"Satanic Souls" hacken die Ferrari-Website
Selten hat ein Sieg Michael Schumachers Fans wie Feinde so geeint wie der geschenkte vom Wochenende: Das, meinen Formel-1-Freaks wie Kommentatoren, war gequirlter Käse. Und es verdient Rache, meinte die Hackergruppe "Satanic Souls". Nein, was sah Schumachers Michael zerknirscht aus am Sonntag: Nur Minuten nach seinem nur deshalb spektakulären Sieg, weil man ihm diesen per Funkbefehl und Bremsmanöver hinterherwerfen musste, stand Schumacher auf dem Siegerpodest und lauschte den Wutpfiffen seiner ehemaligen Fans. Was hätte der zweifelsohne derzeit weltbeste Fahrer anderes tun sollen, als dem verdienten Sieger Barrichello das Siegerpodest zu überlassen? Einen Schirm aufspannen, um keine Eier abzubekommen?
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So aber flogen keine Eier, und die Siegerehrung von Spielberg geriet zu einem Lehrstück in Sachen Krisen-PR: Wie lässt man berechtigten öffentlichen Zorn verpuffen, wie punktet man beim Publikum, obwohl man es gerade erst betrogen hat? Jetzt werden die Ferrari-"Sünder" auch noch vorgeladen, um die Farce zu einem würdigen Abschluss zu bringen: Wer sich an die so gut wie konsequenzlos gebliebenen zahlreichen Regelverstöße der letzten Jahre erinnert, wird auch das nur als Teil des Mummenschanzes begreifen. Die Formel 1 ist längst zum Kontrastprogramm fürs WWF-Schaucatchen geworden - auf ziemlich identischem Niveau.
So was regt den wahren Fan dermaßen auf, dass er kaum mehr einen geraden Satz herausbringt vor Wut. Wie zum Beispiel einer, der in seinem virtuellen Doppelleben Teil der wahrscheinlich brasilianischen Hackergruppe "Satanic Souls" ist und sich nicht nur für die Formel 1 und Barrichello, sondern auch für das Hacken begeistert - genauer gesagt, für die "sportliche" Spielart des Defacements.
Defacer hacken sich, zumeist gestützt auf frei verfügbare Software, in Webserver hinein und verändern die Gestalt von Webseiten. Für viele Hackergruppen ist das tatsächlich ein Sport: Bei den besten geht die Zahl der erfolgreichen Defacements in die Tausende. "Satanic Souls" bringen es bisher immerhin auf 196 erfolgreiche Defacements.
Ein virtueller Choleriker
"Satanic Souls" machen sich oft nicht viel Mühe: Meistens "zerschießt" die Gruppe (wenn es eine ist und kein Einzeltäter) eine Website nur, hinterlässt ihren Stempel in Form einiger weniger Worte - und weg ist sie wieder.
Manche ihrer Hacks sind vorbereitet und zeigen martialische bis satirische Abbildungen in Verbindung mit einem poetischen Opus im Do-it-yourself-Verfahren: Krudes Zeug im Rap-Versmaß, geprügelte Reime in abenteuerlicher Orthografie und teils sinnfreier Wortwahl, Oden auf die Gewalt der Straße und oft auch politisch-radikale Aufrufe oder Protestnoten. Zu "Satanic Souls" Strickmuster gehört aber immer auch die spontane Reaktion auf Dinge, die aktuell geschehen: Ein virtueller Choleriker?
Am Sonntag jedenfalls muss er direkt nach Ende der Übertragung des Rennens von Spielberg aus seinem Sessel gesprungen sein und den Rechner angeworfen haben. Tipp, Tipp, Tipp, Netzverbindung herstellen, Browser anwerfen, Adresse eingeben: "Ferrari" - da ist der nun verhasste Name! Portscan, kitzel den Server, wo ist die Lücke?
Minuten später ist er so drin im Web, wie Boris Becker niemals sein wird, fegt die Inhalte der Ferrari-Homepage ins virtuelle Nirwana - und hackt seine Botschaft in die Tastatur, bei der man das Noradrenalin des Cholerikers fast noch zu riechen meint. Ein Hacker sieht rot und schreibt:
"S4t4n1c_Souls was here Fuck u Ferrari Mercenaries fuck fuck fuck always your capitalist of shit BARRICHELO ROX FERRARI SUX!" Das ist zwar unverständlich, teilt sich dem werten Leser aber ganz unmittelbar und intuitiv mit: Ich, soll das heißen, bin doch etwas erbost über Ferrari, deren Fahrerlager sich in kapitalistische Söldner und Barrichelo aufteilen lässt.
Ein emotionales Statement, das mit Sicherheit auch die Betreiber von Ferrari-Group, der gehackten Website, mit Interesse gelesen haben werden. Vielleicht trafen sich die Bosse gar zum spätnachmittäglichen Krisengespräch auf einer Jacht vor Rimini? Vielleicht tranken die Herren Manager gedankenverloren hausgebrautes Bier oder nippten an neuen Weinen? Vielleicht überlegten sie gar, den so schändlich diskreditierten alten Firmennamen abzulegen, um sich künftig den so verständlichen Wutattacken der Formel-1-Fans zu entziehen? Unwahrscheinlich ist all das nicht, weil die Ferrari Group nach eigenen Aussagen der weltweite Marktführer im Segment des Bootszubehörs, des Weinproduktions-Zubehörs, der Bier-Heimbrauer-Sets und des Gartenbedarfs ist. Mit Autos hat die Firma dagegen nichts zu tun.
Ein klarer Fall von Schlag den Sack und mein den Esel also, von virtueller Sippenhaft gar: Da hat sich unser hackender Choleriker in seinem gerechten Zorn über die Formel-1-Schiebung vom Sonntag noch nicht einmal mehr die Zeit genommen, nachzusehen, wen er da eigentlich gerade aus dem Web hackt.
Uups, würde Britney da sagen, 'tschuldigung: Das war Satanic Souls in der Eile gar nicht aufgefallen. Schließlich gab es ja noch mehr zu tun, und die anderen Opfer des Tages sind auch richtig schön mit bluttriefenden Grafiken geschmückt "defaced", wie sich das für eine anständig unanständige Hackergruppe gehört. Willkommen im virtuellen Kindergarten: Da muss wohl einer der kleinen Racker zwischenzeitlich einen kleinen digitalen Schreikrampf bekommen haben. Kratzen, beißen und auf dem Boden wälzen inklusive. Kann ja mal passieren.
Frank Patalong
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