So sicher ist Ihr Tagesgeld in der Euro-Krise http://www.welt.de/finanzen/article13701041/...in-der-Euro-Krise.html
Überraschend hat die Europäische Zentralbank den Leitzins gesenkt. Die Aktion wirkt sich auch auf Geldanlagen der deutschen Sparer aus.
Manch einem Zinsfreund mag der Schrecken in die Glieder gefahren sein: Die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem neuen Präsidenten Mario Draghi hat zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren den Leitzins heruntergesetzt – von 1,5 Prozent auf 1,25 Prozent. Als wären die ständigen Krisennachrichten und das Auf und Ab an den Börsen nicht genug, müssen sich verunsicherte Verbraucher nun auch noch Fragen nach der Zukunft von Tagesgeld, Festgeld und Baugeld stellen.
In den vergangenen Monaten konnten sich die Inhaber von Tagesgeldkonten nicht beschweren. Schritt für Schritt kletterten die Zinsen nach oben. Banken, die weit oben in den Tagesgeld-Ranglisten stehen wollen, müssen derzeit 2,7 Prozent bieten. Vor einem halben Jahr reichten schon 2,3 Prozent, um neue Kunden anzulocken. Auch im Mittelfeld gab es Bewegung. Der Tagesgeldindex des Datenanbieters Biallo stieg seit Mai immerhin von 1,1 Prozent auf 1,3 Prozent – der Index gibt den Durchschnittszins von 124 Angeboten wieder.
Für eine Prognose der weiteren Zinsrichtung sind die Gründe für den jüngsten Anstieg wichtig. Den Aufschwung verdanken Sparer ausgerechnet den Turbulenzen rund um die Schulden von Griechenland, Italien und Spanien.
Banken sind auf Sparer angewiesen
Denn wenn sich Kreditinstitute nicht mehr gegenseitig trauen und kein Geld mehr leihen, weil der Mitbewerber auf hohen Beständen riskanter Staatsanleihen sitzen könnte, müssen sie sich von anderer Stelle Geld für das tägliche Bankgeschäft besorgen. Da kommen Sparer mit ihren Einlagen gerade recht. „Banken, die in den vergangenen Wochen auf diese Refinanzierungsquelle angewiesen waren, werden auch jetzt nicht darauf verzichten wollen“, sagt Tagesgeldspezialist Max Herbst von FMH Finanzberatung.
Er kann sich nicht vorstellen, dass Draghis Zinscoup angesichts der aktuellen Marktverwerfungen nun zu geringeren Zinsen beim Tagesgeld führt. Allerdings sollte auch kein Sparer damit rechnen, dass sich die Banken beim Zins in den nächsten Wochen weiter gegenseitig nach oben schaukeln. Dafür haben sie seit Donnerstag weniger Spielraum.
Anders stehen die Vorzeichen beim Festgeld. „Hier wird es Senkungen geben“, so Herbst. Zumindest sei in der Vergangenheit die Zinskurve beim Festgeld viel ähnlicher der Leitzins-Treppe der Notenbank gewesen – wenn der Leitzins anzog, stieg schnell auch das Festgeld und umgekehrt. Hier verpflichten sich die Banken schließlich für viele Monate und Jahre zu einem Zins.
So könnte bei Festgeld gerade für lange Zeit der höchste Punkt erreicht sein. Zumal viele Experten davon ausgehen, dass Draghi und die EZB in diesem Jahr oder Anfang des nächsten noch einmal aktiv werden. Ein Leitzins von 1,0 Prozent wird angesichts des drohenden Absturzes der Konjunktur im Euro-Raum längst nicht mehr ausgeschlossen.
