Totalitäre Demokratiekonzeption "GRÜNE" im Einsatz
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neuester Beitrag: 27.06.05 01:29
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eröffnet am: | 13.09.04 23:07 von: | proxicomi | Anzahl Beiträge: | 32 |
neuester Beitrag: | 27.06.05 01:29 von: | PERMANEN. | Leser gesamt: | 11137 |
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von Maximilian Ohl
Es gab 68er, die sich eine große Karriere durch übermäßigen Betäubungsmittelkonsum versauten. Viele von ihnen endeten als Fahrradboten mit Doktorhut oder durchgeknallte Kommunarden. Andere konzentrierten sich voll auf den " politischen Kampf“. Und viele von diesen schafften es nach dem Ende ihrer akademischen Laufbahn bald, in der von ihnen kurz zuvor noch als intolerant und faschistoid geschmähten Bundesrepublik in Positionen einzurücken, die nicht wirklich unerheblichen Einfluss auf das weitere Zeitgeschehen und die öffentliche Meinungsbildung im Staat zu zeitigen im Stande waren: Redaktionen, Behörden, Bildungseinrichtungen.
Von dort aus war man in der nicht unangenehmen Situation, nicht mehr außen vor zu stehen, wenn es gegen die schuldige“ Kriegsgeneration, die Springer-Presse oder den Muff von Tausend Jahren“ in den demokratischen Institutionen ging. Schon bald war die Macht der 68er, die Themen zu bestimmen, so groß, dass die Protagonisten des antitotalitären Konsenses der Gründungsjahre zunehmend gegenüber den antifaschistischen“ Systemveränderern in die Defensive gingen.
Der erste große Triumph dieser mangelnde sachliche Substanz durch umso größere moralische Selbstgerechtigkeit und Wissenslücken durch Sendungsbewusstsein ausgleichenden Gutmenschen war die Erledigung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger im Jahr 1978. Der in demokratischer Wahl 1976 mit imposanten 56,7 % in seinem Amt bestätigte CDU-Politiker galt als Bollwerk gegen die gesellschaftspolitischen Ziele der Studentenrevolte. Da aus Sicht der lautstarken Minderheit linker Akademiker gegen den Wählerwillen einer absoluten Mehrheit der normalsterblichen Bevölkerung kein Kraut gewachsen war, mussten andere Saiten aufgezogen werden. Eine tatkräftig vom Staatssicherheitsdienst der " DDR" unterfütterte Hetz- und Verleumdungskampagne gegen Filbinger in der linken Presse setzte ein, ausgehend von einem Leserbrief des Bewältigungsliteraten Rolf Hochhuth. Man blies Informationsfetzen und Halbwahrheiten über angebliche Rechtsbeugungshandlungen des zu Kriegszeiten als Jurist in der Kriegsmarine tätigen Ministerpräsidenten medial zu Kriegsverbrechen auf, die selbst bei den Siegermächten nach 1945 keinen Handlungsbedarf erweckt hatten.
Als ein von Filbinger angestrengter Zivilprozess gegen die Kampagnenführer zwar in der Sache selbst einen Teilerfolg brachte, das Urteil jedoch im Sinne der Meinungsfreiheit den Beklagten die Aufrechterhaltung einiger diskreditierender Wertungen erlaubte, konnte dies am Ende doch als Niederlage interpretiert werden und sowohl die damals noch verhältnismäßig bedeutende bürgerliche Presse als auch die Union gingen zu Filbinger auf Distanz. Als Filbinger am Ende von seinem Amt zurücktrat, war der erste und wohl wichtigste Erfolg der 68er auf dem Weg zur unumschränkten politischen Definitionshoheit erreicht. Dass die Verfälschungen und Polemiken, die im Zentrum der Debatte standen, in der Zwischenzeit als solche entlarvt werden konnten, vermochte den bleibenden Gesamteindruck nicht zu schmälern. Die Neue Linke hatte es geschafft, anhand der Person des als Hitlers Marinerichter“ angegriffenen Filbinger die angebliche Nähe des bürgerlich-konservativen Lagers zum Faschismus“ zu beweisen“, im Bevölkerungsrückhalt für den Politiker ein Indiz für deutsche Kollektivschuld“ zu präsentieren und die linken Kräfte als die vermeintlich einzigen wahren Demokraten“ darzustellen.
Die 80er-Jahre brachten weitere öffentlich Erregungen, in denen die ursprünglich unter den Fahnen der Aufklärung“ und Freiheit“ angetretenen akademischen Linkseliten mit Manipulationen, Halbwahrheiten und dem Ruf nach Tabuzonen des gesellschaftlichen Diskurses und nach Zensur arbeiteten, wenn es um die Demontage missliebiger Personen des öffentlichen Lebens ging. Im kollektiven Gedächtnis haften blieben dabei die Namen des Historikers Ernst Nolte und auch der international beachtete Fall des österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim. Nach dem kurzzeitigen Schock für die 68er und ihre Epigonen durch die Wiedervereinigung wurden die 90er-Jahre wohl nicht zuletzt auch in Folge des schwindenden Widerstandes der wegsterbenden Kriegsgeneration und der zunehmenden Wirkung der linken Indoktrination zum Jahrzehnt des endgültigen Triumphs der Inquisitoren der Political Correctness.
Dass der Kreuzzug der Gutmenschen bisweilen bis hin zur vollständigen Dehumanisierung des angegriffenen Gegners gehen kann und ihm zum Teil sogar offen das Recht zum Leben abgesprochen wird, zeigt das Beispiel Steffen Heitmanns, den seine Mutter nach der Auffassung eines drittklassigen ARD-Kabarettisten vergessen hat, abzutreiben“.
Dass selbst staatliche Einrichtungen, die selbst lange genug Ziel der Angriffe von Linksaußen gewesen waren, wie etwa der Verfassungsschutz, mittlerweile zum Teil Diktionen und Argumentationsmuster aus der Mottenkiste von 68 übernommen haben, mussten in jenem Jahrzehnt immer mehr konservative Projekte außerhalb der Union erfahren: Etwa die politische Partei Die Republikaner“ oder die Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit“. Dabei konnte schon Kritik an der Wehrmachtsausstellung“ zum Anhaltspunkt einer verfassungsfeindlichen Gesinnung“ geraten.
Der beim Aton-Verlag im westfälischen Unna erschienene Sammelband Stigmatisiert. Der Terror der Gutmenschen“ von Klaus J. Groth und Joachim Schäfer arbeitet anhand von gut recherchierten und nachvollziehbar aufbereiteten Beispielen, die von der Filbinger-Kampagne bis hin zu Sebnitz reichen, die zunehmend stärkere Beschränkung geistiger Freiräume durch die fanatisierten Sittenwächter der politischen Korrektheit heraus. Das Werk, das man getrost als die bisher bedeutendste Neuerscheinung auf dem politischen Buchmarkt 2003 bezeichnen kann, schildert Methoden, Denkschablonen und Vorgehensweisen der Antifa-Eliten und arbeitet die Wurzeln des Antifaschismus“ der 68er heraus, die nirgendwo anders als im Sowjetkommunismus liegen. Das Ideal seiner Verfechter ist nicht das des aufgeklärten und emanzipierten Menschen, sondern das des halbgebildeten Dogmengläubigen, stets bereit zum Kampf gegen die Ketzer. Zu Recht werfen die Autoren den Trägern des Gutmenschentums eine totalitäre Demokratiekonzeption vor, an deren Ende ein Gemeinwesen stehen würde, in dem das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland totes Recht wäre. Noch ist die BRD weit von einer solchen Situation entfernt. In Nachbarländern haben die vergangenen Jahre jedoch gezeigt, dass der hysterische und selbstgerechte Moralrigorismus linker Taliban-Gesinnung nicht nur die Freiheit und die berufliche Existenz anders Denkender bedroht. Im Extremfall nimmt man sogar die physische Vernichtung des zum Bösen“ gestempelten Abweichlers von der verordneten Meinung billigend in Kauf: Vor knapp drei Jahren starb Werner Pfeifenberger von eigener, vor knapp einem Jahr Pim Fortuyn von fremder Hand.
