Ultrasonic spottet jeder Beschreibung + Immobilienkrise in China?
Lieber Geldanleger,
der Sommer ist nun auch kalendarisch vorbei, die Trader sind an ihre Handelsdesks zurückgekehrt und es scheint ein stürmischer Herbst bevorzustehen.
§ Wer geglaubt hätte, dass es bei Ultrasonic nicht mehr skurriler und peinlicher werden kann also es ohnehin schon war, der sieht sich getäuscht.
Knüpfen wir zunächst an die letzte Woche an. Was sich bei Ultrasonic abspielt spottet jeder Beschreibung. Nur vier Tage nach dem Nomura auf Grund des Verschwindens der beiden ehemaligen Vorstände Qingyong Wu und dessen Sohn Minghong Wu samt Firmenvermögen eine 60 Millionen US-Dollar-Kreditlinie aufgekündigt hatte, folgte am Montag das nächste Kapitel der chinesischen Kriminalkomödie: Die beiden Wus haben sich zurückgemeldet und sprechen in einem skurrilen Bloomberg-Interview von einem großen Missverständnis.
(Kleine Zwischenbemerkung: Wozu braucht Ultrasonic eigentlich einen 60 Millionen US-Dollar-Kredit? Im Jahresabschluss 2013 hat das Unternehmen liquide Mittel von 108,5 Millionen Euro ausgewiesen bei Verbindlichkeiten von 25,6 Millionen Euro. Ultrasonic müsste demnach eigentlich im Geld schwimmen.)
Wu stellt sich tatsächlich als Opfer dar, das sich seines Lebenswerks beraubt sehe und die Verantwortlichen des „Kommunikationsdebakels“ nun zur Rechnung ziehen will. Mein Vorschlag: Wu soll doch die deutschen Aktionäre verklagen, die es gewagt haben, einfach ihre Ultrasonic-Aktien auf den Markt zu schmeißen und die damit ja letztlich für den Kursverfall und für Wus Wertverlust verantwortlich sind. Nach chinesischem Rechts- und Moralverständnis wäre das wahrscheinlich die nahe liegendste Lösung.
Aber im Ernst: Stefan Otto von boersengefluester.de, der Ultrasonic am 10. September noch mit Kursziel 8,00 Euro zum Kauf empfohlen hat, vermutet nun stattdessen, dass Finanzvorstand Clifford Chan geopfert werden soll.
Der Mann also, der den Skandal – zwangsläufig und richtigerweise - öffentlich gemacht hat, soll nun für die Verfehlungen der Großaktionäre grade stehen. Das wäre dann in etwa wie in der Antike als der Schlussläufer einer Staffel, der die Niederlage in einer Schlacht überbracht hat, von den Herrschern als Schuldiger geköpft worden ist. Das sagt viel aus über den Entwicklungsstand der chinesischen Gesellschaft.
Die Krönung des Ganzen: Wu könnte mit seinem Rückkehrplan am Ende sogar noch erfolgreich sein. Als Mehrheitsaktionär kann er sich selber wieder als CEO seines Unternehmens einsetzen. Die börsennotierte deutsche Holdinggesellschaft, die Wu als CEO abberufen hatte, kann dabei nur zuschauen und muss Wu dann auch wieder als CEO einsetzen. Stellt sie sich quer kann Wu den Geldhahn zudrehen und die deutsche AG in die Insolvenz laufen lassen. Dann droht den Aktionären sofort der Totalverlust.
Insofern hat der Ultrasonic-Skandal und das daraus resultierende Echo in der Öffentlichkeit auch sein Gutes: Er macht gnadenlos deutlich wie absurd die Listings dieser Firmen in Deutschland sind. Die deutschen Tochtergesellschaften und deren Aufsichtsräte sind wie Marionetten im Puppentheater, die vom chinesischen Puppenspieler fremdgesteuert werden.
§ Ultrasonic WKN / Kürzel
§ A1KREX / US5 ISIN
§ DE000A1KREX3 Börsenwert
§ 26 Mio. EUR KGV 14/15
§ neg. / neg. Akt. Kurs
§ 1,98 EUR Hier zum CHART...
Der einzige Unterschied: Die Marionetten werden bezahlt und das teilweise fürstlich – und zwar von den überwiegend deutschen Aktionären, die damals beim IPO Aktien von Ultrasonic und Co. gekauft haben.
