Konzernumsatz soll 2007 stärker als der Markt zulegen / SAP besteht auf Strategie des organischen Wachstums
Der weltweit größte Anbieter von Unternehmenssoftware, SAP, bestätigt die Markteinführung der neuen Mittelstandssoftware im zweiten Quartal 2007. "Die ersten relevanten Umsätze werden dann 2008 kommen. 2009 und 2010 wird der Absatz massiv steigen", sagte SAP-Vertriebsvorstand Léo Apotheker, 53, im Interview mit dem Wirtschaftsmagazin €uro, Ausgabe 5/2007, die am 18. April erscheint. SAP plane, bis 2010 den Anteil des Auftragseingangs aus dem Mittelstand von derzeit 30 Prozent auf dann 40 bis 45 Prozent zu steigern. Der Walldorfer Softwarekonzern definiert Firmen mit höchstens 2500 Mitarbeitern und bis zu einer Milliarde Euro Umsatz als Mittelstandskunden.
Für 2007 erwartet Apotheker einen stark wachsenden Konzernumsatz! : "Analysen zufolge wächst der Gesamtmarkt für betriebswirtschaftliche Software weltweit um rund vier Prozent jährlich, das Mittelstandssegment um etwa acht Prozent. SAP liegt mit ihrer Umsatzprognose für 2007 deutlich darüber. Das Mittelstandssegment soll noch mal überproportional zulegen."
Nach der Akquisitionsstrategie des US-Rivalen Oracle befragt, zeigte sich Apotheker unbeeindruckt: "Es weiß doch jeder, dass zwei Drittel der Fusionen und Zukäufe nicht die erhofften Ergebnisse bringen. Oracle kauft Konkurrenten auf und hofft, dadurch wenigstens kleine Wachstumsschübe zu bekommen. Das ist nicht besonders innovativ. Ich glaube, Oracle wird langsam aber sicher eine Softwarewartungsfirma."
Obwohl die SAP-Aktie seit Monaten an Wert verliert, während die von Oracle steigt, will SAP weitermachen wie bisher. Apotheker: "Seit einiger Zeit bewerten die Aktienmärkte Akqu! isitionen höher als Investitionen ins eigene Unternehmen. Ich gla ube, das ist ein Irrtum. Wir werden uns nicht von ungeduldigen Marktteilnehmern nervös machen lassen, sondern weiter auf die erfolgreiche Strategie des organischen Wachstums setzen."
SAP veröffentlicht am 20. April die vorläufigen Zahlen für das erste Quartal 2007.
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"Wir lassen uns nicht nervös machen"
Léo Apotheker, 53, Vertriebsvorstand und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des weltweit viertgrößten Softwarekonzerns SAP, über Wachstumschancen im Mittelstand, den Erzrivalen Oracle und die Kursverluste der SAP-Aktie.
€uro: Herr Apotheker, kürzlich hat Produktvorstand Shai Agassi SAP verlassen und Sie sind stellvertretender Vorstands-Chef geworden. Wie wirkt sich das aus? Immerhin steht SAP derzeit ohne Produktvorstand da.
Léo Apotheker: Sie ! müssen bedenken, dass Shai im Bereich Entwicklung und Technologie zwar der sichtbarste Visionär war, aber auf keinen Fall der einzige. Wir haben viele Führungskräfte, die zu unserer technologischen Führung beitragen. Der Vertrieb bleibt in meiner Verantwortung.
€uro: SAP wird in diesem Quartal eine neue Software für Mittelstandskunden auf den Markt bringen, um das Wachstum zu beschleunigen. Was ist das Neue daran?
Apotheker: Das Produkt wird standardisierter, weniger komplex und wesentlich leichter benutzbar sein. Auch der Vertrieb wird neu organisiert. Bislang haben wir unsere Software nur über eigene oder externe Vertriebsleute verkauft. Für die neue Software werden wir auch das Internet als Vertriebskanal nutzen. Das wird dann so ähnlich wie beim US-Konzern Apple, der Musik in seinem i-Tunes-Store verkauft. SAP-Kunden und Firmen, die es werden wollen, werden die vorko! nfigurierte Software im Internet ausprobieren, herunterladen und sofor t nutzen können.
€uro: Aber vielen Mittelständlern ist der persönliche Kontakt zu Geschäftspartnern immer noch lieber.