Klaus J. Groth, Joachim Schäfer: Stigmatisiert. Der Terror der Gutmenschen.“; Aton-Verlag Unna 2003; ISBN 3-9807644-5-1; 24,80
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Und weil es kaum einer von Euch gelesen hat: hier die Zusammenfassung:
Ein schmächtiger Adliger kämpft in der Fremde, um die Gunst von Dulcinea zu erringen. Sein Begleiter ist der bauernschlaue Sancho Pansa. Der wundert sich über die Allüren seines Chefs, aber er wird ja bezahlt. Der Don kann seinen Krieg nicht gewinnen, weil erstens sein Ziel zu Hause liegt und zweitens seine Wahnvorstellungen ein normales Verhalten unmögich machen.
Damit sind wir bei der politischen Dimension:
Sowohl Napoleon als auch Hitler haben versucht, die Gunst Englands durch Siege in Rußland zu erringen. Die Helfer waren immer die Bayern, die Sancho Panchas, und die haben sich auch gefragt: was machen wir hier eigentlich am Dnjepr? Egal, beide Wahnisinnige haben aufgegeben, Don Quijote bleibt ein prophetisches Werk und Gorge Bush ist der nächste, der diesem Irrglauben erliegt, daß man in der Fremde seine Probleme zu Hause lösen kann.
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Der Spiegel enthüllt den Antifa-"Wahn" der 68er
Die Revolte von 1968 sei nichts als eine "jugendliche Massenpsychose" gewesen, erklärte der sozialdemokratische Altkanzler Helmut Schmidt Anfang des Jahres, und der Focus (12/2001) machte sich diese Interpretation gern zu eigen. Einige Monate später legt der Spiegel (35/2001) nach, indem er Schmidts These variiert und teilweise zuspitzt: Bei der Konfrontation der 68er mit den alten Nazis und ihrer Warnung vor einem neuen Faschismus handle es sich um "Proteste gegen ein Phantom", denen eine "fast wahnhafte Verkennung der Wirklichkeit" zu Grund gelegen habe.
Um das "Hitler-Trauma von 1968" zu erklären, verpflichtete das Magazin einen Bewegungsveteranen: den Alt-SDSler und ehemaligen Funktionär des Kommunistischen Bundes Westdeutschland (KBW), Gerd Koenen.
Koenen hat sich als Spiegel-Autor geradezu aufgedrängt. In seinem im Frühjahr erschienenen Buch "Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967- 1977" hat er die Thesen ausführlich entwickelt, die er nun auf sechs reich bebilderten Spiegel-Seiten zusammenfasst. Wer die Kürze der Illustrierten-Version dem Autor als mildernden Umstand anrechnen möchte, muss wissen, dass die Langfassung kaum differenzierter ausgefallen ist. Historiker Koenen psychologisiert durchgängig, weil es ihm - und der Spiegel-Redaktion - darum geht, "wahnhafte" Trugbilder zu erklären. Seine Kernthese: Nicht nur das Erschrecken über die Verbrechen der Eltern- und Großelterngeneration, die im Frankfurter Auschwitz-Prozess von 1963 eindringlich dokumentiert wurden, habe die Aktivistinnen und Aktivisten der APO zu einer "wütenden Distanzierung" von den Älteren gedrängt. Hinzu gekommen sei eine Art psychischer Defekt: "Sie (die Älteren, die Eltern) hatten uns das schließlich eingebrockt. Ihretwegen waren wir genötigt, uns ewig zu rechtfertigen, standen wir nicht nur als die Verlierer zweier Weltkriege, sondern als die Verbrecher der Weltgeschichte da. Moralische Empörung und narzisstische Kränkung flossen zusammen."
Die Verstörten aber verwandelten die Kränkung in ein "moralisches Negativkapital" und leiteten aus der Identifikation mit den Nazi- Opfern einen "neudeutschen Avantgardismus" ab. Als Höhepunkt - und Abschluss - der Verirrung erscheint Koenen der Mord an Hanns Martin Schleyer. Den hat zwar die RAF zu verantworten, gleichzeitig aber im Sinne der gesamten APO an dem Altnazi und "Boss der Bosse" als "Vatermord" zelebriert.
Zwei Alt-Nazis repräsentieren
die BRD
In Wirklichkeit, belehrt uns Koenen, beruhten Antifaschismus und Linksradikalismus auf einem fatalen Missverständnis: Die BRD sei Erbin des NS-Regimes, was sich nicht zuletzt in den personellen Kontinuitäten zwischen den alten und den neuen Eliten zeige. Diese Kontinuitäten hatten für die Mobilisierung gegen das "Establishment" in der Tat eine große Bedeutung. Wie auch nicht? Bundespräsident und damit oberster Repräsentant der BRD war zwischen 1959 und 1969 Heinrich Lübke (CDU), der zwar nicht - wie die DDR-Propaganda behauptete - "KZ-Baumeister" gewesen war. In Peenemünde, wo Hitlers "Wunderwaffe" produziert werden sollte, trug er aber als oberster Bauleiter von 1943 bis 1945 die Verantwortung für den Einsatz von KZ-Häftlingen und "Ostarbeitern", die aus der Sowjetunion und Polen verschleppt worden waren.
Während der zunehmend senile Lübke in seiner zweiten Amtszeit kaum noch ernst genommen wurde, war ein anderer Altnazi ganz offensichtlich auf der Höhe seiner Aufgaben: Kurt-Georg Kiesinger (CDU), der Kanzler der Ende 1966 installierten großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Kiesinger war NSDAP-Mitglied und stellvertretender Leiter der Rundfunkpolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt gewesen. Im Juli 1968 als Zeuge in einem NS-Prozess vernommen, sagte er aus, er sei der NSDAP "weder aus Überzeugung noch aus Opportunismus" beigetreten. Zum Gegenstand des Prozesses, der Deportation und Ermordung bulgarischer Juden, erklärte er: "Er habe zwar etwa seit dem Jahr 1944 das Gefühl gehabt, dass mit den Juden nach ihrer Deportation etwas Schlimmes geschehe, jedoch weder aus amtlichen Quellen noch aus Unterlagen seiner Behörde irgendetwas über Vernichtungsaktionen von Juden erfahren." (1)
Nichts gewusst - das war die stereotype Ausrede einer ganzen Generation, als Aussage eines hohen politischen Beamten des NS-Regimes aber besonders unglaubwürdig. Dieser Mann stand nun an der Spitze einer Regierung, deren wichtigstes innenpolitisches Ziel die Durchsetzung der Notstandsgesetze war, um bei "inneren Unruhen" Grundrechte außer Kraft setzen zu können. Klarer hätte die Kampfansage an die außerparlamentarische Opposition (APO) nicht formuliert werden können. Dass die "kleine, radikale Minderheit" sich bedroht sah, war kein Verfolgungswahn, wie sich in den folgenden Jahren nicht nur bei den Mordanschlägen auf Benno Ohnesorg (2. Juni 1967) und Rudi Dutschke (11. April 1968) zeigte.
Vor allem in den ersten Monaten des Jahres 1968 gab es eine regelrechte Pogromhetze gegen "die Krawallmacher". Um Westberlin, gleichzeitig Frontstadt des Kalten Krieges und Hochburg der Revolte, für die rebellische Jugend zur verbotenen Stadt zu machen, verfuhren die Medien des Axel-Springer-Verlages nach dem von Mao geborgten Motto "Aus den Massen schöpfen, in die Massen hineintragen". Als die Parteien des Abgeordnetenhauses und der DGB in Westberlin, wenige Tage nach dem Vietnam-Kongress (17./18.2.1968), zur Gegenkundgebung aufriefen, versammelten sich 80.000 Menschen. Bild erhöhte nicht nur die Teilnehmerzahl auf 150.000, sondern zitierte auch genüsslich den auf Transparente gemalten "Berliner Witz gegen Krawall-Studenten". Kostprobe: "Lasst Bauarbeiter ruhig schaffen! Kein Geld für langbehaarte Affen!"; "Lieber tot als rot!"; "Dutschke raus aus Berlin!". Die härtesten Transparenttexte unterschlugen die Springer-Zeitungen allerdings, darunter Parolen wie "Dutschke Volksfeind Nummer eins", "Bei Adolf wäre das nicht passiert" oder "Politische Feinde ins KZ".
Dass in Westberlin "kein Platz" für Oppositionelle sei, gehörte zu den Leitmotiven von Pressekommentaren und Politikerreden. Als der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz (SPD) am 21. Februar 1968 sagte: "Diese Stadt gehört nicht den Extremisten, sondern denen, die sie unter Entbehrungen wieder aufgebaut haben", wiederholte er fast wörtlich, was Springers BZ schon am 2. Juni 1967 geschrieben hatte: "Die Anständigen in dieser Stadt aber sind jene Massen der Berliner, die Berlin aufgebaut und Berlins Wirtschaft angekurbelt haben. Ihnen gehört die Stadt. Ihnen ganz allein."
