Wachstum geht an vielen Telematik-Firmen vorbei
Comroad-Schock könnte die gesamte Branche treffen - Marktperspektiven aber intakt - Funkwerk gilt als Favorit
Aktionäre von Telematik-Unternehmen sitzen auf dem Schleudersitz Foto: DW Von Matthias Iken und Holger Zschäpitz
Berlin - An der Börse kann man sich auf nichts mehr verlassen - nicht einmal auf Aktien aus Wachstumsbranchen. Zuletzt litten auch Telematik-Aktien, obwohl das Feld der Kommunikationssysteme rund um den Verkehr aussichtsreich erscheint. Ob Routenplanung, Flottenmanagement, Diebstahlsicherung oder Notfallservice - Telematik macht die Ortung des Fahrzeug und die Datenübertragung ins Auto möglich. Experten zufolge soll der Sektor in den kommenden Jahren um durchschnittlich 30 Prozent wachsen. Dennoch sind die Unternehmen der Branche derzeit nicht die Stars. Nachdem CAA kürzlich gewarnt hatte, dass Umsatz und Ergebnis 2000 "mit hoher Wahrscheinlichkeit" wesentlich geringer ausfallen dürften als geplant, verlor die Aktie binnen Stunden über 70 Prozent an Wert. Auch Konkurrent GAP stürzte nach einer Gewinnwarnung ab und hat sich seit Oktober im Kurs gezehntelt. Der Kurseinbruch bei Comroad zeigt, dass sogar Unternehmen, die bislang ihre Prognosen stets eingehalten haben, plötzlich geopfert werden - wenn Zweifel an der Wachstumsgeschichte laut werden.
"Der Fall Comroad wirft Fragen auf, wie realistisch die ambitionierten Planungen der Branche überhaupt sind", sagt Axel Herlinghaus von der GZ-Bank. Dabei klingen die Wirtschaftsdaten viel versprechend: Im Jahr 2000 hatte jeder vierzehnte Neuwagen eine Telematik-System an Bord, im laufenden Jahr liegt der Anteil schon bei elf Prozent. Und in dieser Wachstumsgeschwindigkeit soll es weitergehen. So können an der Wertschöpfung viele Unternehmen teilhaben - neben den Geräten wird eine spezielle Software nötig, zudem lässt sich am Datentransfer und Serviceleistungen verdienen. Doch die meisten Gesellschaften beschränken sich bislang auf Teile der Wertschöpfungskette. "Gerade am Neuen Markt sind kleine Unternehmen notiert, denen mittelfristig vermutlich nur eine Nische im Telematik-Sektor bleibt", befürchtet Herlinghaus. "Zudem drängen globale Spieler in den Wachstumsmarkt." Die Allianzen von Motorola und BMW und Vodafone und Ford zeigen, wohin die Reise geht.
Bislang galt Comroad als Liebling der Experten - denn die Unterschleißheimer bieten neben Hard- und Software auch Serviceleistungen. Doch inzwischen sind Zweifel an den Planungen des Unternehmens laut geworden. "Derzeit ist fraglich, ob die Vertriebspartner wie geplant Comroad-Systeme verkaufen können. Wenn das nicht klappt, hat Comroad ein massives Problem", sagt Herlinghaus. Zudem kritisieren Analysten, dass die Firma noch keinen Vertrag mit einem Autohersteller abschließen konnte, um in den lukrativen Neuwagenbereich einzusteigen. Dennoch halten einige den Kursrutsch bei Comroad für überzogen. "Die Börse hat ein Endzeitszenario eingepreist. Immerhin hat Comroad für 2003 einen Gewinn pro Aktie von 2,66 Euro geplant", so ABN Amro. Gestern Nachmittag beendeten dann auch risikofreudige Investoren abrupt die Talfahrt bei Comroad und lösten eine Trendwende aus.
Herlinghaus warnt aber vor übereiltem Einstieg: "Derzeit drängt sich kein Unternehmen auf. Der Markt ist noch zu jung, um abzuschätzen, wer sich durchsetzen wird." Dennoch gibt es einige interessante Nischenspieler. Einer von ihnen ist Teleatlas. Die belgische Firma ist der weltweit größte Anbieter digitaler Landkarten und bietet damit zentrale Inhalte für Navigationssysteme. Auch Funkwerk, die Freisprechanlagen für Mobiltelefone, aber auch Systemlösungen zur Verkehrsüberwachung im Bahnverkehr liefern, wenden sich mehr und mehr der Telematik zu. "Das Unternehmen plant sehr konservativ", sagt Björn Kirchner von BNP Paribas. Die Auftragseingänge sind so gut, dass das Unternehmen erst kürzlich die Planzahlen angehoben hat. "Funkwerk verfügt über eine interessante Technologie und über wertvolle Kontakte zu den Autoherstellern", lobt auch Helringhaus. Aufgrund der hohen Bewertung stuft er den Titel aber nur auf Marketpeformer. Für GAP und CAA können sich nach den Verfehlungen der Planzahlen hingegen nur die wenigsten Analysten erwärmen.
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