Börse Frankfurt-News: Frohe Botschaft von den Leistungsbilanzen (Wochenkommentar) FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 10. Juli 2009. Die globalen Leistungsbilanzungleichgewichte bilden sich in einem Maße zurück,wie es kaum einer erwartet hätte. Das hat insgesamt positive Wirkungen auf die internationalen Kapitalmärkte. Das Angebot an Dollar nimmt ab, der Wechselkurs sollte auf Dauer stärker werden. Nicht jeder Leistungsbilanzsaldo ist ein Ungleichgewicht und sollte abgebaut werden. Es kommt auf den Einzelfall an. Aus der Diskussion über die Konjunktur ist derzeit nicht viel Honig zu saugen. Sie entwickelt sich zu einer "Never Ending Story". Da revidiert der Internationale Währungsfonds in dieser Woche seine Prognosen nach oben (nachdem er sie in den vergangenen Monaten mehrmals nach unten korrigiert hatte). Da gibt es in Deutschland überraschend gute Zahlen zu Auftragseingängen, Industrieproduktion und Exporten. Gleichzeitig aber fordern zwei prominente Berater des amerikanischen Präsidenten, die Konjunkturprogramme noch einmal aufzustocken.
Angesichts all der Widersprüchlichkeiten ist es ganz hilfreich, sich einmal ein paar strukturelle Entwicklungen anzusehen. Seit Jahren beklagen wir uns über die hohen Leistungsbilanzungleichgewichte in der Welt. Sie werden mitverantwortlich gemacht für das Entstehen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Hier vollzieht sich nun aber eine Verbesserung, wie sie größer kaum sein könnte. In den Vereinigten Staaten hat sich das Riesendefizit binnen eines Jahres von USD 180 auf 100 Mrd. fast halbiert. Es ist jetzt so niedrig wie zuletzt Anfang 2002. Wenn das so weitergeht, haben die USA in zwei Jahren wieder eine ausgeglichene Leistungsbilanz. Auch in anderen Defizitländern - zum Beispiel Spanien, Italien oder Großbritannien - gehen die Fehlbeträge deutlich zurück.
Umgekehrt verringern sich die Überschüsse. Deutschland hatte vor einem Jahr im ersten Quartal noch einen Positivsaldo von umgerechnet USD 70 Mrd. Er ist inzwischen auf USD 28 Mrd. geschrumpft. In Japan hat sich der Überschuss in dieser Zeit halbiert. In den Ölstaaten des Mittleren Ostens sind die Überschüsse wegen der niedrigeren Ölpreise zum Teil gänzlich verschwunden. Nur in China tut sich in dieser Beziehung noch kaum etwas. Das sind gravierende Umwälzungen, die keiner in diesem Ausmaß und in dieser Schnelligkeit auf dem Radar hatte. Natürlich spielt dabei auch die Rezession eine Rolle. Sie hat die Importe in den Defizitländern und die Exporte in den Überschussländern gebremst. Das wird sich wieder ändern, wenn sich die Konjunktur erholt. Dahinter stehen aber auch strukturelle Anpassungen, die dauerhaft sind. Sie sind insgesamt positiv:
Erstens sinkt der Bedarf an internationalen Kapitalbewegungen zum Ausgleich zwischen Überschuss- und Defizitländern. Das verringert die internationale Liquidität. Kapitalbewegungen orientieren sich wieder mehr an Renditeunterschieden statt an Leistungsbilanzsalden.
Zweitens geht die Unsicherheit auf den Märkten zurück. Es gibt weniger Staaten, die von Kapitalimporten abhängig sind. Das gilt auch für die USA. Sie emanzipieren sich von ihren Gläubigern, insbesondere von China. Die Chinesen hatten in den letzten Jahren einen Großteil des amerikanischen Defizits finanziert.