Galt lange Zeit Tagesgeld als die bessere Wahl, weil Anleger damit bei steigenden Marktzinsen flexibler waren, stellt sich die Sache seit dieser Woche anders dar: Festgeld hat mit einem Schlag deutlich an Attraktivität gewonnen. Wenn Tagesgeldzinsen nicht mehr steigen, Festgeldzinsen aber tendenziell sinken, gilt es zu handeln. Sparer sollten darüber nachdenken, ob sie sich nicht noch bis zu 3,8 Prozent für die nächsten drei Jahre sichern. Das gilt vor allem für all jene, die davon ausgehen, dass die Schuldenkrise 2012 anhält.
Festgeldangebote gleichen Inflationsrate aus
Hinzu kommt ein häufig übersehener Punkt: Mit vielen Festgeldangeboten ist es möglich, die Inflationsrate von aktuell 2,5 Prozent in Deutschland auszugleichen. Auf den meisten Tagesgeldkonten ist dagegen eine Geldentwertung garantiert – zumal nach Abzug der Steuern.
Die Vorbehalte gegenüber Festgeld sind dennoch weit verbreitet. Denn Sparer kommen anders als bei Tagesgeld nicht jederzeit an ihr Erspartes heran. Einige Institute versuchen diesem unguten Gefühl der Anleger nun mit Kombi-Angeboten zu begegnen. So bietet die österreichische VTB Direktbank für eine dreijährige Festgeldanlage derzeit 3,8 Prozent – wobei der Kunde an 20 Prozent des Geldes jederzeit heran kann, ganz wie bei einem Tagesgeldkonto.
Bei der NIBC Direct gibt es bei der Kombi-Lösung 3,4 Prozent Zinsen, dafür sind sogar bis zu 50 Prozent frei verfügbar. Kritiker wenden ein, dass es bei der NIBC Direct ohne diese Ausstiegsmöglichkeit statt 3,4 sogar 3,8 Prozent gibt und viele ihr Geld während der Laufzeit ohnehin nicht anrühren. Sparer sollten sich also überlegen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie während der Laufzeit tatsächlich an das Geld müssen – oder ihnen allein das Gefühl der größeren Freiheit einen Zinsabschlag wert ist.
Wichtig ist bei der Wahl des Anbieters, ganz gleich ob Tages- oder Festgeld, die Frage der Sicherheit. Wenn Banken sich gegenseitig nicht mehr trauen, sollte sich auch ein Sparer Gedanken machen. Gerade bei den nicht so geläufigen Namen in den Ranglisten lohnt ein zweiter Blick. Schon bei der Einlagensicherung gibt es Unterschiede je nach Herkunftsland der Bank.
Sicherungsgrenze von 100.000 Euro gilt
Grundsätzlich gilt für alle Institute aus der Europäischen Union eine gesetzliche Sicherungsgrenze von 100.000 Euro. Bei der britischen Bank of Scotland sind die ersten 85.000 Pfund, umgerechnet 99.000 Euro, über die britische Einlagensicherung geschützt, darüber hinaus springt in diesem Fall bis zu 250.000 Euro der freiwillige Einlagensicherungsfonds der privaten Banken in Deutschland ein. Die meisten deutschen Institute sind ohnehin Mitglied dieser Einrichtung. Wie hoch die über den gesetzlichen Rahmen hinausgehende Absicherung ist, können Anleger auf der Seite des Bankenverbandes abfragen.
Bleibt die Frage nach dem Einfluss der Leitzinssenkung auf das Baugeld. „Der EZB-Zins hat hier nur eine sehr geringe Auswirkung“, sagt Katharina Herrmann, Vorstand der Direktbank ING Diba.
Für die Zinsentwicklung der Baufinanzierung sei der langfristige Kapitalmarktzins mit einer Laufzeit von rund zehn Jahren wichtiger. So sank der Preis für zehnjähriges Baugeld bereits seit Mai wieder bis nahe an die Drei-Prozent-Marke heran, weil die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe wegen hoher Nachfrage verunsicherter Investoren bereits deutlich zurückkam. Dass Hausbesitzer noch einmal viel günstigere Finanzierungsbedingungen erhalten, ist trotz EZB-Schritt vorläufig nicht zu erwarten.
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