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Nur noch weg aus Amerika Deutsche Konzerne wie die Post oder der Autohersteller Daimler haben mit ihrer Expansion nach Amerika kein Glück gehabt - und nur viel Geld vernichtet. Die Telekom kann sich nun mit dem Verkauf von T-Mobile USA an AT&T hier einreihen. Von Carsten Knop
Es ist die größte Transaktion in der Telekom-Branche seit gut zehn Jahren. Sie hat die Börsianer positiv überrascht. Denn mit einem Verkaufserlös von 39 Milliarden Dollar für die amerikanischen Mobilfunkaktivitäten der Deutschen Telekom hatte niemand gerechnet. Der Verkauf von T-Mobile USA an AT&T zeigt aber auch, das auf der großen Wirtschaftsbühne Übernahmen von amerikanischen Unternehmen durch deutsche Anbieter nicht erfolgreich waren.
Die Übernahme von Chrysler durch Daimler, die vorgebliche „Hochzeit im Himmel“ (so Jürgen Schrempp, damals Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG, bei der Bekanntgabe des Zusammenschlusses 1998), war der Flop mit der größten Wertvernichtung. Der Versuch der Deutschen Post, mit DHL auf dem amerikanischen Markt für Expressdienstleistungen gegen UPS und Fedex bestehen zu können, schlug fehl. Die Deutsche Telekom kann sich hier einreihen; schon lange stand fest, dass sie für Voicestream, die Keimzelle des amerikanischen Mobilfunkgeschäfts, einst viel zu viel Geld gezahlt hatte.
Während sich bei der Telekom im Gewirr von Kaufpreis, Investitionen und vorübergehenden Gewinnen nur schwer berechnen lässt, wie groß der Vermögensverlust zwischen Kauf und Verkauf wirklich ausgefallen ist, dürfte Daimler die Hochzeit im Himmel mit Verlusten, Sonderbelastungen und verlorenen Investitionen geschätzte 40 Milliarden Dollar gekostet haben.
„Was wollen die bloß mit diesem amerikanischen Schrott?“ Gefeiert wurde die Fusion nur kurz, es war ein Rausch der großen Zahlen: Umgerechnet fast 118 Milliarden Euro Umsatz, 422.000 Mitarbeiter. Schnell wurden die skeptischen Stimmen lauter: Wie gut würden die Unternehmen überhaupt zusammenpassen? Ein Mercedes-Händler fasste die Kritik früh zusammen: „Was wollen die bloß mit diesem amerikanischen Schrott?“
Das dürfte sich auch bei der Deutschen Post so mancher gefragt haben, als 1998 und 2002 insgesamt rund 7,5 Milliarden Euro investiert wurden, um dort den Platzhirschen UPS und Fedex Konkurrenz zu machen. DHL, Air Express International, Airborne Express wurden gekauft. Was folgte, waren Qualitätsprobleme. Als diese behoben waren, sorgte die Rezession in den Vereinigten Staaten für Verluste. Von einst rund 18.400 Beschäftigten bei DHL-Express wollte die Post letztlich nur noch 3.000 bis 4.000 behalten.
Der ehemalige Telekom-Vorstandsvorsitzende Ron Sommer würde sich rückblickend möglicherweise wünschen, die amerikanische Aufsichtsbehörde FCC hätte 2001 den Voicestream-Kauf verboten. Die Übernahme war lange unsicher, da es wegen des hohen Staatsanteils an der Deutschen Telekom heftigen Widerstand gegeben hatte. Heute hoffen die Bonner wieder auf die Zustimmung einer amerikanischen Behörde, nämlich das Jawort der Kartellwächter. Aus Amerika wollen sie nur noch weg. Dafür klopft jetzt die Deutsche Börse an.
Das große Amerika-Abenteuer der Deutschen Telekom
Es war die Zeit, als sich Vodafone und Mannesmann ihren spektakulären Übernahmekampf lieferten, als die deutschen Mobilfunker 100 Milliarden D-Mark für UMTS-Lizenzen ausgaben, als T-Mobile an die Börse sollte und als in den Telekommunikationsunternehmen rund um den Globus das Fusionsfieber grassierte. Ron Sommer, der damalige Chef der Deutschen Telekom, stand im Jahr 2000 unter Handlungsdruck. Großem Druck, wie die Größe des eilig eingefädelten Geschäftes zeigte: des Kaufs des amerikanischen Mobilfunkunternehmens Voicestream für damals umgerechnet 50 Milliarden Dollar. Der Kaufpreis setzte sich aus 7,8 Milliarden Dollar in bar und zusätzlichen 3,2 Telekom-Aktien für ein Voicestream-Papier zusammen.
Für Voicestream, ein damals eher kleines Unternehmen in einem großen Markt, stürzte sich die Telekom in Schulden und gab den Amerikanern zudem einen erheblichen Anteil an ihren Aktien. Gänzlich ungewöhnlich: Die Telekom zeichnete vor Abschluss des Geschäftes Voicestream-Aktien für fünf Milliarden Dollar, damit das Unternehmen seine Verbindlichkeiten begleichen konnte oder - wie es Kritiker später formulierten - um das Unternehmen vor dem Konkurs zu bewahren. Da der Telekom-Aktienkurs anschließend abstürzte, verringerte sich der Kaufpreis später noch erheblich, aber das Geschäft stand. Das Abenteuer Amerika hatte für die Telekom begonnen.
Einmal in Schwung gekommen, wurde gleich weitergekauft. Powertel hieß der zweite Mobilfunker, den sich die Telekom für knapp 6 Milliarden Dollar - ebenfalls in Aktien - einverleibte. Sommer sah das große Geschäft in Amerika: Zusammen besaßen die beiden Neuzugänge im Telekom-Konzern Mobilfunklizenzen für Gebiete mit 245 Millionen „potentiellen Kunden“, wie Sommer betonte. Einfach gesprochen waren dies die Einwohner in den Gebieten, von denen nur ein Bruchteil später auch tatsächlich Kunde der T-Mobile USA wurde. Denn das Unternehmen hatte und hat bis heute harte Konkurrenz: Verizon und AT&T sowie Sprint sind in Amerika besser positioniert.
Für Sommer war die Übernahme der Anfang von seinem Ende bei der Telekom. Die Verwässerung der Aktienstruktur wurde als Grund angegeben, warum die T-Aktie von den 66 Euro beim dritten Börsengang im Jahr 2000 bis Sommer 2002 auf 8,14 Euro sank, und sollte ein Hauptstreitpunkt im späteren Telekom-Prozess werden. Aktionäre geben Sommer bis heute die Hauptschuld an dem Kurseinbruch, obwohl das Platzen der New-Economy-Blase Anfang des Jahres 2001 die Aktienkurse in aller Welt auf Talfahrt schickte. Doch für die Telekom-Aktie war dieser Kursrutsch nicht hinnehmbar. Auf Druck des Großaktionärs, des deutschen Staates, musste Sommer im Jahr 2002 gehen. Kai-Uwe Ricke, der damalige T-Mobile-Chef, übernahm das Ruder der Deutschen Telekom. Eine seiner ersten Amtshandlungen: eine Sonderabschreibung auf Voicestream in Höhe von 18 Milliarden Euro. (ht.)
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