"Anständige" machen Jagd auf "Extremisten"
Das war als Aufforderung zum Handeln gemeint und wurde auch so verstanden. Die APO sah sich nicht nur mit einer entfesselt knüppelnden Polizei konfrontiert, sondern wurde auch öfter von Zivilisten attackiert. Der CDU-Abgeordnete Jürgen Wohlrabe ("Übelkrähe") befehligte eine eigene Knüppelgarde, "anständige Berliner" zwangen Langhaarige in S-Bahn-Züge Richtung Ostberlin. Nach der Kundgebung am 21.2.1968 schlug der Mob mehr als 30 "verdächtige" Personen zusammen, und nur durch das Eingreifen der Polizei (!) konnte ein Lynchmord verhindert werden. Die Rettung des Verwaltungsangestellten Lutz-Dieter Mende, der fälschlich für Rudi Dutschke gehalten worden war, schilderte ein Polizeioffizier so: "Es war für uns eine ganz neue Erfahrung: Das war ja eine entmenschte Masse. Ich war gerade nach vorn gegangen, um die Lage zu erforschen, als mir der junge Mann entgegen gerannt kam. Er fiel mir um den Hals und stammelte: ,Um Gottes Willen, schützen Sie mich, die wollen mich totschlagen.` Hinter ihm her kamen an die tausend Leute, die johlten und riefen: ,Schlagt den Dutschke tot!` Ich bekam Schläge auf den Rücken, wir wurden zu Boden geworfen, die Menge war außer sich. Wir haben uns dann die letzten Meter bis zum Wagen irgendwie hingeschleppt. Ich konnte gerade noch die Tür aufreißen und den jungen Mann hineinstoßen. Die Leute wollten daraufhin den Mannschaftswagen umkippen, zwei von ihnen schlugen eine Scheibe ein. Die Menge brüllte: ,Lyncht ihn! Hängt ihn auf!`" (2)
Wenige Wochen danach wurde Rudi Dutschke dann tatsächlich Opfer eines Mordanschlages, an dessen Folgen er 1979 starb. Der Täter, Josef Bachmann, las regelmäßig Bild und Nationalzeitung, war aber in der Darstellung der Politiker natürlich ein "verwirrter Einzeltäter". Zehntausende in der gesamten BRD wussten es besser und reagierten mit militanten Angriffen auf Springers Verlagshäuser. Der Slogan "Heute Dutschke, morgen wir" hat sich zwar zum Glück nicht bewahrheitet. Die Bedrohung war aber real. Faschistoide Stimmungen gingen weit über die Anhängerschaft der NPD hinaus, die damals ihre größten Triumphe feierte; ihr Spitzenergebnis waren 9,8 Prozent in Baden-Württemberg.
Das alles ist Koenen, dem Zeitzeugen und Historiker, natürlich bekannt. Dennoch wischt er alle Hinweise auf eine faschistische Gefahr vom Tisch, indem er offensichtlich falsche Einschätzungen zur damaligen Lage zitiert: die Selbststilisierung mancher ProtestlerInnen als "neue Juden", die Gleichsetzung der Isolationshaft mit "Auschwitz", Ulrike Meinhofs unsägliches Gerede von "Israels Nazi-Faschismus", die häufig skandierte Demo-Parole "USA-SA-SS" und dergleichen mehr. Wer derlei gefährlichen Unfug mal richtig fand, hat allen Anlass, sich zu schämen. Koenen will aber mehr. Seine Zitatenauswahl soll zum einen zeigen, die APO hätte keine Ahnung gehabt, was Faschismus bedeutet. Sie suggeriert aber auch, die wahre faschistische Gefahr hätte von links gedroht - namentlich von den mit palästinensischen Organisationen kooperierenden bewaffneten Gruppen. In dieser "Symbiose" sieht Koenen "brachiale Versuche der Befreiung von der Last der deutschen Geschichte. Und die neue Freiheit musste sich gerade im Angriff auf diejenigen bewähren, die für die Kränkung des Selbstbildes als Deutsche sorgten: die Juden, die man jetzt nur als ,Zionisten` bezeichnete."
Demokratie in Zeiten der Krisenstäbe
Die alten Nazis erscheinen bei Koenen dagegen als harmlose Spießer: Opportunisten, die sich den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie angepasst haben und vor allem nicht auffallen wollen. Was ja zum Teil stimmt. Aber eben nur zum Teil: Denn die Probe aufs Exempel blieb aus, weil die APO allzu schnell zusammenbrach, ihre Erben sich als leicht integrierbar erwiesen (wie die Jusos), keinen nennenswerten Einfluss gewannen (die legale radikale Linke) oder militärisch zerschlagen wurden (die bewaffneten Gruppen). Es ist Spekulation, muss aber mitgedacht werden, wenn es um die Frage einer faschistischen Gefahr in den Jahren 1968ff. geht: Was wäre geschehen, wenn die Bewegung den Staat und die von alten Nazis durchsetzten Eliten wirklich herausgefordert hätte? Ein faschistisches Potenzial in der Bevölkerung war unzweifelhaft vorhanden, in Westberlin nahm es zeitweise den Charakter einer Massenbewegung an. Aber da die APO seit Sommer 1968 auf dem Rückzug war, konnte man die Angelegenheit den Spezialisten überlassen: den Politikern und der Polizei, die Zuckerbrot und Peitsche bereit hielten. Viel Peitsche: eine Prozesswelle, Berufsverbote und Verbotsdrohungen, Aufrüstung der Polizei, Ausnahmegesetze und "Terrorismusbekämpfung" mittels Killfahndung und Hochsicherheitstrakten - wenig Zuckerbrot: die sozialliberale Koalition, eine Amnestie für "Demonstrationsstraftäter" und Willy Brandts uneingelöstes Versprechen "Wir wollen mehr Demokratie wagen".
Auf den Nazi-Gegner Willy Brandt folgte schon 1974 der Wehrmachts-Unteroffizier Helmut Schmidt. Dessen Leitlinie waren die berüchtigten deutschen Sekundärtugenden, "mit denen man auch ein KZ betreiben kann" (Oskar Lafontaine). Drei Jahre später ging Koenens "rotes Jahrzehnt" mit dem "deutschen Herbst" zu Ende: eine, wenn auch befristete Diktatur der Krisenstäbe und der Polizei, abermals begleitet und unterstützt von einer faschistoiden Massenstimmung. Anstatt den Verlauf der Ereignisse nachzuzeichnen, reiht Koenen besonders wirklichkeitsfremd erscheinende Zitate aneinander. Eine leichte Übung: Wörtlich genommen sind viele Texte von 1968 widerlegt, teils lächerlich und allenfalls noch als Zeitdokumente von Interesse. Das gilt aber viel mehr für die vermeintlich großen strategischen Würfe als für die Analysen der Gesellschaft, die man revolutionieren wollte.
Jens Renner
In der Reihe Rotbuch 3000 (Europäische Verlagsanstalt/Rotbuch Verlag, Hamburg) erscheint demnächst Jens Renners Buch "1968"; 96 Seiten,
14,80 DM
Anmerkungen:
1)Wolfgang Kraushaar: "1968. Das Jahr das alles verändert hat". München (Piper) 1998, S. 204
2) zitiert in Michael Rütz: "Ihr müsst diesen Typen nur ins Gesicht sehen" (Klaus Schütz, SPD). APO Berlin 1966-1969. Frankfurt am Main (Zweitausendeins) 1980, S. 167
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Verstehst Du Doofkopf aber nicht, gelle
Jetzt aber gute Nacht, sonst werde ich noch während ich Schreibe und es Dir erkläre gesperrt.
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Die verbotene Trauer
Von der Unfähigkeit der Deutschen, ihrer Toten zu gedenken
Thorsten Hinz
Am kommenden Sonntag, dem Volkstrauertag, werden die Spitzen des Staates in der Neuen Wache, der „Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“, in Berlin ihre obligaten Kränze niederlegen. Was bedeuten dieser Tag und die Zeremonie? Der Volkstrauertag wurde 1926 zum Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs eingeführt. 1931 baute der Architekt Heinrich Tessenow das Schinkel-Gebäude zum Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs um. 1933 wurde der Volkstrauer- in Heldengedenktag umbenannt. Am Ende des Zweiten Weltkrieges lag die Neue Wache in Trümmern. Trotzdem ließen die Berliner es sich nicht nehmen, Kränze und Blumen durch die Absperrgitter zu schieben, um ihre Trauer um die Kriegsopfer auszudrücken. Im Westen kam man diesem Bedürfnis durch die Wiedereinführung des Volkstrauertages entgegen. Der zentrale Gedenkort fehlte aber, denn die Neue Wache lag nun im sowjetischen Sektor.
