Nach den Plänen von Umweltminister Gabriel sollen Offshore-Windparks bis 2030 ein Viertel des Strombedarfs hierzulande decken. 40 Anlagen sind in Planung – und in der Branche herrscht dicke Luft
Deutschlands Zukunft liegt vor der Küste. Zumindest die Zukunft der deutschen Energieversorgung, wenn die Atomkraftwerke tatsächlich abgeschaltet werden. Nach Plänen von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel soll der Anteil der Offshore-Windenergie an der Stromerzeugung bis 2030 von derzeit knapp fünf auf 25 Prozent steigen. 60 Prozent davon sollen Windkraftwerke beisteuern, die auf offener See stehen.
Bisher allerdings herrscht vor deutschen Küsten Flaute in Sachen Offshore. Gerade mal zwei Testanlagen drehen sich vor Emden und Rostock. Während in Dänemark, Großbritannien, Irland und Schweden schon über 300 Wondräder mit zusammen 700 Megawatt im Meer aufgestellt wurden, gibt es in Deutschland bisher nur Parks auf der Blaupause. Stromkonzerne wie E.on oder RWE investieren zwar in Offshore, allerdings nur im Ausland. Dort sind die Rahmenbedingungen günstiger und die Projekte wegen der höheren Förderung renditeträchtiger. In deutschen Gewässern sind derzeit 40 Projekte beantragt, 21 davon bereits genehmigt. Die Betreiber müssen jedoch von der Planung bis zur Realisierung etliche Hürden nehmen. Jüngst hatte sich E.on beim Umweltminister beschwert, dass die schwierigen Genehmigungsverfahren hierzulande den Ausbau des Stromnetzes gefährden. Nach Berechnung der Deutschen Energie agentur Dena müssten in Deutschland bis zum Jahr 2015 mindestens 850 Kilometer an neuen Hochspannungstrassen verlegt werden, um den Windstrom in die Großstädte zu bekommen. Zwar fordert ein Großteil der Bevölkerung Ökostrom, eine Hochspannungsleitung will freilich niemand vor der Haustür haben. Ein weiteres Hindernis sind die natürlichen Gegebenheiten vor Deutschlands Küsten. Um die Schifffahrt nicht zu gefährden und aus Naturschutzgründen müssen die Standorte – im Gegensatz zum Ausland – meist in großer Entfernung zur Küste errichtet werden. Neben der schweren und kostspieligen Netzanbindung stellt vor allem die Wassertiefe eine technische Herausforderung dar. Während Windparks in Schweden, Groß britannien und Irland in rund 15 Metern Tiefe auf Grund stehen, müssen die Türme der hiesigen Windräder bis zu 40 Meter unter dem Meeresspiegel verankert werden.
Die Grundlage für die Errichtung von Offshore-Windparks schuf die Bundesregierung Ende 2006. Sie verpflichtete die Energiekonzerne, zunächst bis Ende 2011 die Anschlusskosten für Offshore-Windstrom an das Netz zu übernehmen. Für die Betreiber der Windparks bedeutet dies eine erhebliche Entlastung, da die Netzanbindungskosten für Offshore-Projekte den größten Teil der Investitionen darstellen.
Wie hoch diese Kosten sein können, wird an dem ersten deutschen Windpark in Borkum West klar. Nach langem Hin und Her einigten sich die Behörden darauf, dass die Netzanbindung über die Insel Norderney erfolgen soll. Gesamtinvestition: 180 Millionen Euro. Doch die Kosten sind nicht alles. Selbst bei Anlagenherstellern und Verbänden gehen die Meinungen zum Thema Offshore weit auseinander. Obwohl die deutschen Anlagenbauer weltweit führend sind, wollen nicht alle von ihnen Windräder für den Einsatz im Meer bauen. "Warum sollten wir uns auf ein so riskantes Feld begeben?", fragt etwa Ralf Peters vom Anlagenbauer Nordex.
