Etwa 570 Mio. Euro und damit trotz seines Schuldenbergs so viel wie 2009 will der Bund in diesem Jahr in die Entwicklung von Städten stecken; 75 Mio. Euro davon und damit wesentlich mehr als im Vorjahr sind für Stadtzentren vorgesehen. Ein Grund, Volker Eichener, Rektor der EBZ Business School in Bochum, nach der seit Jahren diskutierten Renaissance der Städte zu fragen. "Bei der Entwicklung von Konversionsflächen tun sich Städte, Investoren und Entwickler meist schwer", sagt er. Immobilien Zeitung: Die Renaissance der Städte ist seit Jahren Diskussionsthema und politisches Ziel. Ist sie auch Realität? Volker Eichener: Die Zahlen betrachtet: nicht überall. Gewandert wird in beide Richtungen. Junge Singles und Paare ziehen hinein, alte Menschen und Familien – die jedoch oft nur ungern – hinaus ins Umland. Der Saldo fällt auch in Ballungsräumen nicht immer oder nur knapp zugunsten der Kernstädte aus. Prognosen zufolge verlieren zum Beispiel Berlin und Stuttgart bis 2020 Einwohner, während ihr Umland zulegt. IZ: Das alte Lied also: Städte schaffen es nicht, Familien zu halten. Eichener: In den 90er-Jahren haben nur wenige die Chance genutzt, Familien durch niedrige Grundstückspreise zu halten. Jetzt ist die Zeit, in der Baulandoffensiven sinnvoll gewesen wären, vorbei. Die Baby-Boomer sind mit Häusern versorgt. Im Käuferalter sind die geburtenschwachen Jahrgänge, bei denen überdies der Anteil der Familien sinkt, während der von kinderlosen, das Stadtleben bevorzugenden Ein- und Zweipersonenhaushalte steigt. IZ: Das heißt für Stadtväter, Wohnungsbauer und Investoren? Eichener: Um die Attraktivität und damit die Zukunftsfähigkeit der Stadt und des Investments zu sichern, braucht es Urbanität – das Nah-Beieinander von Wohnen, Arbeiten, Fitnessstudio, Kneipe, Sushibar und Kleinkunst in den Innenstädten. Und mit Blick aufs Wohnen: Angebote für Familien und alte Menschen, zunehmend für Singles und kinderlose Paare, das Ganze mit möglichst großen Nutzungsspielräumen. Rendite-Machen in Wanne-Eickel IZ: Wie sieht es damit in den Städten aus? Eichener: Viele Altbauviertel wie der Prenzlauer Berg oder die Oranienburger Straße in Berlin haben tatsächlich eine Renaissance erlebt. Die Kunst aber ist es, Konversionsflächen Leben einzuhauchen – in weiten Teilen mit Neubauten bei hohen Grundstückspreisen und ohne eine in Altbauvierteln oft vorhandene Studenten-, Künstler- und Kneipen-Subkultur, die lockt. Das ist bislang nicht oft geglückt. IZ: Wo ist es gelungen, wo ging es daneben? Eichener: Ein positives Beispiel ist der Duisburger Innenhafen. Hier sind Büros, Museen, Bars und Restaurants mit Terrassen am Wasser zu finden, es wird mit Events wie einer Regatta und dem Legoland für Kinder gelockt, auf einer Promenade am Hafen lässt es sich gut flanieren, die alten Speichergebäude sorgen für Flair. Wohnraum zum Kauf und zur Miete ist für verschiedene Zielgruppen entstanden. So bietet das von Norman Foster entworfene Mietwohnprojekt NF1 vom Studio über die Maisonettes bis hin zur klassischen Einheit verschiedene Grundrisse, Größen und Wohnungstypen an. Im Innenhafen gibt es zudem altengerechte Einheiten und ein Seniorenzentrum, eine Kindertagesstätte soll Familien anziehen. Das Thema Wasser setzt sich in Wasserläufen unter anderem entlang von Wohngebäuden fort – das hat Charme. Die Wohnungen wurden gut in das Areal integriert: Hafen, Promenade und Gastronomie sind fußläufig zu erreichen; dennoch liegen die Häuser ruhig, die Innenhöfe vermitteln eine fast intime Atmosphäre. IZ: Wo ging die Flächenentwicklung daneben? Eichener: Beim Potsdamer Platz in Berlin zum Beispiel. Der ist langweilig und steril, es fehlt der Nutzungsmix, die Originalität. Urbanität braucht Ungleichzeitigkeit, also Nutzungen zu unterschiedlichen Tag- und Nachtzeiten, und Ungleichwertigkeit, das heißt den Antiquitätenladen, den