"Der Konsens" erwartet in der 2. Jahreshälfte 2007 ein Anziehen der US-Konjunktur, die dann verspätet zur Weltkonjunktur aufschließen soll (Prognosen können natürlich fehlerhaft sein). Grund für die Verspätung ist die Housing-Krise, die das US-Wachstum zurzeit (noch) dämpft.
Der US-Anleihemarkt - Bonds fallen dort seit einigen Wochen - preist die Zinssenkungsfantasie, die sich im Gefolge der Housing-Krise ergeben hatte (entgegen den ausdrücklichen Bekundungen der Fed) - jedoch immer weiter aus. Wenn die US-Wirtschaft sich fangen sollte, werden in USA sogar Zinserhöhungen wahrscheinlich. Die Bank of England hat es kürzlich mit einer Überraschungserhöhung auf 5,5 % vorgemacht - ebenfalls wegen zu hoher Inflation. Wenn die Zentralbanken weltweit die Liquidität einengen, können es sich die USA nicht leisten, sich dauerhaft auf Grund interner Probleme (Housing) dem globlen Zinstrend zu entziehen (siehe auch einen Artikel dazu in meinem Dollar-long Thread).
Bei EUR/USD werde ich zudem den Verdacht nicht los, dass alles zwei- oder dreifach eingespreist wird. Der Dollar fiel (in der Vergangenheit), weil die Zentralbanken diversifiziert hatten (Vergangenheit) und weil die Defizite drückten (das US-Haushaltsdefizit SCHRUMPFT übrigens seit gut einem Jahr). Hört man sich die Argumente der Leute an, die einen weiteren Kursansteig beim Euro sehen (Kursziele von 1,40 und darüber), scheinen Argumente aus der Vergangenheit bruchlos in die Zukunft projiziert zu werden, obwohl sich z. B. allein wegen des nun deutlich billigeren Dollars völlig andere Parameter ergeben haben.
Die Geldmenge M3 wächst natürlich nicht nur in Europa, sondern erst recht in USA. Der Anstieg ist derart "peinlich", dass M3 in USA nun schon gar nicht mehr publiziert wird. Dass dies auch in USA inflationäre Tendenzen hat, dürfte unbestritten sein. Folglich steht auch die Fed unter Druck, die Zinsen zu erhöhen - und zwar nicht minder als die EZB.
Ich rechne daher in USA mit gleichbleibenden bis leicht steigenden Zinsen. Wenn die US-Wirtschaft in der 2. J-Hälfte wachsen sollte, kann es sich die Fed auch "leisten", die überfälligen Zinserhöhungen wegen der überhöhten Inflation durchzuziehen, die zurzeit allein aus Rücksicht auf den schwächelnden Housing-Markt unterbleiben. Das Totschlag-Argument, die sinkende Zins-Differenz zwischen Euro und Dollar werde den Euro weiter aufwerten lassen, greift daher IMHO nicht.
Für die Europäer kommt als weiteres Problem hinzu, dass der Euro weltweit (fast) allein die Ungleichgewichte trägt. Zum Yen hat sich der Dollar in den letzten fünf Jahren kaum bewegt (2001: 120, jetzt ebenfalls). Der Euro hingegen stieg zum Yen in den letzten 5 Jahren um 60 % (ebenso wie der Euro zum Dollar). Dies bringt z. B. deutschen und europäischen Maschinenbauern, die nach Japan oder in den Dollar-Raum exportieren (zum den wegen des noch fixen Yuan auch China zählt!), bereits jetzt nennenswerte Probleme. Sollte die EZB dies wegen der Inflationsgefahren und der wachsenden Geldmenge M3 ignorieren, droht die Euro-Kursstärke das Wachstum in der EU auszubremsen. Dann könnte es hier zu Lande mit der "robusten Konjunktur" auch bald wieder vorbei sein (ja, ich weiß, in der EU läuft ein Großteil des Handels zwischen den Mitgliedsstaaten, aber die Export-Komponente in den Dollar-/Yen-/Yuan-Raum drückt bei weiterer Euro-Stärke dennoch).
Wenn long-Euro nicht aufgeht, wird übrigens voraussichtlich auch long-Gold nicht laufen. Falls long-Euro wider Erwarten doch aufgeht, läuft long-DAX nicht, weil der starke Euro dann auf die EU-Konjunktur drückt.
Markttechnisch spricht auch die extrem starke Long-Positionierung der large specs (Hedgefonds) via Futures gegen Euro-long. Da könnte ein ähnlicher Short-Squeeze entstehen wie bei den DOW/SP-500-Shortern seit letzten Herbst.
Meine Position: Ich bleibe long Dollar (in Cash, Kursziel 1,30), was zurzeit bei Kurzfrist-Anlagen immer noch 1,5 % Zinsvorteil bringt (ab 6.6. nach der EZB-Erhöhung noch 1,25 %). Bei 1,30 reduziere ich die Dollar-Position um 50 %, sie bleibt danach eine Halteposition zur Diversifizierung.
CHART des TLT (Tracking stock von US-Staatsanleihen mit Laufzeiten von 20 Jahren und länger). Kürzlich ist eine Langzeitunterstützung gefallen, die etwa bei der Zinsmarke von 5 % liegt. Fallen die Bonds weiter, steigt ihre Rendite über 5 %. Auch dies stärkt den Dollar.
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