Apotheker: Kunden, die Unterstützung von SAP-Spezialisten möchten, können diese wie bisher vor Ort oder per Telefon bekommen. Über einen Zeitraum von zwei Jahren investieren wir 300 bis 400 Millionen Euro in Vertrieb und Service für das neue Produkt.
€uro: Viele Experten glauben, dass SAP-Software zu kompliziert für den Internetvertrieb sei. Wie ist Ihr Plan, sollten die Skeptiker Recht behalten?
Apotheker: Ich weiß nicht, welche Software die von Ihnen zitierten Experten als Maßstab nehmen. Unser neues Produkt wird natürlich so konzipiert sein, dass es sich für den Internetvertrieb eignet. SAP schreibt seinen Kunden aber nicht vor, auf welchem Weg sie ihre Software kau! fen sollen. Wer das neue Produkt nicht per Internet kaufen will, kann das auch über SAP direkt oder unsere externen Partner machen.
€uro: Wann erwarten Sie erste Umsätze mit dem neuen Produkt? Apotheker: Im Jahr 2008 werden die ersten relevanten Umsätze kommen. 2009 und 2010 wird der Absatz massiv steigen. Um Missverständnisse zu vermeiden: Von den aktuell weltweit 40 000 SAP-Kunden sind bereits heute 27000 Mittelständler, also nach unserer Definition Firmen mit höchstens 2500 Mitarbeitern und bis zu einer Milliarde Euro Umsatz. Diese steuern heute schon 30 Prozent zum Softwareumsatz bei. Sowohl bei Mittelständlern als auch bei Großkonzernen sind wir Marktführer – und zwar in allen Regionen der Welt. Mit der neuen Software wollen wir unsere Führung im Mittelstand lediglich ausbauen.
€uro: Bis 2010 möchte SAP die Zahl seiner Kunden auf 100 000 me! hr als verdoppeln. Davon sollen 80 000 Mittelständler sein. Wie v iel Prozent werden diese dann zum Konzernumsatz beisteuern?
Apotheker: Wir planen, bis 2010 rund 40-45 Prozent unseres Auftragseingangs aus dem Mittelstand zu generieren. Das Gros unseres Wachstums wird künftig da herkommen, weil die meisten Großkonzerne dieser Welt bereits unsere Kunden sind. Bei denen wollen wir allerdings durch neue Anwendungen die Nutzerzahlen massiv erhöhen.
€uro: Mit der neuen Mittelstandssoftware will SAP schneller als der Wettbewerb wachsen. Was heißt das konkret?
Apotheker: Analysen zufolge wächst der Gesamtmarkt für betriebswirtschaftliche Software weltweit um rund vier Prozent jährlich, das Mittelstandssegment um etwa acht Prozent. Die SAP liegt mit ihrer Umsatzprognose für 2007 deutlich über diesem Wachstum. Das Mittelstandssegment soll noch mal überproportional zulegen.
€uro! : In Deutschland ist SAP bei Mittelständlern mit über 100 Mitarbeitern Marktführer. Im unteren Segment, bei Firmen mit 50 bis 100 Mitarbeitern, liegen Sie hinter dem britischen Wettbewerber Sage und dem US-Konzern Microsoft. Wie wollen Sie die einholen?
Apotheker: Wir sind seit mehr als drei Jahrzehnten im Geschäft und konnten betriebswirtschaftliche Konzepte verschiedenster Branchen in unsere Software einarbeiten. Das ist ein wichtiger Teil der Innovationen, die Kunden verlangen: betriebswirtschaftliche, nicht nur technologische Innovation. Diese Innovationskraft und unser immer größer werdendes externes Partnernetz sind eine langfristig unschlagbare Kombination.
€uro: Marktbeobachter meinen, SAP führe im unteren Mittelstandssegment Scheingefechte. Angeblich wollen Sie Sage und Microsoft dort ordentlich beschäftigen, um diese im Wettbewerb um lukrativere größer! e Kunden zu schwächen. Was ist dran an dem Gerücht?
p> Apotheker: Gar nichts. Wir nehmen das Segment der kleineren Firmen ernst. Unser Produkt für diese Zielgruppe verkauft sich gut und bringt schöne Zuwachsraten, die wir auch künftig sehen wollen. Ich will jetzt nicht diskutieren, ob wir hier die Größten werden wollen oder nicht. Fakt ist, wir wollen auch bei kleinen Mittelständlern wachsen.
€uro: Hier zu Lande buhlen außer SAP, Sage und Microsoft auch weitere rund 350 Wettbewerber um Käufer für Unternehmenssoftware. Wie wird sich der Markt entwickeln?