Gemüsehändler und die Blueskneipe neben dem Büroturm und dem Schicki-Micki-Restaurant. Der Platz leidet darunter, dass jeder Quadratmeter wirtschaftlich ausgequetscht wird. Ein anderes Beispiel ist der Medienhafen in Düsseldorf. Da schloss vor einiger Zeit das Strandcafé Monkey’s Island, das interimsweise bis zum Bau eines Hotels betrieben wurde und sehr beliebt war. Eigentlich müsste man dafür einen neuen Platz finden oder auf andere Art und Weise Originalität in den sterilen Medienhafen holen. IZ: Viele Investoren und Projektentwickler gehen nur noch auf Nummer sicher, sprich in die Top-Wachstumsstädte der Republik. Und da scheint alles zu klappen. Eichener: Indem man in München teuren Baugrund kauft und für viel Geld eine Immobilie draufstellt, macht man keine Rendite. Wer die will, geht in vernachlässigte Quartiere hinter Bahnhöfen oder nach Bochum und Wanne-Eickel. IZ: Warum dorthin? Eichener: Nehmen wir Bochum. Dort wird das Matthias-Claudius-Sozialwerk in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt auf 10.000 qm ehemaliger Gewerbefläche die Claudiushöfe realisieren. Die Idee dahinter ist, ein Dorf mitten in der Stadt zu bauen – mit Einfamilienhäusern, Wohnungen für Singles und Paare, Junge und Ältere sowie mit zwei betreuten Wohngruppen und Einheiten für Behinderte. Da zu einem Dorf ein Rathaus, eine Kirche, eine Schule und ein Wirtshaus gehören, sind für die Claudiushöfe ein Gemeinschaftshaus, eine jenseits der Schule aufgezogene Juniorakademie, eine Kapelle mit Kreuzgang sowie ein Gastronomiebetrieb geplant. Unter Anleitung des Sozialwerks soll Nachbarschaft dort systematisch organisiert werden. IZ: Das klingt mehr nach Gutmenschentum denn nach Rendite. Eichener: Das Sozialwerk ist Initiator, Projektentwickler und Betreiber. Es hat ein gutes Projekt entwickelt, für das es dann einen Investor gefunden hat. In wachsenden Märkten kann man mit Standardprodukten Erfolg haben, aber in schrumpfenden braucht man innovative Projekte mit einem Alleinstellungsmerkmal, das immer seine Nachfrage findet und deshalb neben einer guten Rendite auch langfristig Investitionssicherheit bietet. Pfiffige Projekte funktionieren in vielen Städten, aber nur in urbanem Umfeld und mit sorgfältiger Planung der kleinsten Details. Man muss dann schon ein paar Gedanken daran verlieren, wie man den Lärm naher Biergärten abfängt oder wo in der Anlage Lieferfahrzeuge wenden können, ohne dass Bewohner gestört werden. Investoren und Entwickler brauchen eine gute Idee – egal wie groß das Grundstück ist. Anlage mit Mini-Gewerberäumen IZ: Was sind für Sie gute Ideen? Eichener: Beispiel Townhouses: Deren Qualität könnte man mit einem Balkon auf jeder Ebene und einer Dachterrasse steigern. Ein Aufzug oder ein abgeschlossenes Treppenhaus ermöglichen, dass Selbstständige im obersten Geschoss Kunden empfangen können, die dann nicht durchs ganze Haus müssen, oder dass die Oma mit einquartiert werden kann. In Zürich baute man eine Wohnanlage mit Mini-Gewerberäumen und berücksichtigte so, dass immer mehr Menschen ein Kleingewerbe betreiben. Ebenfalls in Zürich wurde auf teurem Grund ein vertikaler Park mit mehreren Ebenen und Rankpflanzen angelegt. Werden nur ein paar Einheiten gebaut – vielleicht ist Platz für einen Gemeinschaftsraum oder für eine Werkhütte in der Mitte eines davor liegenden Wendehammers. Sich Themen zu suchen, die an einen Trend oder den Standort anknüpfen, ist ebenfalls empfehlenswert. Das geht im Extremfall für ein Gebäude: Warum kein Kunsthaus schaffen, mit origineller Fassade, trendiger Gastronomie unten, einer Galerie drüber, die die Kneipe mit Kunst versorgt und den Lärm nach oben hin zu den pfiffig gestalteten Wohnungen puffert? IZ: Herr Eichener, danke für das Gespräch. Das Interview führte Christine Rebhan.
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