Die Penny-Stocks sind nicht das eigentliche Problem des Marktes", sagt Heiko Bienek von der Fondsgesellschaft Lupus alpha zur aktuellen Diskussion um den Neuen Markt. Die Penny-Stocks seien schließlich nicht die Ursache für den Vertrauensverlust am Neuen Markt, sondern lediglich dessen Ausdruck. "Als Fondsmanager interessiert es mich wenig, ob in einem Marktsegment Pennystocks notiert sind - von fundamental aussichtslosen Werten halten wir uns selbstredend fern. Und wenn eine vielversprechende Aktie optisch billig zu erwerben ist, so hält das nicht zwangsläufig vom Kauf ab. Jedenfalls, wenn das Unternehmen fundamental gut dasteht und eine entsprechende Marktkapitalisierung aufweist", sagt der im Portfolio Management und Research tätige Bienek.
Statt nun der populären Forderung nach einem Ausschluss der Penny-Stocks nachzukommen, hätte die Deutsche Börse lieber rechtzeitig die grundsätzlichen Probleme des Wachstumsmarktes analysieren und beheben sollen. "Anstatt sich geschmeichelt zu fühlen, dass so viele, auch ausländische, Unternehmen den Weg an den Neuen Markt gingen, hätte die Börse seinerzeit aufhorchen müssen. Denn warum gingen diese Gesellschaften hier an die Börse, und nicht an den teilweise im eigenen Land vorhandenen Wachstumssegmenten? Weil hier auf Grund der größeren Aufmerksamkeit durch die Anleger weit höhere Bewertungen zugestanden wurden, als an den Heimatbörsen."
Die Fehler seien natürlich nicht nur bei der Börse zu suchen, auch die Emissionsbanken hätten ihren Teil dazu beigetragen, sagt er. "Ein frisch gegründetes Unternehmen hat einfach nichts an der Börse zu suchen. Normalerweise muss es sein Geschäftsmodell erst einmal einige Jahre lang unter Beweis stellen - und wird von den Risikokapitalgebern dabei mehrfach auf die Erfolgsaussichten hin geprüft. Dann, wenn der Business-Plan aufgeht, sollte erst der Börsengang erfolgen." So sei es nun wegen der schwierigen konjunkturellen Lage, der strukturellen Probleme am Neuen Markt und der oft unzureichenden Business-Modelle und mangelnder Management-Erfahrung folgerichtig, dass nun einige Neue Markt-Unternehmen große Probleme hätten.
Eine Regelung, welche unter einem Euro notierende Aktien ausnahmslos verbannen würde, hält er für nicht sinnvoll. Ein insolventes Unternehmen, oder eines, dessen Management "gelogen und betrogen" habe, sollte zur Bereinigung und Sicherung der Qualität des Neuen Marktes auf jeden Fall verbannt werden. "Aber warum sollte ein Unternehmen, welches zu einem Ausgabekurs unter zehn Euro an die Börse gebracht wurde, danach alle Planungen einhielt, und nun trotzdem im Sog des Umfeldes unter der magischen Grenze notiert, rausgeschmissen werden?", fragt Bienek.
Die Story "Neuer Markt" sei nicht tot, glaubt der Fondsmanager. Es habe einfach einen extrem schnellen Zykluswechsel gegeben. Nach einer Phase der irrationalen Übertreibung nach oben gebe es mittlerweile jene nach unten. "Es gibt jetzt richtig günstig bewertete Unternehmen am Markt. Ich habe schon lange keine Börsenphase mehr erlebt, in der High-Tech-Firmen zum Buchwert oder zum Wert der Liquidität gehandelt wurden." Es sei bezeichnend, wenn ein Unternehmen, das sich vorgenommen hatte in einem schwierigen Umfeld mit 50 Prozent zu wachsen, nun gnadenlos abgestraft werde, wenn es "nur" 40 Prozent erreicht habe, während der zugehörige Sektor aber lediglich 20 Prozent zulegen konnte.
Allerdings werde die andauernde Unterbewertung nun langsam kritisch. "Es besteht die Gefahr, dass sich die negative Kursentwicklung belastend auf den Geschäftserfolg der zugehörigen Gesellschaft auswirkt." So könnte mittlerweile mancher potenzielle Kunde einer am Neuen Markt notierten AG allein auf Grund des Kursverfalls oder der niedrigen Marktkapitalisierung von einer Zusammenarbeit absehen. "Möglicherweise traut der zukünftige Geschäftspartner einem Unternehmen, dessen Wert von 500 Mio auf 20 Mio EUR geschrumpft ist, keine Nachhaltigkeit zu.
Daher sei es nun wichtig, wieder Vertrauen zu schaffen und die Glaubwürdigkeit des Marktes wieder herzustellen. Eine Bereinigung der bereits am Neuen Markt notierten Unternehmen sei auch richtig, aber mittels einer Einzelfallprüfung. Und dann sei es notwendig, bei zukünftigen Emissionen die gegenwärtig bei vielen Emissionshäusern strengen Prüfungsstandards beizubehalten und auf keinen Fall künftig aufzuweichen, damit die Anzahl der scheiternden Geschäftsideen auf ein gesundes, unvermeidliches Maß geschrumpft werde. "Und dann können auch wieder vernünftig geführte Unternehmen auf die Börse als Finanzierungsinstrument vertrauen." +++ Torsten Wolf
vwd/17.7.2001/tw/mpt/gos
18. Juli 2001, 13:47
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