Nachdem die Farce nun einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist, wird es für diese AGs und ihre deutschen Partner immer schwieriger bis unmöglich von deutschen Anlegern noch weiteres Geld einzusammeln. Dann aber sind die deutschen Töchter aus Sicht der Chinesen nur noch ein Kostenverursacher. Bezahlt werden müssen Aufsichtsräte, Wirtschaftsprüfer, Berater und Banker sowie die Deutsche Börse, die alle mitverdienen. Nur eine Gruppe verdient nicht, sondern bezahlt das Ganze. Aber das hatten wir ja schon...
Wie die Ultrasonic-Geschichte enden könnte zeigt das Beispiel Kinghero, die im August 2010, also weniger als ein Jahr vor dem Börsengang von Ultrasonic, ihr IPO in Frankfurt hatten. Die Deutsche Börse hat am 20.März 2014 das Listing in Deutschland beendet, weil bis dahin noch immer nicht der Jahresabschluss für 2012(!) vorlag.
Das deutsche Vorstandsmitglied Harald Zender wirft Unternehmensgründer und Großaktionär Zhang Yu übrigens Untreue vor. Er soll Firmenvermögen als Sicherheit für private Geschäfte hinterlegt haben und ist anschließend untergetaucht.
Die Parallelen zu Ultrasonic sind unverkennbar. Das IPO von Kinghero begleitete damals übrigens auch die BankM. Für deutsche Aktionäre ist der Totalverlust besiegelt.
Beim chinesischen Verpackungshersteller Youbisheng Green Paper war der Vorstandschef im Juli wochenlang verschollen – mit der Firmenkasse natürlich. Inzwischen ist die deutsche Holding insolvent. Die Aktie ist vom Ausgabepreis bei 6,50 Euro am 13.Juli 2011 auf aktuell 0,64 Euro abgestürzt, ist also gerade noch zehn Prozent des ursprünglichen Preises wert. Konsortialführer damals war – Sie werden es erraten – die BankM.
Nächstes Beispiel: FAST Casualwear. Am 23.Mai meldete der Bekleidungshersteller einen „erfolgreichen Start in 2014“ mit hohen Umsatz- und Gewinnzuwächsen, stabilen Gewinnmargen und der Erwartung einer „weiterhin positiven Entwicklung“ in 2014. Die Aktie klettert bis auf 1,65 Euro in der Spitze. Nur rund zwei Monate später tritt Vorstand Chong Wing-Chi völlig überraschend aus „dringenden gesundheitlichen Gründen mit sofortiger Wirkung vom Vorstand“ zurück.
Gerade mal vier Wochen später kommt dann im Halbjahresbericht eine heftige Gewinnwarnung. Nun sollen sich die Umsätze für 2014 auf einmal um 25 bis 30 Prozent verringern und die Margen vor Zinsen und Steuern statt 16 bis 19 Prozent nur noch acht bis zehn Prozent betragen. Noch im Mai war man von einem Umsatzwachstum von 15 bis 20 Prozent ausgegangen. Auch hier muss man nur eins und eins zusammenzählen, um zu dem Schluss zu kommen, dass die zuvor ausgewiesenen Zahlen wohl nicht korrekt waren.
FAST Casual Wear ist am 9. Juli 2012 an den deutschen Markt gekommen. Der Ausgabepreis lag bei 5,00 Euro. Konsortialführer war Kepler Capital Markets. Aktuell notiert die Aktie bei 0,42 Euro. Der Buchverlust für die deutschen Aktionäre, die die Aktie gezeichnet haben: 91,6 Prozent!
§ FAST Casual Wear WKN / Kürzel
§ A1PHFG / FCA ISIN
§ DE000A1PHFG5 Börsenwert
§ 6 Mio. EUR KGV 14/15
§ 1 / k.A. Akt. Kurs
§ 0,42 EUR Hier zum CHART...
Und ob die letzten Zahlen wirklich korrekt sind, weiß nun wohl auch nur Zhang Wenya, der neue Vorstand. Wie wir bei Ultrasonic gelernt haben, hat ja nicht einmal der Finanzvorstand jederzeitigen Einblick in die Finanzen. Den hat in China nur der Alleinvorstand. Wahrscheinlicher ist aus meiner Sicht, dass die Wahrheit nur scheibchenweise ans Licht kommt.
Was in China offenbar alles möglich ist zeigt auch ein Artikel der Singapur Business Times, ,wonach eine Tochtergesellschaft der chinesischen Modefirma Eratat Lifestyle eine Bankbestätigung über einen Cashbestand von 577 Millionen Yuan (117 Millionen US-Dollar) von der Agricultural Bank of China (ABC) gefälscht haben soll.