Die SED sah die privaten und spontanen Trauerbekundungen vor ihrer Haustür mit Argwohn, denn sie lagen konträr zu ihren politischen Absichten. Die Neue Wache galt ihr als ein Symbol des verhaßten Preußentums, sie erwog sogar ihren Abriß. Dann aber faßte sie den Entschluß, den emotionalen und symbolischen Wert des Gebäudes in ihr ideologisches Programm einzubauen und hier das zentrale „Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus“ einzurichten. Damit wollte sie sich in die Kontinuität der deutschen Geschichte stellen, gleichzeitig sollte die DDR als die Überwinderin ihrer verderblichen Traditionen legitimiert werden.
1989 zeigte sich, wie gründlich dieser Versuch der separatstaatlichen Sinnstiftung mißlungen war. Die Besucher, die hierher kamen, wollten ganz überwiegend nicht den SED-Staat ehren, sondern die deutschen Kriegsopfer, die in der DDR eine ähnlich geringe Rolle spielten wie heute. Es spricht für den politischen Instinkt des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, daß er das Gebäude als zentrale Gedenkstätte für das wiedervereinigte Deutschland durchsetzte. Über die aufgeblähte Pietà von Käthe Kollwitz im Innern kann man streiten. Auf jeden Fall ist die Neue Wache ein Ort ehrenden Gedenkens, wo der Besucher, der bereit ist, sich der Wirkung des Raumes zu öffnen, sich erstens als Angehöriger eines nationalen Kollektivs und zweitens als Glied in einer Abfolge der Generationen begreift.
Damit ist ein Bewußtsein angesprochen, das die Vergangenheit mit der Gegenwart und Zukunft verbindet, nämlich das Bewußtsein unserer individuellen und kollektiven Generativität. Es geht um eine Kraft, die laut dem amerikanischen Psychologen und Sozialwissenschaftler John Kortre „allen menschlichen Formen der Reproduktion zugrunde liegt“. Vier Aspekte der Generativität seien hervorgehoben. Da ist zunächst der biologische, also die Fortpflanzung, durch die das Geschenk des Lebens, das man selber empfangen hat, weitergegeben wird. Der zweite ist der emotionale Aspekt. Er betrifft den Stolz auf das überkommene Erbe, und zwar als Wissen um eine verpflichtende Hinterlassenschaft, die man übernimmt, pflegt, ergänzt und weitergibt. Das dritte Bereich ist technisch-institutioneller Art. Er umfaßt Politik, Staat, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und die auf diesen Gebieten im Lauf der Geschichte erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Sie bilden den „Körper“ des Gemeinwesens, während der vierte, der kulturelle Aspekt, seinen „Geist“ meint. Hier geht es um die Bewahrung, Erneuerung und Fortschreibung eines kollektiven Bedeutungssystems. Diese vier Bereiche stehen in Wechselwirkung miteinander, und in der Summe konstituieren sie das, was man „nationale Identität“ nennen könnte.
Wenn man die vier Aspekte durchdekliniert, erkennt man, wie schlecht es um Deutschland zur Zeit bestellt ist. Dieses immer noch verhältnismäßig reiche Land ist Weltmeister in der Kinderlosigkeit. Der Mangel an Kindern wird mit sozialen Details - etwa dem zu geringen Angebot an Kindergärten - begründet. Sie spielen eine Rolle, aber keine primäre. Der Verzicht auf Kinder ist häufig eine Entscheidung - eine Werte-Entscheidung - zugunsten individueller Selbstverwirklichung. Für diese „Nach mir die Sintflut“-Stimmung machte der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Wolfgang Huber, jüngst den totalen Vertrauensverlust in die Zukunftsfähigkeit dieses Landes verantwortlich.
Diese Zukunftsangst hängt wesentlich zusammen mit einem emotionalen Mangel gegenüber dem eigenen Land und den vorangegangenen Generationen. Statt den Stolz auf das Erbe zu propagieren, wird dessen Unwert betont, der mittelbar auch jeden Einzelnen betrifft. Die Erkenntnis des Unwerts gründet sich auf den naiven Hochmut der Nachgeborenen, auf nichts sonst. Dessen unvermeidliche Begleiterscheinung ist die Infantilisierung, die sich in immer neuen Gossen der Spaßgesellschaft suhlt. Womit wir bei der Degeneration der technisch-institutionellen Ebene wären. Vor hundert Jahren sind Harvard-Professoren nach Deutschland gepilgert, um zu lernen, wie man universitäres Leben gestaltet. Heute gelten die deutschen Hochschulen als verrottet, finanziell ausgeblutet, kraftlos, ohne Selbstbewußtsein. Es ist eine Ironie der Geschichte, daß von den Universitäten die Umdefinition des nationalen Bedeutungssystems, die Fokussierung auf die NS-Verbrechen, ausging. Diese Umdeutung dauert an, sie manifestiert sich in der Zerstörung von Gefallenendenkmälern, in der Umwidmung oder Stigmatisierung von Symbolen, in der Verleumdung der Väter- und Großvätergeneration.
Auch die Schnapsidee, wegen der kränkelnden Wirtschaft den einzigen Nationalfeiertag aufzugeben, konnte nur in Deutschland geboren werden. Die dafür verantwortlichen Politiker sind die Gefangenen ihrer selbstgebauten Geschichtsfalle geworden. Sie können sich Deutschland nur als ein Gemeinwesen vorstellen, dessen ausschließliche Grundlage sein Sozialprodukt ist. Dieser niedrige Horizont versperrt ihnen den Blick auf die Ressourcen, die zu seiner Steigerung bereitliegen. Im überraschenden Proteststurm von links bis rechts, der diesen Plan zu Fall gebracht hat, drückt sich die fortschreitende Erkenntnis aus, daß Deutschland ohne kollektive Symbolik und ohne Selbstwertgefühl keine Zukunft mehr hat.
Der Volkstrauertag kann einen Anstoß dazu geben, indem er Respekt für die eigenen Opfer und für frühere Generationen weckt. Ein Land, das zur Selbstachtung zurückfindet, braucht keine Zukunftsängste zu haben. Alte Kirchenglocken tragen die Inschrift: „Vivos voco. Mortuos plango. Fulgura frango.“ Die Lebenden rufe ich, die Toten beweine ich, die Blitze breche ich.
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Die streitbare New Yorker Intellektuelle hat im vergangenen Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels bekommen. Sie war eine heftige Gegnerin der Politk Bushs nach dem 11. September
Berlin - Die US-Schriftstellerin Susan Sontag ist im Alter von 71 Jahren gestorben. Das teilte das Krebs-Zentrum Memorial Sloan Kettering mit. Die in New York geborene Sontag gehörte zu den einflußreichsten Intellektuellen der USA. Sie beschäftigte sich in ihren Essays und Romanen mit Themen von Politik über Ethik und Gesundheit bis zu Fotografie und Literatur.
Sontag hatte vergangenes Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. Die erbitterte Gegnerin der US-Politik kritisierte in ihrer Fest-Rede das „imperiale Programm“ von Präsident George W. Bush. Der US-Botschafter war der Verleihung ferngeblieben. Die mit Spannung erwartete Rede war jedoch weitgehend philosophisch angelegt und beleuchtete die Wurzeln für die derzeitige Entfremdung zwischen den USA und Europa. Die Autorin galt als vehemente Verteidigerin von Menschen- und Bürgerrechten. Besonders nach der Katastrophe vom 11. September 2004 war sie eine der ersten prominenten Intellektuellen, die kritische Fragen nach dem Hintergrund der Anschläge stellten.
Unter den Auszeichnungen, die sie erhielt, waren auch 2000 der National Book Award, der bedeutendste US-Literaturpreis und der Jerusalem Award ein Jahr später. Als Literatin hatte sie eine Brückenfunktion zwischen Europa und den Vereinigten Staaten inne, so brachte sie den US-Lesern Autoren wie Elias Canetti und Roland Barthes nahe. WELT.de/hk
friedensheuchlerpreis des "deutschen buchhandels", eine farce selbstbeweihräucherung unter alten alt68er kameradINNEN.
die wahrheit hat wieder eine gegnerin weniger.
