Obermann kündigt Mitarbeitern harte Zeiten an Seit Anfang des Jahres hat die Deutsche Telekom 1,5 Millionen Kunden verloren. Nach dem Führungswechsel in Europas größtem Telefonkonzern will René Obermann als neuer Chef jetzt einen harten Sparkurs fahren. Es könnten noch mehr Jobs entfallen als bisher geplant.
Bonn - Als neuer Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom will Obermann vor allem den Kundenschwund stoppen. Die Kunden seien die Basis des Erfolgs, sagte der 43-Jährige. Nachdem sich seit Jahresbeginn 1,5 Millionen Kunden von der Telekom verabschiedet haben, mussste der Konzern die Gewinnerwartungen nach unten korrigieren. Auf Druck der Anteilseigner hatte Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke daher nach vier Jahren im Amt seinen Hut genommen. Der Aufsichtsrat wählte heute den bisherigen Mobilfunkvorstand Obermann mit sofortiger Wirkung zu seinem Nachfolger.
ReutersAufsichtsratschef Klaus Zumwinkel lobte Rickes Leistungen beim Schuldenabbau. Nun gehe es jedoch darum, "den Börsenkurs zu steigern", sagte Zumwinkel, im Hauptberuf Chef der Deutschen Post . Treibende Kräfte hinter Rickes Abgang waren dem Vernehmen nach neben dem US-Investor Blackstone auch der Bund, die mit dem Aktienkurs unzufrieden waren. Der Bund besitzt noch immer rund ein Drittel der T-Aktien.
Auch Hans Richard Schmitz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) forderte im Fernsehsender n-tv mehr positive Signale für die gebeutelte Aktie.
Der neue Telekom-Chef Obermann stellte dagegen seine obersten Prioritäten klar: Kundenzufriedenheit und Kostensenkung. Nur zufriedene und loyale Kunden, betonte er, bescherten der Telekom gute Ergebnisse und sicherten die Beschäftigung. Noch sei das Unternehmen aber nicht am Ziel, die Nummer eins in der Kundenzufriedenheit zu werden. Dabei gleichzeitig die Kosten zu senken, "ist ein Spagat", sagte Obermann. Doch nur wenn dies gelinge, "werden auch die Aktionäre wieder zufrieden mit unserer Arbeit sein".
Viele Beschwerden wegen Werbeanrufen
Vor allem im Service habe die Telekom noch einiges Verbesserungspotenzial, sagte der Sprecher des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, Carel Mohn, dem Nachrichtensender N24. Es gebe viele Beschwerden über den Kundendienst, ungebetene Werbeanrufe, bei denen den Kunden gegen ihren Willen neue Angebote "angedreht" würden, sowie unübersichtliche Tarife.
Obermann deutete an, dass ohne eine Wende weitere Arbeitsplätze in Gefahr seien. Bei der Telekom läuft derzeit ohnehin ein Abbauprogramm von mehr als 32.000 Stellen, weitere massive Streichungen werden nicht ausgeschlossen, weil dass Festnetzgeschäft weiter stark schrumpft.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di forderte ein Ende der Arbeitsplatz-Diskussion beim Bonner Konzern. "Die Telekom-Beschäftigten müssen wieder Sicherheit, Stabilität und Wertschätzung spüren", betonte Ver.di-Bundesvorstand Lothar Schröder. Obermann nannte es eines der wichtigsten Ziele, die "innere Moral" zu stärken. Motivierte Mitarbeiter seien die Voraussetzung für besseren Service, sagte der neue Chef. Dazu sei es auch wichtig, interne Rivalitäten zwischen den Konzernbereichen wie Festnetz, Mobilfunk und Online abzubauen. "Der Wettbewerb ist draußen und nicht im eigenen Haus", rief Obermann den Mitarbeitern zu.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen, Matthias Berninger, forderte den Bund auf, in Sachen Telekom Farbe zu bekennen. "Nach Ron Sommer ist nun auch Kai-Uwe Ricke daran gescheitert, die Telekom zu einem global wettbewerbsfähigen Unternehmen zu machen und zugleich an alten Monopolstrukturen festzuhalten", erklärte Berninger. Die Folge sei ein Kundenschwund, der Millionen Kleinanleger und den Großaktionär Bund belaste sowie Arbeitsplätze gefährde. Der Staat müsse einsehen, dass der Weg zu mehr Wettbewerbsfähigkeit nur über den Abbau von Jobs führen werde. Das "anhaltende Siechtum der Telekom" zeige, dass den Beschäftigten mit einem 'weiter so' nicht gedient sei.
T-Aktien legen um mehr als drei Prozent zu
Anlegerschützer begrüßten die Ablösung Rickes als konsequent. Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sagte in der "Berliner Zeitung" vom Montag, Ricke habe auf die rasante Entwicklung im Festnetzgeschäft "keine Antwort gefunden". DSW-Vertreter Schmitz warf Ricke vor, "in allem etwas zu langsam agiert" zu haben.
An der Börse beflügelte der Chefwechsel den Kurs der T-Aktie . An der Frankfurter Börse kletterte das Papier um bis zu 3,65 Prozent auf 13,62 Euro und stand damit an der Spitze des Dax .
Einem Bericht der "Wirtschaftswoche" (Wiwo) zufolge will Obermann mit einer neuen Führungsmannschaft das Ruder bei der Deutschen Telekom herumreißen. Insider gingen davon aus, dass Obermanns engste Vertraute in der T-Mobile-Geschäftsführung, insbesondere Timotheus Höttges (Vertrieb), Hamid Akhavan (Technik) und Thomas Winkler (Finanzen), Schlüsselfunktionen im Konzern übernehmen werden, hieß es.
Als weiterer Anwärter für einen Aufstieg in den Konzernvorstand gilt dem "Wiwo"-Bericht zufolge Achim Berg, der bis vor wenigen Tagen den Vertrieb der Festnetzsparte T-Com leitete und von Obermann in der vergangenen Woche mit dem Aufbau und der Integration der konzernweiten Vertriebe beauftragt wurde. Berg könnte Nachfolger von Obermann bei T-Mobile International und damit neuer Mobilfunk-Verantwortlicher im Konzernvorstand werden. Möglich sei aber auch, dass Berg an die Spitze der Festnetzsparte T-Com rücke und den bereits entmachteten T-Com-Chef Walter Raizner ablöse, dessen Tage bei der Deutschen Telekom gezählt seien.
Im Gespräch sei noch eine dritte Option: Obermann könnte Berg den noch zu schaffenden Posten eines spartenübergreifenden Deutschlands-Chefs für T-Com und T-Mobile anbieten. Der Inhaber dieses Postens solle auch Mitglied im Konzernvorstand werden, meldete die "Wiwo".
Quelle: Spiegel.de
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