Der Clou dabei: Mitarbeiter der Eratat-Tochter sollen die Räumlichkeiten der Jinjiang Chendai-Bank, einer Zweigstelle der ABC, genutzt und sich bei einem Besuch der Wirtschaftsprüfer als Bankmitarbeiter ausgegeben haben. Dabei versicherten sie, es sei alles o.k.
Zuvor hatte Eratat CEO Lin Jiancheng den Direktoren und Anleiheninhabern versichert, dass sein Unternehmen einen Cashbestand von 640 Millionen Yuan (130 Millionen US-Dollar) habe. Trotzdem wurde die fällige Zinszahlung auf die Anleihe in Höhe von 4,2 Millionen Yuan nicht beglichen.
Später stellte sich dann heraus, dass die operative Tochter HMW, wo das Geld sich befinden sollte, gerade einmal 73.322 Yuan (ca. 15.000 US-Dollar) auf dem Konto liegen hatte. Der gesamte Vorstand ist verschwunden. Die Aktie ist seit Januar vom Handel ausgesetzt.
Obwohl sich also ein Skandal an den nächsten reiht scheint der Börsengang der nächsten China-Bude in Deutschland, Snowbird, tatsächlich durchgezogen zu werden. Ursprünglich wollte das Unternehmen bis zu zehn Millionen Aktien zu 5,50 bis 6,00 Euro an deutsche Aktionäre verkaufen und dabei also brutto 55 bis 60 Millionen Euro einnehmen. Tatsächlich hat „Global Coordinator“ und „Lead Manager“ CM-Equity exakt 1.583.334 Aktien platziert bekommen.
Das ist mager, sind aber meiner Meinung nach immer noch exakt 1.583.334 Aktien zuviel. Denn Snowbird ist genau gleich aufgebaut wie Ultrasonic, Youbisheng und Co. Die beiden operativen Tochtergesellschaften sitzen in China. Darüber geschaltet ist eine Hongkonger Holding, auf die dann die Deutsche AG aufgesetzt ist. Die zwischengeschaltete Holding ist offenbar nach chinesischem Recht zwingend, damit überhaupt Geld aus dem Land transferiert werden darf.
Zudem gibt es in China – anders wie sonst üblich - keine Auskunftspflicht der Banken gegenüber den Wirtschaftsprüfern. Es kann, wie bei Ultrasonic und Youbisheng geschehen, ein Bevollmächtigter allein über die Geschäfte und das Geld verfügen.
Solange sich daran nichts ändert, sind die im Rahmen des Snowbird-Börsengangs eingeführten angeblichen Verbesserungen (bessere Ausstattung der Deutschen AG mit Cash; Lesezugriff des deutschen Aufsichtsrats auf die chinesischen Konten) rein kosmetische Korrekturen, die an der eigentlichen Problematik nichts, aber auch gar nichts, ändern.
Letztendlich müssen die deutsche Holding und ihre Aktionäre auch bei Snowbird auf den guten Willen des CEO hoffen. Und Hoffnung ist an der Börse bekanntermaßen ein schlechter Ratgeber.
Bleibt die Frage, was die chinesischen Vorstände eigentlich zu solchen fast panisch wirkenden Aktionen treibt? Warum bringen sie sich selber in solche Gefahr, wo sie doch eigentlich als CEO eines profitablen chinesischen Unternehmens ein komfortables Leben führen könnten? Spekuliert wird einerseits über dubiose Geldgeber, die den Vorständen Finanzierungen ermöglicht hätten und nun ihr Geld zurückfordern würden. Selbst das dürfte ja aber kein Problem sein, wenn die Bilanzen wirklich stimmen.
Gefährlicher ist da schon eine andere Spekulation, die sich am Markt hartnäckig hält. Demnach sollen viele Manager börsennotierter AGs nebenher noch massiv mit chinesischen Immobilien spekuliert und sich dabei verzockt haben.
Jüngste Daten des chinesischen Statistikbüros zeigen tatsächlich in 68 der 70 unter Beobachtung stehenden Ballungsgebiete für August einen Preisrückgang bei Immobilien. Das ist die bisher breiteste Abwärtsbewegung seit 2011. Insgesamt gingen die Preise im August bereits den vierten Monat in Folge zurück.
Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang auch ein neuer Hintergrundartikel des deutschen Wallstreet Journal-Ablegers.