Apotheker: Die Zahl der Anbieter wird nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit abnehmen. Zudem werden immer mehr kleinere Anbieter ihre Software auf den Plattformen weniger großer wie SAP aufbauen, weil es für die Kleinen immer schwerer wird, teure Innovationen in Unternehmens- und Ländergrenzen überschreitende Software zu fina! nzieren.
€uro: Ihr langjähriger Vertriebs- und Entwicklungspartner IDS Scheer vertreibt seit kurzem auch Produkte Ihres amerikanischen Erzrivalen Oracle. Ärgert Sie das?
Apotheker: Nein. Das ist doch deren gutes Recht. Wir haben auch Partner angeworben, die neben SAP- auch Oracle- oder Microsoft-Partner sind. Wenn einer unserer Partner meint, auch ein bisschen Oracle oder Microsoft verkaufen zu wollen: Kein Problem. Es gibt auch Autohändler, die mehrere Marken anbieten.
€uro: Oracle hat seit 2004 fast 30 Firmen für 22 Milliarden US-Dollar zugekauft – vor allem um in SAP-Märkten zu wildern. Dagegen will SAP weitgehend ohne Zukäufe wachsen. Warum glauben Sie, so Ihre Marktführerschaft verteidigen zu können?
Apotheker: Softwareentwickler leben langfristig vor allem von Innovationen. Ein Beispiel für die Dy! namik: Unser Softwareumsatz im Jahr 2006 bestand etwa zur Hälfte aus Anwendungen, die es 2000 noch gar nicht gab. Vor zehn Jahren war auch die Globalisierung kein Thema. Heute ist sie Normalität. Die Geschäftsbedingungen von Unternehmen ändern sich derart rasant, dass Unternehmenssoftware-Anbieter, die nicht permanent innovieren, irgendwann nur noch Softwarewartungsfirmen sind. Und ich glaube, bei allem Respekt, Oracle wird langsam aber sicher eine Wartungsfirma. Oracle kauft Konkurrenten auf und hofft, dadurch wenigstens kleine Wachstumsschübe zu bekommen. Das ist nicht besonders innovativ.
€uro: Oracle behauptet, SAP im wichtigen US-Markt Anteile abzunehmen. SAP behauptet das Gegenteil. Wem können Investoren da glauben?
Apotheker: Schauen Sie sich doch die Fakten an. Zum Beispiel erwirtschaftete SAP im Jahr 2006 zweieinhalb Mal mehr Umsatz mit Unternehmenssoftware als Oracle. Unser Vorsprung vergrößert sich seit Jahren – trotz deren Akq! uisitionen. Allein seit Ende 2005 haben wir weltweit mehr als 500 Kunden gewonnen, die vorher bei Oracle waren. Studien zeigen zudem, dass SAP-Kunden im Durchschnitt profitabler als Oracle-Kunden sind. SAP bringt Mehrwert! Und wenn wir wie Oracle ständig Wettbewerber aufkaufen würden, würde uns deren Integration derart von der Produktentwicklung ablenken, dass das unsere Kunden Mehrwert kosten statt bringen würde.
€uro: Dennoch haben die Aktien von Oracle seit Ende 2005 per saldo ein Drittel an Wert gewonnen, während die von SAP rund zehn Prozent verloren haben. Werden Sie von den Investoren missverstanden?
Apotheker: Seit einiger Zeit bewerten die Aktienmärkte Akquisitionen höher als Investitionen ins eigene Unternehmen. Ich glaube, das ist ein Irrtum. Es weiß doch jeder, dass zwei Drittel der Fusionen und Zukäufe am Ende des Tages nicht die erhofften Ergebnisse bringe! n. SAP beweist seit 35 Jahren, dass es durch Investitionen in sich sel bst hohe Margen erzielen und Marktanteile gewinnen kann. Sobald der Markt erkennt, dass wir das auch weiterhin schaffen, wird die Aktie wieder steigen.
€uro: Angenommen, die Aktie verliert weiter an Wert. Beugt sich der SAP-Vorstand irgendwann dem Druck der Finanzmärkte und ändert seine Strategie?
Apotheker: Seien Sie versichert, dass wir uns nicht von ungeduldigen Marktteilnehmern nervös machen lassen, sondern weiter auf die erfolgreiche Strategie des organischen Wachstums setzen.
€uro: Herr Apotheker, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte €uro-Redakteur Mario Müller-Dofel. Gruß Moya
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