Warren Buffett stöhnt über ein Problem, um das ihn viele beneiden: Er hat zu viel Geld. Der US-Milliardär sitzt mit seiner Holding Berkshire Hathaway auf einem Sack voll Barem, mit dem er sogar die Deutsche Bank kaufen könnte. Buffett ist mit seinem gigantischen Reichtum ein Ausnahmefall. Aber andere Unternehmer haben ähnliche Probleme.
Die Münchener Rück zum Beispiel hat angekündigt, rund acht Milliarden Euro durch Dividenden und Aktienrückkäufe an ihre Aktionäre fließen zu lassen. Konzernchef Nikolaus von Bomhard fühlt sich nicht wohl mit zu viel Geld in der Kasse. Dabei hat der Rückversicherer noch vor wenigen Jahren darum gerungen, seine Kapitalausstattung zu verbessern. Jahrelang haben Analysten dem Münchener Konzern sogar geraten, seine Düsseldorfer Tochter Ergo, unter deren Dach Versicherer wie Victoria und Hamburg-Mannheimer versammelt sind, zu verkaufen. Heute ist keine Rede mehr davon. Wo sollte von Bomhard mit den Milliarden hin, die er durch einen Verkauf von Ergo erlösen würde?
Auch die Deutsche Bank hat gerade wieder ein Aktienrückkaufprogramm angekündigt. Geldsorgen der anderen Art plagen zudem die Deutsche Börse in Frankfurt. Sie hat jetzt eine Übernahme in den USA angekündigt – auch, um ihren Überhang an Cash sinnvoll zu verwerten. Aber auch bei Industrieunternehmen gibt es Beispiele: Der Autozulieferer Conti muss nach extrem erfolgreichen Jahren überlegen, wie er seinen Cash anlegt – am liebsten wäre ihm die Übernahme der Siemenstochter VDO, wofür die Chancen aber schwinden.
Es ist kein Scherz, einen Überhang an Geld in der Konzernkasse als „Problem“ zu bezeichnen. Angelsächsisch geschulte Aktienanalysten achten sehr genau darauf, dass Kapital in Unternehmen sinnvoll genutzt wird. Tatsächlich schlägt ein zu großes Kapital auch unangenehm auf die Kennziffern durch: Ein guter Gewinn ergibt, gemessen an einem zu großen Eigenkapital, eine nur noch eine mittelmäßige Eigenkapitalrendite.
Die Kritik der Analysten ist aber nur der eine Punkt. Noch schwerer wiegt die Sorge, schlagkräftige Großinvestoren anzulocken. Tatsächlich hat ja „Private Equity“ nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für viele Manager einen bedrohlichen Klang. Immer wieder haben die milliardenschweren Beteiligungsfonds – die sich kaum des Zuflusses von Investorengeld erwehren können – betont, dass die Übernahme eines Dax-Konzerns kein Problem wäre.
<!--nodist-->Lesen Sie weiter auf Seite 2: Nach dem Rauch kommt der Kater
<!--/nodist-->Bei Conti haben sie schon einmal an die Tür geklopft. Bei der Telekom haben sie sich vorläufig mit einem kleinen Paket begnügt, und bei vielen anderen Konzernen tauchen die „Heuschrecken“ zumindest gerüchteweise immer wieder als mögliche Übernehmer auf. Ihre Logik ist recht simpel: Wenn sie einen Konzern mit hoher Cashquote übernehmen, können sie das Geld herausziehen, so dass sich die Übernahme im Endeffekt sehr schnell selbst finanziert.
Die Ursachen für den Geldüberhang sind schnell aufgezählt: die robuste Konjunktur mit ausgesprochen brummenden Exportmärkten, die Lohnzurückhaltung und die Rationalisierung der Unternehmen in Deutschland, bei den Finanzkonzernen spült zusätzlich die gut laufende Börse Geld in die Kasse. Was tun damit?
Unternehmen haben mehrere Wege, den Überfluss an Geld zu bekämpfen. Sie könnten die Preise senken und damit in Wachstum investieren. Das funktioniert aber nur selten. Viele deutsche Unternehmen arbeiten in spezialisierten Marktnischen, die sich durch Preissenkungen nicht einfach verbreitern lassen – da würde nur Geld verschenkt.
Eine weitere Möglichkeit: Unternehmen investieren in Personal. Hoch qualifizierte Leute abzuwerben kann eine Zukunftinvestition sein. Aber viele Unternehmer haben Angst, dass sie die Arbeitkosten nicht wieder drücken können, wenn es schlechter läuft. Eine logische Variante wäre auch, in neue Geschäftsfelder zu investieren. Doch auch hier sind Fragezeichen angebracht. Zwar sind Analysten nicht mehr so stark wie vor ein paar Jahren darauf fixiert, dass Unternehmen sich auf ein möglichst enges „Kerngeschäft“ fokussieren sollen. Aber zu viele Geschäftsfelder unter einem Dach bergen doch die Gefahr, den Überblick zu verlieren.
So bleibt am Ende die Alternative: Übernahmen oder Geld ausschütten. Nicht zufällig lebt die Börse zurzeit vor allem von geplanten oder vermuteten Fusionen. Doch nach dem Rauch kommt der Kater: Wenn die Börse wieder abkühlt, stellt man häufig fest, zu viel gezahlt zu haben. Es sollten Strategie und Rendite, nicht die Last der hohen Cash-Quote, für die Fusion sprechen. So ist vielleicht der beste Schritt, das Geld den Aktionären zu geben. Wenn das durch Aktienrückkäufe passiert, erhöht sich der Gewinn je Aktie: Das sieht gut aus.