Dieser zeigt auf, dass die großen chinesischen Immobiliengesellschaften stark verschuldet sind und dringend neues Geld benötigen. Kapitalerhöhungen werden inzwischen sogar weit unter dem Buchwert der Unternehmen durchgeführt, bei Oceanwide Holdings und Powerlong Real Estate z.B. mit Zinscoupons von mehr als zehn Prozent. Diese Rahmendaten zeigen wie schwer es für die Firmen inzwischen ist, neues Kapital aufzunehmen.
Teilweise sind die Probleme in China jedoch selbst gemacht, weil der Staat versucht, die Kreditvergabe der Banken zu bremsen – aus Angst vor faulen Krediten und um eine Überhitzung zu vermeiden. Die Banken umgehen das teilweise, in dem sie Gold statt Geld verleihen.
Alles in allem eine heikle Situation, denn die Probleme könnten auf den Bausektor und Investitionen in Anlagen übergreifen und somit auf die Gesamtwirtschaft übergreifen. Zuletzt hat die Zentralbank daher wieder 500 Milliarden Yuan (ca. 63 Milliarden Euro) in die fünf größten staatlichen Banken des Landes gepumpt, um eine großzügigere Kreditvergabe zu ermöglichen.
Eine zu starke Lockerung könnte umgekehrt schnell zu einer Überhitzung führen und das wäre brandgefährlich, weil Firmen wie Evergrande Real Estate sich ohnehin bereits stark verschuldet haben (Schulden-Eigenkapital-Quote von 248 Prozent).
Wenn Sie aktuell also in China investieren möchten sollten Sie sich nur auf den Rat von wirklich unabhängigen Experten verlassen. Ein solcher ist beispielsweise Florian Schulz vom Emerging-Markets-Trader der an dieser Stelle ja auch schon mehrfach als Gastautor auftrat. Seine Leser haben mit chinesischen Solaraktien hohe Gewinne erzielt.
Zitat Schulz: „Wir haben in all den Jahren noch nicht eine einzige chinesische Aktie mit Erstlisting in Deutschland thematisiert, da uns die Buden von Anfang an allesamt unseriös vorkamen. Wenn ein Unternehmen aus China weder in Shanghai, Shenzhen, Hongkong oder Singapur noch in den USA an die Börse geht, obwohl hier chinesische Unternehmen regelmäßig zig Milliarden einsammeln können und es sich stattdessen für die Börse der sechsten Reihe, fernab des eigenen Geschäfts, entscheidet, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass hier etwas faul ist.“
MEIN FAZIT:
Die Vorkommnisse bei Ultrasonic zeigen auf drastische Weise, dass die börsennotierten deutschen Tochtergesellschaften von chinesischen Unternehmen reine Marionetten der chinesischen Großaktionäre sind.
Ultrasonic ist dabei kein Einzelfall sondern nur der spektakulärste in einer ganzen Reihe von Abzocken. Nach der insgesamt katastrophalen Bilanz der in Deutschland notierten China-Aktien (bei über 30 Firmen gab bzw. gibt es nicht eine einzige Erfolgsgeschichte mit der deutsche Anleger, die von Anfang an dabei waren, Geld verdient hätten) kommt nun mit Snowbird tatsächlich ein weiteres China-IPO an den Markt.
Dass dies möglich ist, ist aus meiner Sicht ein Armutszeugnis für den Börsenstandort Deutschland und schadet der ohnehin wenig ausgeprägten hiesigen Aktienkultur zusätzlich.,Zu hoffen bleibt, dass die Hintergründe bei Ultrasonic, Youbisheng, Kinghero und Co. bald aufgedeckt werden. Eine solche Enthüllungsstory könnte interessante Einblicke in den Zustand der chinesischen Finanzwelt ermöglichen und selbst den letzten gutgläubigen Anlegern die Augen öffnen.
P.S.: Ming Le Sports, eine weitere China-„Gurke“ (der Wirtschaftsprüfer hat Unregelmäßigkeiten bei Kunden und Zulieferern entdeckt zu denen Ming keine Angaben machen wollte. Deshalb hat der Prüfer im März 2014 sein Mandat gekündigt), meldet am späten Freitagabend, dass die Veröffentlichung des Geschäftsberichts für 2013 nochmals von Mitte Oktober auf November 2014 verschoben werden muss. Ausgabepreis der Aktien im Juli 2012 war 13,00 Euro. Der aktuelle Kurs beträgt 2,29 Euro. Buchverlust für die Aktionäre: 82 Prozent. Und täglich grüßt das Murmeltier...
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