R.I.P.!!!
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Mit dem Roman "State of Fear" reitet Michael Crichton eine wütende Attacke gegen den Umweltschutz
von Uwe Schmitt
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Mag keine Umwelt-Panik: Bestseller-Autor Michael Crichton
Foto: AP
Wenige können sich mit Michael Crichton in der Gabe messen, aus obskuren Katastrophen wohligen Schrecken zu verfertigen. Crichton spielte mit Weltuntergängen durch außerirdische Viren in "Andromeda" und durch Genmanipulation in "Jurassic Park". Er malte japanische Teufel an die Wand in "Nippon Connection" und erregte in "Enthüllung" Mitleid mit Männern, die von ihren Chefinnen sexuell malträtiert werden. In "Timeline", "Airframe", "Beute" blieb er bei seinem Rezept, gegen den Strich zu denken, und machte mit den Büchern und Verfilmungen blendende Geschäfte. Crichtons neuer Thriller "State of Fear" ("Staat/Zustand der Angst") beschwört Ökoterrorismus und führt das Rezept im Titel. So scheint es. Doch er zögerte lange mit dem Schreiben: "Dies ist das erste Buch, in dem ich sage: Fürchtet Euch nicht."
Keine Angst bei Crichton? Das klingt frivol, denkt man an all die Unglücklichen, die durch den Stich von Hapalochlaena fascinata, einem im Zorn blau leuchtenden australischen Oktopus von Golfballgröße, sterben. Das klingt bizarr, läßt man die Desaster und Attentate Revue passieren: Menschen verfolgende Blitze aus manipulierten Gewitterstürmen, schmelzende und versinkende Autos bei Sturmfluten in New Mexiko, mit Sprengstoff ausgelöste Tsunami, die mit 750 Stundenkilometern, von den Solomon-Inseln auf die kalifornische Küste zurasen, tödliche Fallen in antarktischen Gletscherspalten, Pidgeon-Englisch sprechende Kannibalen, die ihren Gefangenen bei lebendigem Leib das Hors d´euvre aus dem Gesicht schneiden.
Was Crichton mit "Fürchtet Euch nicht" meint, erschließt sich nicht in den Action-Sequenzen. Sondern in didaktisch wertvollen Debatten, die der Autor auf Langstreckenflügen im Privatjet eines Multimillionärs abhalten läßt. Einziges Thema und feststehende Konklusion der Streitgespräche, die Vorlesungen sind: Die Erderwärmung durch Treibhausgase und die meisten vorhergesagten Klimakatastrophen sind bestenfalls Hypothesen, wahrscheinlich Unsinn und Betrug. Die Menschheit hat für ihren Planeten nichts zu fürchten als die Furcht selbst. Laut Crichton, der sich durch den allwissenden MIT-Professor und CIA-Offizier John Kenner vertreten läßt, ist die vorherrschende Lehre nichts als ein Kult, welcher von den Verschwörern des "politisch-juristisch-medialen Komplex" (PLM) als Wissenschaft getarnt wird. Um sich wichtig zu tun, um Macht und Spenden anzuhäufen. Die Weltreligion der Umweltschützer, notiert Crichton, stieß in das Vakuum, das der Fall der Sowjetunion hinterließ. Da begann das ganze Krisengerede. Aber: "Ich vermute, daß die Menschen im Jahr 2100 viel reicher sind als wir, mehr Energie verbrauchen, eine kleiner Erdbevölkerung und viel mehr wilde Natur haben werden als wir heute. Ich glaube nicht, daß wir uns um sie sorgen müssen."
Das ist kühn oder dreist. Zumal Michael Crichton das Glaubensbekenntnis nicht seinem John Kenner in den Mund gelegt hat. In einem 32 Seiten langen Nachspann (zu dem 567 Seiten langen Roman) bekennt er sich selbst als Ökoketzer. Stolz reißt er sich das Hemd auf, um den Todesstoß dafür zu empfangen. Vor den beiden Appendices und der umfangreichen Bibliographie bekennt er in der "Author"s Message" kokett, daß die drei Jahre währende Lektüre von Umweltliteratur selbst ein umweltschädliches Unterfangen sei. Im übrigen sei er zu folgenden Schlüssen gelangt: "Kohlendioxid in der Atmosphäre nimmt zu, und menschliches Wirken ist die wahrscheinliche Ursache." Das klingt nun recht moderat, ist aber nur ein nichtssagendes Zugeständnis. Kenner erklärt einmal bei einer der Flugvorlesungen, daß die CO2-Schicht in der Atmosphäre minimal sei: Wie die drei Zentimeter dicke Randlinie in einem Hundert-Meter-Fußballfeld. Regt Euch ab, frohlockt er, der Methanausstoß von Termiten ist für das Klima schädlicher.
Fürchtet Euch nicht (2)
Gegen Hypothesen habe er nur dann etwas, sagt Crichton alias Kenner, wenn sie Doktrinen würden und Ungläubige verbrannt würden. Tatsache sei, daß niemand wisse, wie viel von der Erwärmung Menschenwerk oder natürliches Phänomen sei. Es gebe nur Vermutungen, keine seriösen Hochrechnungen; die "gegenwärtige fast hysterische Obsession mit Sicherheit (safety)" sei bestenfalls eine Verschwendung von Ressourcen, schlimmstenfalls die Einladung zum Totalitarismus; Umwelt- "Prinzipien" wie Nachhaltigkeit erhalten nur die ökonomischen Vorteile des Westens und bemänteln einen "modernen Imperialismus" gegenüber den Entwicklungsländern. In einem der Anhänge geht Crichton so weit, Ökologie in einer Analogie zu der Eugenik zu sehen. Große Geister hingen der rassistischen Ausleselehre an, schreibt Crichton, Theodore Roosevelt, Winston Churchill, H.G. Wells und George Bernhard Shaw. Nobelpreisträger unterstützten die Scharlatanerie, die besten Universitäten und erlesensten Stiftungen in den USA. Dann kamen die Nazis. Crichtons Warnung für die Klimaschutzdebatte: "Ich bin mir gewiß, daß es zu viel Gewißheit in der Welt gibt". Und: "Jeder hat eine Agenda. Außer mir."
Nun ließe sich einwenden, daß die Ansichten eines Thriller-Autors zu ökologischen Fragen so unerheblich für die Menschheit sind wie von Umwelt-Politikern verfaßte Kriminalromane. Was Crichtons "State of Fear" bemerkenswert macht, ist nicht sein erster Rang auf diversen US-Bestsellerlisten. Es ist das Kunststück, George W. Bush, Michael Moore und sämtlichen Politikern von Schwellenländern aus den Seelen zu sprechen: Bush, Verweigerer des Kyoto-Protokolls im Bund mit Indien und China, und Moore, der die "Politik der Panikmache" der Bush-Regierung im sogenannten Krieg gegen den Terrorismus angreift, werden von Michael Crichton und seinen Figuren zu einer neokonservativ-radikalen Einheit verschmolzen. Aus dem verbreiteten Ressentiment gegen Politiker, Anwälte und Journalisten speist er nicht nur die angebliche Verschwörung des "PLM-Komplexes". Er erledigt gleich das "Establishment" finanzstarker Umwelt-Organisatoren und ihrer dümmlich-ökoromantischen Förderer in Hollywood mit. Es gibt kein Klischee, keine Abneigung des kleinen Mannes auf der Mainstreet mit seinem gesunden Volksempfinden, das Crichton nicht bediente.
