verzeihen!"
Mai 2002:Der Populist auf Stimmenfang
In der von den Medien so bezeichneten Antisemitismus-Debatte kam im Mai 2002 Möllemanns Vorwurf an Friedman, kaum jemand verschaffe den Antisemiten mehr Zulauf, als Israels Premier Ariel Scharon und in Deutschland Michel Friedman "mit seiner intoleranten und gehässigen Art". Aufgenommen wird damit ein uraltes antisemitisches Klischee, das da lautet, "die Juden" seien selbst schuld am Judenhass. Laut ZDF-Politbarometer schlossen sich 28 Prozent der befragten Wählerinnen und Wähler dieser Position an. Der "aggressiv-arrogante" Ton, den Möllemann bei Friedman ausmacht, knüpft an das antisemitisch tradierte Bild vom angeblich "frechen Juden" an. Was erdreistet sich Friedman, so lautet der ungeheuerliche Subtext, seine eigene Meinung in Deutschland selbstbewusst zu vertreten?
Möllemann ist der erste etablierte Politiker, der zumindest aus Machtkalkül offensiv antisemitische Klischees bedient - nicht als bekennender Judenhasser, sondern indem er, wie in seinem Flyer vermerkt, "beharrlich" für eine "Friedenslösung" im Nahen Osten eintritt. Bei dem vorgeblichen Bemühen um den Frieden im Nahen Osten geht es Möllemann in Wahrheit darum, Israel als Staat der Juden anzugreifen. Tragendes Ziel ist es, eine zumindest latent verhandene Stimmung aufzugreifen und daraus Kredit etwa bei Wahlen zu schlagen. Viele Deutsche machen begeistert mit.
Der Flyer
Das selbst ernannte Opfer der beiden Juden, Möllemann, dessen Konterfei gleichsam über den beiden schwebt, stilisiert sich in dem Faltblatt selbst zum Friedensengel. Darauf hat die Welt gewartet!
Was eigentlich hat Friedman mit Israel zu tun? Friedman ist deutscher Staatsbürger. Warum also sollte ein gegen ihn gerichtetes Flugblatt "antiisraelisch" sein? Wieso schrecken die Medien überwiegend davor zurück, Möllemanns Agieren als antisemitisch zu bezeichnen? Welche Wirkungen hat der vorgebliche "Tabubruch" von Möllemann? "Man muss doch mal sagen dürfen, dass ..." fingen im Sommer nicht nur viele Sätze von Möllemann selbst sondern auch von FDP-Chef Guido Westerwelle an, die von vielen Bürgern offensichtlich erleichtert aufgegriffen wurden. Dahinter steht - 60 Jahre nach Auschwitz - der Wunsch, die historische Verantwortung abzuhaken. Deutschland total normal: Auch Deutsche müssten das Recht haben, die israelische Regierung zu kritisieren, heißt es. Was folgt, ist dann zumeist eine undifferenzierte Kritik an Israel wegen des Konflikts mit den Palästinensern. Israel erscheint als Aggressor und Punkt. Wer hat jemals Kritik an Israel verboten? Das Bundesverfassungsgericht, die Medien oder gar der Zentralrat der Juden in Deutschland? Quatsch. In einer Stellungnahme vom 22. Mai 2002 unterstrich der Zentralrats-Präsident Paul Spiegel: "Kritik an der Politik der israelischen Regierung ist kein Sakrileg, wenn aber sachliche Argumente durch antisemitische Klischees ersetzt werden, dann ist die Grenze zum Antisemitismus überschritten." Genau dies hat Möllemann bewusst getan, in angeblichen "Tabubrüchen" inszeniert - mit seinem Flugblatt, aber auch vor- und nachher.
"Mal-sagen-dürfen"-Möllemann lehnt sich gegen ein Verbot auf, das es gar nicht gibt und öffnet damit vielen ein Ventil, endlich mal so richtig gegen Israel vom Leder zu ziehen. Schwer zu glauben, dass bei diesem Sich-Luft-Machen nicht in Wirklichkeit Jüdinnen und Juden gemeint sind. Ein Indiz dafür mag sein, dass sich Möllemann mit Friedman als Repräsentanten für die Juden und Jüdinnen in Deutschland einen streitbaren und umstrittenen Politiker und Fernsehmoderator ausgesucht hat. "Wer sich mit ihm im Fernsehen anlegt, wird zum Antisemiten erklärt", donnerte Möllemann. Da war doch was - gerade die angebliche jüdische Medienmacht wird seit jeher von Antisemiten als Eckpfeiler einer "zionistischen Weltverschwörung" ausgemacht. Geschmeidig gleiten viele Deutsche von ihrem Volksversteher derart angespornt zum nächsten Satz: "Ich habe nichts gegen Juden, aber...".
Möllemann inszeniert einen angeblichen "Tabubruch", um diese Haltung in Wählerstimmen umzumünzen - eine Methode, die von allen Rechtspopulisten in der EU von Haider in Österreich bis Le Pen in Frankreich erprobt wurde. Er ernennt sich selbst zum "Sprachrohr des Volkes". Während der Affäre um Jamal Karsli verwies Möllemann ein ums andere Mal darauf, wie viel Zustimmung er für seinen Kurs auf der Homepage bekommen habe. Tatsächlich fand sich auf der inzwischen deaktivierten Homepage des Politikers antisemitische Hetze in Reinkultur. Kein Grund für Möllemann, sich nicht dennoch mit Stolz auf die große Unterstützung zu berufen, die von diesem Morast ausging.
Er geriert sich als unbeugsamer Oppositioneller, der dem angeblichen Mainstream widersteht und auch unliebsame Wahrheiten offen ausspricht. Bei seinen vielen persönlichen Begegnungen "mit Menschen aus dem ganzen Volk in ganz Deutschland" erhalte er viel Zuspruch zu seiner Haltung. Schon warnt er die "politische Klasse", die "Kluft zwischen sich und den Menschen in ihrem Volk immer größer" werden zu lassen. Möllemann baut einen Gegensatz auf, zwischen den "Menschen im ganzen Volk", als dessen Sprecher er sich gebärdet, und den deutschen Jüdinnen und Juden, für die Friedman als Zentralrats-Vizepräsident steht.
Damit knüpft er nahtlos an die Unterscheidung in Arier und Nicht-Arier an.
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