aktie berechtigen.
Aktuell ist zwar nicht mit einer Ausübung zu rechen, solange der Kurs wie am Donnerstag deutlich unter den Bezugspreisen bei 86 Cent liegt, nichtsdestotrotz schwebt die Verwässerung über dem Unternehmen. Darüber hinaus sind noch Genußscheine im Volumen von 2,35 Millionen Euro im Umlauf, die mit acht Prozent verzinst werden und einen Bonus in Höhe von bis zu 4,5 Prozent jährlich auf den Nominalbetrag aus Jahresüberschüssen erhalten, der bis 2014 läuft.
Unglücklicher Dividendenbeschluß
Unglücklich mutet auch die im November getroffene Entscheidung an, für das Jahr 2004 eine Dividende von zehn Cents auszuzahlen. Ein solches Vorgehen war laut dem „Nebenwerte-Journal“ vor einem Jahr noch kategorisch ausgeschlossen worden, um das Geld für das weitere Wachstum im Unternehmen zu behalten. Das wäre auch angesichts der Unternehmensentwicklung durchaus sinnvoller.
Beschlossen wurde die hohe Dividende aber nur, um Anfechtungsklagen beizulegen. Seinerzeit kündigte Alleinvorstand Ernst eine künftige Dividende von fünf Cent an. Dies sollte aber angesichts der Verluste im Vorjahr wohl hoffentlich vom Tisch sein.
Die Rücknahme der Prognosen und das schlechtere Ergebnis sollten Grund genug sein, daß die Aktie der Unylon aus ihrem Negativtrend vorerst nicht wird ausbrechen können. Daran ändern auch optimistische Ergebnisschätzungen nichts, die angesichts der neuen Prognosen und der Jahresergebnisse ohnehin wohl eher von eingeschränktem Wert sind.
Charttechnisch befindet sich das Papier in einem steilen mittelfristigen Abwärtstrend, der indes in den vergangenen Monaten etwas verlangsamt hat. Im April hat das Papier sogar eher seitwärts tendiert. Dafür könnten aber auch Spekulationen auf gute Ergebnisse verantwortlich gewesen sein, die am Freitag enttäuscht worden sein dürften. Immerhin hat die Aktie eine starke Unterstützung bei etwa 80 Cent. Aufwärtspotential ergibt sich aus heutiger Sicht indes nicht.
Die in dem Beitrag geäußerte Einschätzung gibt die Meinung des Autors und nicht die der F.A.Z.-Redaktion wieder.
Text: @mho
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