Fernab der Küste werden möglichst große Anlagen eingesetzt, um die maximale Ausbeute zu erlangen. Auf Daten, wie sich diese Riesenanlagen über Jahre im Offshore-Einsatz verhalten, kann in der noch jungen Branche aber bisher kein Hersteller zurückgreifen. Mit Kinderkrankheiten werden die Pioniere zwangsläufig zu kämpfen haben. Peters: "Das Chance/ Risiko-Verhältnis stimmt nicht. Auch ohne die Entwicklung großer Offshore-Anlagen läuft das Geschäft bei uns auf Hochtouren. Wir können kaum die Nachfrage an Land bedienen." Wie riskant das Geschäft auf hoher See ist, zeigt das Beispiel Vestas. Die Dänen lieferten 30 Anlagen für das 100-Millionen-Projekt Scroby Sands vor der britischen Ostküste. Die an Land erprobte Technik hielt den rauen klimatischen Bedingungen auf dem Meer nicht stand. Alle Hauptlager der tonnenschweren Getriebe mussten ausgetauscht werden. An Land ist dies in der Regel kein Problem. Mitten im Meer schon. Reparaturen auf offener See kosten schnell das Zehnfache. Experten schätzen, dass der Schaden Vestas 30 Millionen Euro gekostet hat. Trotzdem setzt Repower voll auf Offshore. "Wir glauben, dass die Offshore-Windenergie auch in Deutschland kurz vor dem Durchbruch steht", erklärt Unternehmenssprecherin Daniela Puttenat. Repower zählt zu den wenigen Anbietern, die Einzelanlagen mit einer Leistung von fünf Megawatt herstellen können. Damit lassen sich 6000 Haushalte mit Strom versorgen. Im Rahmen eines EU-Projekts vor der schottischen Küste hat Repower bereits zwei Riesenräder in 44 Metern Tiefe aufgestellt. Mit einem Rotordurchmesser von 126 Metern zählt die Anlage namens 5M zu den größten ihrer Art.
Auch im Windpark Borkum West soll Repower die Hälfte der zwölf Anlagen liefern. "Wir gehen mit 5M jetzt in die Serienproduktion", so Sprecherin Puttenat. Ab dem Geschäftsjahr 2008/09 sollen Windräder dieser Größenklasse signifikante Umsätze bei Repower einfahren. Die Ankündigung von Umweltminister Gabriel, die Einspeisevergütung für Offshore-Windkraft von derzeit 9,1 Cent je Kilowattstunde deutlich anzuheben, macht Repower Mut. Während es Konzerne wie RWE, E.on oder Vattenfall ins Ausland zieht, weil es dort bis zu 15 Cent je Kilowattstunde gibt, hofft ein Großteil der Branche nun auf eine Anhebung hierzulande auf mindestens 14 Cent. "Damit wären wir international konkurrenzfähig", erklärt Rainer Heinsohn vom Windkraftprojektierer Plambeck. Das Unternehmen hat mit sieben genehmigten Projekten auf See bereits vorgesorgt.
Zwei Verbände, zwei Meinungen. Dass die beiden Interessenvertreter auf die Frage, ob Offshore-Windkraft in Deutschland vor dem Durchbruch steht, zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist wenig überraschend. Der Bundesverband Windenergie vertritt zum Großteil Gesellschaften, die sich fast nur mit Windkraftanlagen für das Festland (Onshore) beschäftigen. Der Wirtschaftsverband Windkraftwerke dagegen macht sich für Offshore stark. Dessen Vorsitzender wiederum ist Plambeck-Chef Wolfgang von Geldern.
Hintergrund der Meinungsverschiedenheiten ist, dass die Onshore-Vertreter befürchten, ihre Fördergelder könnten gekürzt werden, um die Erhöhung der Zuschüsse für die Offshore-Projekte zu finanzieren. Trotz des Interessenkonflikts könnte der Knoten für Offshore-Windkraft aber bald platzen. Sobald der Staat die Förderung anhebt, werden genügend Hersteller ihre Bedenken über Bord werfen.
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