"State of Fear" beginnt klassisch mit Eros und Thanatos. Ein Mann stirbt nach dem Beischlaf in Paris, gelähmt vom Oktopus versinkt er in einem Kanal. Der nächste Tote ist in London zu besichtigen. Dann treten die Hauptfiguren auf: John Kenner mit seinem Freitag und Assistenten, einem soldatischen Computerfreak aus Nepal namens Sanjong Thaba; George Morton, der Multimillionenerbe mit einer Schwäche für schöne Frauen, harte Drinks und Umwelt-Davids wie Worldwide Fund for Nature und Greenpeace. Besonders aber für NERF, die für ein Südsee-Atoll, das im Meer versinkt, einen Prozeß gegen das US-Umweltamt vorbereitet, und dafür auf Mortons zehn Millionen Dollar angewiesen ist; NERF-Chef Nicholas Drake, machtgieriger, übel fluchender Asket und Kostverächter, was Frauen und Alkohol betrifft, braucht eine neue Krise, er setzt auf "abrupten Klimawandel", nachdem Artenschutz und Treibhauseffekt keine Spenden mehr locker machen. Es ist etwas an der Kritik der "New York Times", das Crichtons Figuren sämtlich selbstklebende Zettel mit der Aufschrift "Good Guy" oder "Bad Guy" tragen. Gespaltene, mehr als eindimensionale Charakter gibt es nicht. Die Umwelt-Lektionen sind schwierig genug. Es fügt sich, daß er während der Flüge von Los Angeles in alle Welt in Mortons Privatjet nie schläft. In Erschöpfungsschlaf fallen alle anderen und der Leser.
Michael Crichton kann filmreif schreiben, auch in "State of Fear". Hollywood wird sein Porträt im Buch so wenig mögen wie die Botschaft: "Relax, world, you"re doin" fine." Aber es ist kaum vorstellbar, daß man sich deshalb ein gutes Geschäft entgehen ließe. Crichtons Verlag HarperCollins und 20th Century Fox, die den Klimakatastrophenfilm "The Day After Tomorrow" vertrieb, gehören einträchtig Rupert Murdoch. Die Werbetouren Crichtons durch die Shows des Frühstücksfernsehens und die Zeitungen werden ermutigend gewesen sein.
Weniger Glück, die Atmosphäre zu erwärmen, hat er bei Klimaforschern, die er mit Namen und angeblichen Irrtümern in seinem Buch angreift. Deren Kommentare gipfeln bisher in "skurrile Verleumdung", Klagen könnten folgen. Alle sind sich einig, daß Michael Crichton sich in seinem Furor eben das zuschulden kommen ließ, was er ihnen vorwirft: Selektive Wahrnehmung, das Ignorieren oder Verzerren von Daten, die ihm nicht in passen. Jeder hat eine Agenda. Auch Crichton.
Artikel erschienen am Di, 21. Dezember 2004
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Der deutsche Name
Ein Land, das aus der Krise kommen will, braucht ein Wir-Gefühl
Thorsten Hinz
Die Propheten des Postnationalismus in Deutschland sind größtenteils verstummt. Der Realitätsschock, unter dem das Land steht, trifft auch sie. Erstens haben andere Länder die Behauptung, daß die Nationen sich überlebt hätten und der Patriotismus ein atavistischer Hordeninstinkt sei, nie geteilt. Sie haben die deutsche Canossa-Mentalität nach Strich und Faden ausgenutzt, sie hinter vorgehaltener Hand aber für ein Zeichen von nationaler Verblödung gehalten. Die deutschen Funktionseliten beginnen zaghaft, daraus Konsequenzen zu ziehen, und zwar, zweitens, unter dem Eindruck nachlassender Wirtschaftskraft.
Das Postnationalismus-Gerede basierte ja nicht wirklich auf geschichtlicher Reflexion und Antizipation, sondern auf dem Gefühl materieller Überlegenheit, sozialer Sicherheit und ökonomischer Stärke. Was zum Wohlbefinden fehlte, war „der Zement des Empfindens einer gemeinsamen Identität“ (Norbert Elias).
Den sollte ein postnational angelegter „Verfassungspatriotismus“ liefern: ein politischer Avantgardismus, der einen moralischen Mehrwert versprach. Wortführer waren verbissene Oberlehrer, die im Bewußtsein ihres bombensicheren Pensionsanspruchs lebten. Für den sollte selbstverständlich der deutsche Staat aufkommen. Doch wo nichts mehr sicher ist, steht sogar die eigene Pension in Frage. Wen soll man dagegen anrufen? Die Welthandelsorganisation? Die EU-Kommission? Lächerlich! Bleibt nur der Nationalstaat. Der durchschnittliche Arbeitnehmer wußte das schon immer.
Drittens: Ein Land, das aus der Krise kommen will, braucht ein Minimum an positivem Wir-Gefühl. Um bei der Wirtschaft zu bleiben: Gerade Ökonomen betonen den Zusammenhang zwischen kollektiver Depression und fehlender Investitionsbereitschaft in Deutschland.
Kanzler Schröder versucht nun zu später - allzu später? - Stunde, einen neuen Patriotismus aus dem Geist des „Wirtschaftswunders“ und des „Wunders von Bern“ zu destillieren. Dieses beschränkte Konzept wird nicht aufgehen, denn das „Wirtschaftswunder“ war nicht voraussetzungslos. Es bezog sich auf Traditionen, Vorkenntnisse, auf ein ausgeprägtes Arbeitsethos und einen hohen technischen Entwicklungsstand. Wichtige Akteure waren die Vertriebenen, die gezwungenermaßen ein mobiles Proletariat darstellten. Wer den Quellen des „Wirtschaftswunders“ nachforscht, muß also den zeitlichen und territorialen Horizont der BRD überschreiten.
Und schließlich bedeutete die BRD-Gründung die Exklusion der SBZ/DDR. Der Nationalkommunist Wolfgang Harich war noch im Alter verbittert über die Zurückweisung der Stalin-Note durch die Bundesregierung 1952. Adenauer habe „eiskalt noch zu Lebzeiten des paranoiden alten Tyrannen (gemeint ist Stalin, Anm. d. Verf.) 18 Millionen Deutsche in den Stalinismus und seine Höllen zurückgestoßen“. Ob damit die Motive und Möglichkeiten des ersten Bundeskanzlers realistisch eingeschätzt sind, sei dahingestellt. Jedenfalls wirft die deutsche Nachkriegszeit Fragen auf, die nicht mit dem Rekurs auf ein Fußballspiel zu beantworten sind.
Alternativkonzepte liefern weder die FDP noch die Grünen, auch nicht die zwischen Feigheit und Stumpfsinn schwankende Union. Um so bemerkenswerter ist ein Aufsatz, den Peter Brandt im SPD-nahen Theorieorgan Neue Gesellschaft / Frankfurter Hefte (Ausgabe März 2005) unter dem Titel: „Universelle Werte und Nationalkultur. Was ist deutscher Patriotismus?“ veröffentlicht hat.
Ja, was ist deutscher Patriotismus? Keine Rückkehr ins 19. Jahrhundert, sondern „die spezifische Verbindung universeller Werte mit der Nationalkultur (...) sowie den nationalgeschichtlichen Traditionen“. Dürfen die Deutschen die für sich in Anspruch nehmen? Müssen sie nicht des Sonderwegs eingedenk sein, den ihre Nation gegen den Normalfall des Westens eingeschlagen hat?
Von dieser These hält der Historiker Brandt gar nichts. „Denn im größeren Teil des 19. Jahrhunderts gehörten die kulturnationale Identifikation und die liberale Verfassungsbewegung Deutschlands zusammen, so wie umgekehrt in Frankreich und anderen vermeintlich rein staatsbürgerlichen Nationen historisch-kulturelle Eigenheiten mit prägend waren und in die jeweilige Nationalidentität eingingen. Anders hätte ein demokratischer Patriotismus niemals und nirgendwo Massenwirksamkeit erreicht.“
Sind die „historisch-kulturellen Eigenheiten“ Deutschlands denn nicht durch das „Dritte Reich“ auf ewig kompromittiert? „Bezogen auf die Zeit des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs stünde nicht der militärische Einsatz der Alliierten im Mittelpunkt der Identifikation, sondern - trotz Scheiterns - der deutsche Widerstand einschließlich des Exils in seiner ganzen Breite.“
Die Memoiren Willy Brandts, die im denkwürdigen Jahr 1989 erschienen sind, schließen übrigens mit dem Satz: „Mitgetan zu haben, daß der deutsche Name, der Begriff des Friedens und die Aussicht auf europäische Freiheit zusammengebracht werden, ist die eigentliche Genugtuung meines Lebens.“
Das Wort „deutsch“ steht in der Aufzählung an erster Stelle. Würde man es streichen, verlöre die Beschreibung einer langen, reichen, schicksalhaften Existenz ihren Sinn.
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Der libertäre Vordenker und bekennende „Antidemokrat“ Hans-Hermann Hoppe über seine provokanten Thesen
Moritz Schwarz
Herr Professor Hoppe, Sie sind bekennender Antidemokrat. Haben Sie bei Ihrer Vortragsreise durch Europa nicht Schwierigkeiten bei der Einreise in die Bundesrepublik bekommen?
