Einen solch interessanten und überraschenden Tag wie gestern hatten wir an der Börse schon lange nicht mehr. Es gab keine wichtigen Konjunkturdaten und auch keine neue Griechenlandnews bis auf die sehr vielen positiven Gerüchte, so dass man ganz klar feststellen kann, dass der DAXanstieg gestern einzig und allein technisch getrieben war. Wobei man aber dazu auch sagen muss, dass die wirklich guten Konjunkturdaten aus Deutschland vom Montag (Aprilexportwachstum von 7,5%, deutlich höhere Industrieproduktion im April als erwartet wurde mit + 0,9% zum März) komplett ignoriert wurden.
Jedenfalls hat der DAX schon am Dienstag seine erste große Unterstützung bei 10.860/10.870 mit 10.864 getestet und als die hielt haben sich wohl die Shorties aus dem DAX verabschiedet und dann kam es zu Anschlusskäufen. Als es dann gestern über die 11.000 ging (vielleicht auf das Gerücht hin, dass sich Merkel mit Finanzminister Schäuble überworfen hat und es somit zu einer schnellen Lösung mit Griechenland kommt) kam der DAX ins Laufen. Mit Hilfe der US-Indizes (S&P 500 wie auch der Dow Jones wieder über ihren 100-Tageslinie und später dann auch über ihren horizontalen Widerständen bei 2.100 bzw. 18.000) ging der DAX dann über seine schon mehr als signifikante Chartmarken 11.167/11.198 rüber und dann kam noch mal von der Technikseite erwartungsgemäß eine weitere Dynamik rein. So weit so gut und das alles war für den doch sehr überraschenden Börsentag die Gründe meiner Einschätzung nach. Somit konnte man gestern bei den bzw. mit den Chartmarken auch sehr gut traden und da alles nach oben lief konnte ja nichts schief gehen.
Im Prinzip ist man aber heute genau so schlau wie vor zwei Tagen. Das haben aber rein technisch begründete Kursanstiege immer so an sich. Wobei wie schon erwähnt, die deutschen Konjunkturdaten in dieser Woche waren klasse.
Von der Technik her hätte der DAX jetzt erstmal Luft bis 11.440 (Widerstandszone aus der Oktober-Aufwärtstrendlinie) bzw. sogar knapp bis unter die 11.500 (20-Tageslinie bei 11.494 Punkte). Auf der Unterseite sind natürlich die 11.167 (Tief im Mai) bzw. 11.193 (Tief vom März) jetzt schon mehr als signifikant. Sollten diese Widerstände wieder fallen, dann wird es wieder sehr ungemütlich werden.
Die ING Markets schreibt heute folgendes: "Wir meinen: Angesichts des Umstands, dass momentan jederzeit völlig unvorhersehbare Nachrichten alles auf den Kopf stellen können, herrscht eine außergewöhnlich geringe Planungssicherheit." Sehe ich aktuell genauso. Wobei ich aber durch diese ganzen politischen irrwitzigen "Spielchen" der letzten Tage rund um Griechenland und das ist für mich das Kernproblem für die Märkte, sei es bei den Anleihen wie auch bei den Aktien, eigentlich positiver sehe wie noch in der letzten Woche. Für mich sieht es so aus, dass Tsipras ganz bewusst nahe an den Abgrund geht um dann in Griechenland über die von der EU verlangten Reformen bei einer Volksabstimmung abstimmen zu lassen oder dass es in Griechenland zu Neuwahlen kommt. Jedenfalls wird Tsipras durch diese ganzen "Spielchen" in Griechenland fast als Held gesehen und als den Mann der für die Griechen das beste rausholen kann/wird. Dass der Großteil der Griechen unbedingt im Euroraum bleiben wollen ist ja bekannt. Sollte es zu einer Volksabstimmung bzw. zu Neuwahlen in Griechenland kommen, dann würde die EU mit ganz großer Wahrscheinlichkeit einer Zwischenlösung von sagen wir 3 bis 4 Monaten zustimmen inkl. den bis dahin benötigten Krediten. Das könnte man den EU-Einwohner gut verkaufen und den Griechen sowieso. Ist natürlich viel Spekulation drin, aber ich sehe das mittlerweile so.
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