Drittens stehen die Devisenmärkte wieder auf solideren Füßen. Es bedarf keiner Wechselkursbewegungen mehr, um die Gleichgewichte im internationalen Handel wiederherzustellen. Insbesondere der US-Dollar müsste davon profitieren. Die Amerikaner brauchen keine Abwertung ihrer Währung mehr, um auf den Weltmärkten wieder wettbewerbsfähig zu sein. An sich hätte man das schon in den letzten Monaten sehen müssen. Dass es nicht der Fall war, liegt an hohen Kapitalabflüssen aus den USA in dieser Zeit. Sie sind zum Teil Folge der wieder steigenden Risikobereitschaft auf den Märkten. Zum Teil sind sie aber auch Ergebnis der neuen Diskussion über die Rolle des Dollars als Reservewährung.
Viertens findet hier ein beträchtlicher Wachstumstransfer von den Überschuss- zu den Defizitländern statt. Für die USA bedeutet dies einen konjunkturellen Impuls von 2 bis 2,5 %. Das ist in etwa so viel, wie in diesem Jahr von dem Konjunkturprogramm zu erwarten ist. Er hilft, dass die USA vielleicht als erste aus dem Konjunkturtal kommen. Andererseits erleiden die Überschussländer einen negativen Effekt. Er ist dafür verantwortlich, dass Deutschland und Japan beispielsweise zu den Ländern gehören, die von der Krise in puncto Wachstum am stärksten betroffen sind.
Viele sagen, dies sei erst der Anfang eines langen Prozesses. Die Anpassung sei erst abgeschlossen, wenn alle Leistungsbilanzsalden auf Null zurückkommen. Insbesondere in Deutschland gäbe es noch viel zu tun. Das Land produziere nur für den Export, ohne das Geld, das es damit verdient, wirklich für mehr Konsum zu brauchen.
Diese Argumentation ist falsch. Leistungsbilanzsalden müssen nicht voll abgebaut werden. Sie sind per se nichts Schlechtes. Sie müssen aber ökonomisch Sinn machen. Das amerikanische Defizit beispielsweise macht keinen Sinn. Die USA als eines der reichsten Länder der Welt sollten über die Leistungsbilanz nicht Geld aus den internationalen Kapitalmärkten absaugen. Sie sollten vielmehr anderen Staaten Geld zur Verfügung stellen. Umgekehrt können Entwicklungsländer durchaus ein Defizit aufweisen. Sie bekommen auf diese Weise nämlich Kapital für ihre Industrialisierung. Insofern macht es keinen Sinn, dass China einen Überschuss hat. Es sollte vielmehr den Konsum im Inland fördern und den Export zurückführen.
Für ein Land wie die Bundesrepublik machen eine hohe Exportquote und ein Leistungsbilanzüberschuss dagegen Sinn. Zum einen kann das Land auf diese Weise über die Ausfuhren an den Wachstumsmöglichkeiten in der Welt partizipieren.
Das ist wichtig, denn im Inland sind die Expansionschancen aufgrund des erreichten Lebensstandards und der demographischen Alterung begrenzt. Zum anderen braucht das Land eine hohe Ersparnis, um die Renten der Älteren zu bezahlen. Diese Ersparnis sollte wegen des langsameren Wachstums auch nicht nur im Inland angelegt werden, sondern in den dynamischen Entwicklungs- und Schwellenländern. Natürlich ist die Bundesrepublik damit stärker von den Aufs und Abs der Weltwirtschaft abhängig. Andererseits macht es keinen Sinn, die Deutschen auf Teufel komm raus in den Konsum drängen zu wollen.
Für den Anleger
Die Fortschritte im Global Rebalancing lösen natürlich nicht alle Probleme. Es wird aber wenigstens eine Baustelle und damit eine Quelle der Unsicherheit beseitigt. Setzen Sie in Ländern mit Leistungsbilanzüberschüssen wie Deutschland nicht darauf, dass der Konsum dort wieder eine größere Bedeutung bekommt und dass der Export auf die Dauer zurückgeführt wird. Der Export wird weiter eine große Rolle spielen. Schließlich: Es würde mich wundern, wenn sich die Verbesserung der US-Leistungsbilanz nicht früher oder später auch auf den Wert des US-Dollars auswirken und zu einer Aufwertung führen würde.
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© 10. Juli 2009/Martin Hüfner
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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