Hoppe: Nein, und ich rechne auch nicht damit, daß dies in der Zukunft passieren wird. Ich habe in Dutzenden von Ländern in der ganzen Welt Vorträge gehalten, nie sind mir dabei Schwierigkeiten gemacht worden.
Wie kommt es, daß Sie in einem so „betont demokratischen“ Land wie Deutschland mit Ihrer Einstellung ein so gerngesehener Gast sind, zum Beispiel unlängst bei der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung?
Hoppe: Weil ich anders bin und etwas anderes zu sagen habe als die „Langweiler vom Dienst“ in der Politik und den „führenden“ Medien. Ich bin provokativ und biete intellektuelle Unterhaltung und Aufklärung gekonnt und auf höchstem Niveau.
Ihre These lautet, die Demokratie ist eine politische Ordnung, die nicht die Herrschaft des Volkes garantiert, sondern seine Ausbeutung.
Hoppe: Das Wesen der Demokratie ist die Umverteilung, die sich entsprechend der Verteilung der politischen Macht vollzieht. Das heißt, diejenigen, die an der Macht sind, verteilen zugunsten der eigenen Klientel und auf Kosten der Klientel der anderen Partei um. Mit Gerechtigkeit hat das nichts zu tun, und Grundrechte wie das auf Eigentum sind im Zweifelsfall schnell perdu. Verschärfend kommt hinzu, daß die Partei, die gerade herrscht, dazu nur vier Jahre Zeit hat – bis wieder gewählt wird. Um so schneller und verantwortungsloser vollzieht sich diese Umverteilung. In der Monarchie dagegen, als deren „glückliche“ Überwindung die Demokratie zu Unrecht gilt, war der Staat potentiell für immer in den Händen ein und derselben Dynastie. Dementsprechend schonend geht ein Monarch mit seinem „Besitz“ um. In der Demokratie gehört der Staat dagegen keinem, dementsprechend hemmungslos saugt ihn die gerade herrschende Partei aus.
„Schimpfen Sie auf die Demokratie!“
Zum Beispiel?
Hoppe: Zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland. Der Kern der gegenwärtigen fundamentalen Krise dieses Landes ist, daß die Politiker den Wählern jahrzehntelang mehr und immer mehr versprochen haben. Sie haben verteilt, was volkswirtschaftlich gesehen gar nicht zum Verteilen da war, nur um wiedergewählt zu werden. Und die Wähler haben sich willig bestechen lassen, wohlwissend, was vor sich geht. Aber alle wollten eben ihren Nutzen aus diesem gigantischen Raubzug ziehen. Das Paradebeispiel ist Konrad Adenauer, der seine Rentenreform gegen den guten Rat der Fachleute durchgeführt hat, nur um Wähler zu gewinnen, ohne Rücksicht darauf, daß er damit den Keim der Vernichtung in das bundesdeutsche Rentesystem gepflanzt hat. Heute sind in Deutschland die Kassen leer und die Schulden nicht mehr zu tilgen. Alle schimpfen auf diejenigen, die damals über die Verhältnisse gelebt haben. Das ist Unsinn! Diese Leute haben sich lediglich gemäß den Regeln des Spiels verhalten. Schimpfen Sie nicht auf die Spieler, wenn Ihnen das Spiel nicht paßt, schimpfen Sie auf die Regeln! Schimpfen Sie auf die Demokratie! Freiheit statt Demokratie!
Müßten Sie nicht konsequent von allen Demokraten ausgeladen und bekämpft werden?
Hoppe: Was die guten Demokraten betrifft, so haben Sie gewiß recht. Aber gute Demokraten – also Vertreter des Prinzips, daß A und B, weil sie gegenüber C eine Mehrheit bilden, letzteren deshalb berauben oder bevormunden dürfen – sind für mich nur „moderate“ Kommunisten, und von denen nicht eingeladen zu werden, betrachte ich als eine Ehre. Nur gibt es gar nicht so viele Personen, die sich zu diesem Prinzip bekennen, wenn es denn erst einmal klar ausgesprochen wird. Es gibt weder in der Familie Demokratie noch in der Kirche, insbesondere der katholischen, noch in der Wissenschaft oder der Wirtschaft. Nirgendwo ist jede Stimme gleich. Überall gibt es Grade natürlicher Autorität.
Sind Sie ein Fall für den Verfassungsschutz?
Hoppe: Der Verfassungsschutz weiß doch gar nicht, was er mit mir und meiner Position anfangen soll. Ich befinde mich völlig außerhalb der gängigen politischen Klassifikationsschemata. Zwar bin ich ein Feind des demokratischen Staates, aber zu behaupten, ich sei ein Feind der Freiheit, des Privateigentums, der Familie und all dessen, was dem Normalbürger wert und teuer ist, ist absurd, geradezu zum Totlachen. Auch der Verfassungsschutz benötigt die Rückendeckung der öffentlichen Meinung. Ich bezweifele, daß es gelingt, mich zu einem Ungeheuer zu stempeln.
Immerhin, unlängst gab es doch Probleme: Allerdings nicht wegen des Antidemokraten Hoppe, sondern wegen Ihres Gegenparts, des konservativen Verlegers Götz Kubitschek, der pikanterweise die Demokratie in Gestalt des Staates gegen Sie verteidigte. Die Uni Greifswald hat der Veranstaltung – mit dem Hinweis, Kubitschek sei ein „rechter Intellektueller“ – die Räume entzogen (JF berichtete).
Hoppe: Die ganze Affäre erscheint mir symptomatisch für die politische Befindlichkeit in Deutschland.
Inwiefern?
Hoppe: Demokratie hat eben nichts mit Freiheit zu tun. Demokratie ist eine von Demagogen angereizte und unsicher gesteuerte Herrschaft des Mobs. Insbesondere die deutsche Demokratie trägt Züge eines weichen, durch weitgehende und als solche oft kaum mehr wahrgenommene Selbstzensur gekennzeichneten Totalitarismus.
Wieso sind sie 1985 ausgerechnet in die USA ausgewandert, die sich selbst als Mutterland der Demokratie betrachten?
Hoppe: Nach meiner Habilitation 1981 war ich für fünf Jahre Empfänger eines Heisenberg-Stipendiums. Es hieß inoffiziell, daß man nach Ablauf des Stipendiums gewiß mit einem Lehrstuhl rechnen könne. Mir wurde aber schnell klar, daß dies in meinem Fall, mit meinen Auffassungen, sicher nicht eintreffen würde. Darum bin ich 1985 in die USA gezogen, in der, wie sich herausstellen sollte richtigen Annahme, daß der akademische Arbeitsmarkt – wie der Arbeitsmarkt generell – dort noch flexibel genug sei, um auch Außenseitern wie mir eine Chance zu eröffnen. Es ist mir nicht leichtgemacht worden, mich in Amerika erfolgreich durchzusetzen. Aber in Deutschland wäre ich untergegangen, dort habe ich dagegen von Anfang an Freunde und Förderer gefunden.
Sie sprachen vom „Totalitarismus“ der Demokratie. Meinen Sie die „Political Correctness” (PC)? Auch die stammt aus den USA!
Hoppe: Es stimmt, die PC-Bewegung in Amerika ist zweifellos älter als in Deutschland und Europa. Sie hat mit der sogenannten „Bürgerrechtsgesetzgebung“ Mitte der sechziger Jahre begonnen und findet heute in einer Vielzahl beinahe alle Lebensbereiche erfassender „affirmative action“-Bestimmungen, Quotenregelungen und Diskriminierungsverboten Ausdruck. Mittlerweile gibt es eigentlich nur noch eine einzige nicht-geschützte Personengruppe: weiße heterosexuelle Männer. Sie sind die für alles Unheil der Welt verantwortliche „Tätergruppe“. Alle anderen Personengruppen sind ihre „Opfer“. Ob die Situation heute in Amerika schlimmer oder bedrohlicher ist als in Europa ist schwierig zu beurteilen. In den USA treibt die Political Correctness wohl die verrückteren Blüten. Aber obwohl Sündern wider den korrekten Geist das Leben schwergemacht und nicht selten die Karriere ruiniert wird, wird man doch, im Unterschied zu Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern, zumindest nicht mit strafrechtlichen Sanktionen bedroht, wenn man sich über besonders heikle Themen äußert.
Zum Beispiel?
Hoppe: Denken Sie nur an den Volksverhetzungsparagraphen, der Äußerungen bestimmter Art über die jüngere deutsche Geschichte, selbst wenn sie nur als untersuchungswürdige Vermutungen gekennzeichnet werden, unter Strafandrohung stellt. Damit erreicht man meines Erachtens nur das genaue Gegenteil dessen, was beabsichtigt ist. Wenn bestimmte Äußerungen verboten sind, stellt sich beinah automatisch der Verdacht ein, daß an ihnen möglicherweise doch etwas dran ist. Denn warum sollte man sonst zu so einer drastischen Maßnahme wie einem Sprachverbot greifen?
„Warum SPD wählen, wenn alle Parteien sozialdemokratisch sind?“
Zurück zur Demokratie: Wenn die Demokratie nicht eine Form der Freiheit, sondern eine Form der Ausbeutung ist, was bedeutet das dann für den Gründungsmythos der Demokratie in Europa, die Französische Revolution?
Hoppe: Gewiß muß das Bild von der Französischen Revolution noch grundlegend berichtigt werden, wenngleich es in den letzten Jahren schon erhebliche Fortschritte in dieser Richtung gegeben hat. Die Französische Revolution gehört in dieselbe Kategorie von üblen Revolutionen wie die bolschewistische Revolution und die nationalsozialistische Revolution. Königsmord, Egalitarismus, Demokratie, Sozialismus, Religionshaß, Terror, Massenplünderung, -vergewaltigung und -mord, die allgemeine militärische Zwangsverpflichtung und den totalen, ideologisch motivierten Krieg – all das verdanken wir der Französischen Revolution.
Das ist jetzt über 200 Jahre her. Wie konnten sich die Volker so lange so täuschen?
Hoppe: Die meisten Personen, immer und überall, sind töricht und dumm. Und der sogenannte Wohlfahrtsstaat und das „öffentliche“ Bildungswesen trägt dazu bei, die Bevölkerung noch weiter zu verdummen. Sie denken nicht selbst, sondern beten das nach, was ihnen von den Eliten erzählt wird. Und die Eliten haben nur allzu oft ein Interesse daran, die Massen dumm zu halten, da sie selbst von dieser Dummheit profitieren.
Sie betrachten nicht nur die Demokratie, sondern gleich den Staat an sich als eine Fehlentwicklung der Geschichte. Wieso hat sich all das denn entwickelt, wenn es so überflüssig ist?
Hoppe: Versetzen Sie sich in die Lage vor 1989. Da hätte man fragen können: Sie halten den Sozialismus für eine Fehlentwicklung, wieso hat er sich dann entwickelt? Die Antwort: Die Geschichte ist kein geradliniger Prozeß, in dem es immer nur vorwärts und aufwärts geht. Es gibt auch Fehlentwicklungen. Der Sozialismus stellt eine solche, kurzfristige Fehlentwicklung dar, der Staat eine andere, langfristigere. Und ja, natürlich erfüllen beide auch eine „wichtige“ Funktion: Der Sozialismus erlaubt der sozialistischen Partei, die produktiv arbeitende Bevölkerung zum eigenen Vorteil auszubeuten, und der Staat leistet das gleiche für die Etatisten.
Sie werfen dem Konservatismus vor, im Grunde nichts anderes als „Sozialismus“ zu sein. Sind aber nicht vielmehr Sie – mit Ihrem utopischen Menschenbild vom unbedingt eigenverantwortlichen Menschen – der „Sozialist“?
Hoppe: Sehen Sie sich einmal das über 150 Jahre alte Kommunistische Manifest an, dann werden Sie mir zustimmen, daß die konservativen Parteien der Gegenwart einen Großteil der sozialistischen Ideologie geschluckt haben. Der Niedergang der SPD, den wir gegenwärtig in Deutschland erleben, ist kein Zeichen einer Abkehr vom Sozialismus, sondern seines Triumphes: Es gibt keinen besonderen Grund mehr, SPD zu wählen, wenn doch alle Parteien sozialdemokratisch sind! Von daher erhoffe ich mir auch so gut wie nichts von der bevorstehenden „Wende“ von Rot-Grün zu Schwarz-Gelb durch die voraussichtliche Bundestagswahl im Herbst. Was die Frage des Utopischen angeht, so irren Sie sich: Die Sozialisten sind Utopisten, denn sie gehen davon aus, daß es mit der Ankunft des Sozialismus auch zu einer Wandlung der menschlichen Natur kommt. Das ist natürlich Unsinn, frommes Wunschdenken. Libertäre wie ich sind dagegen Realisten. Wir nehmen die Menschen, wie sie sind – gut und böse, friedfertig und aggressiv, altruistisch und egoistisch, produktiv und unproduktiv, fleißig und faul, verantwortungsvoll und verantwortungslos etc. – und glauben nicht, daß die menschliche Natur grundsätzlich wandelbar ist. Als Realisten sind wir nur davon überzeugt, daß Anreize immer und überall wirken. Es muß eine institutionelle Anreizstruktur geschaffen werden, die „gutes“ Verhalten belohnt und „schlechtes“ bestraft. Das wird „schlechtes“ Verhalten zwar nicht beseitigen, aber es wird seine Häufigkeit und Heftigkeit vermindern.
Und diese Anreize schafft eben zum Beispiel der demokratisch kontrollierte Rechtsstaat konservativ-altliberaler Prägung!
Hoppe: Die Institution eines Staates, die im Unterschied zu allen anderen Institutionen Zwangsabgaben (Steuern) erheben darf und die in allen Konfliktfällen, einschließlich solcher, in die sie selbst verwickelt ist, letztendscheidender Richter ist, setzt falsche Anreize: Zum einen erlaubt sie es Personen, ein Einkommen zu erzielen, ohne dafür Güter oder Dienstleistungen erbringen zu müssen, die freiwillige Abnehmer finden. Mit anderen Worten: Sie belohnt Personen dafür, minderwertige Güter oder gar „Ungüter“ herzustellen. Zum anderen schafft der Staat einen Anreiz dafür, Konflikte nicht zu schlichten, sondern sie selbst zu provozieren, um sie dann zu eigenen Gunsten zu entscheiden. Mit anderen Worten: Der Staat belohnt das Begehen von Unrechtstaten.
„Der Sozialstaat wird untergehen, wie einst die UdSSR“
Ihrer Analyse vom zwingend erfolgenden Niedergang des Wohlfahrtsstaates ist derzeit leider schwerer denn je zu widersprechen. Werden wir Deutschen tatsächlich unser liebstes politisches Kind, den deutschen Sozialstaat, verlieren?
Hoppe: Der sogenannte Sozialstaat – eigentlich handelt es sich bei dem, was wir sozial nennen um „Stehlen und Hehlen“, aber nicht um echte, freiwillige und nur darum moralisch zu nennende Sozialpolitik – wird ebenso sicher zusammenbrechen, wie der Kommunismus zusammengebrochen ist. Das ganze Sozial-„Versicherungssystem“, der Generationen-„Vertrag“, ist wie ein Kettenbrief zum Absturz verurteilt. Jeder private Geschäftsmann, der ein solches „Versicherungssystem“ anbieten wollte, würde sofort als Gauner verhaftet. Daß man in Deutschland immer noch, selbst angesichts steigender Lebenserwartungen und sinkender Geburtenraten, so tut, als habe man es mit einer großen Erfindung zu tun, zeugt deshalb nur davon, wie verantwortungslos, ja geradezu gemeingefährlich die gesamte Politikerklasse hierzulande ist.
Prof. Dr. Hans-Hermann Hoppe gilt als einer der profiliertesten Vordenker der weltweiten libertären Bewegung. Geboren wurde er 1949 in Peine. Er studierte Soziologie und Ökonomie und wanderte 1985 in die USA aus, um bei Murray Rothbard zu studieren, dessen Lehrstuhl er schließlich übernahm. Hoppe ist „Distinguished Fellow“ am Ludwig von Mises Institute in Auburn, Herausgeber des Journal of Libertarian Studies und Autor verschiedener Bücher. Seine provokante Studie „Demokratie – Der Gott, der keiner ist“ (Verlag Manuscrpitum, 2003) erreichte in den USA sieben Auflagen und wurde bislang ins Deutsche, ins Spanische und ins Koreanische übertragen. Übersetzungen ins Polnische und Italienische sind in Vorbereitung.