Es gibt sone und sone. Manche der Berliner Beamten wissen vor Arbeit nicht, wo vorn und hinten ist - etwa weil die sozialen Probleme wachsen. Deshalb mußte neulich ein Sozialamt für ein paar Tage schließen, weil sie mit der Bearbeitung der Anträge nicht mehr nachkamen. Eine Überprüfung der Anträge darauf, ob sie überhaupt berechtigt sind, findet nicht mehr statt.
Und dann gibt es so etwas: Die Tu-Nix-Behörde
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/0,1872,1016569,FF.html
Die Oberfinanzdirektion Berlin (OFD) hat eine der feinsten Adressen der Stadt. Am Kurfürstendamm, inmitten von Luxus-Boutiquen und Edel-Restaurants, fühlen sich 850 Staatsverdiener, viele davon in den oberen Gehaltsklassen, richtig wohl. Einer, der einige Zeit zur OFD gehörte und dann als Anwalt die Seiten wechselte, erinnert sich an Lebensqualität bei Amte.
Thomas Kaligin, Fachanwalt für Steuerrecht: "Die Oberfinanzdirektion Berlin ist nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu einer reinen Versorgungsanstalt verkommen - für Leute, die man einfach irgendwo unterbringen muss. Auf hohem Niveau, was die Besoldung angeht. Arbeitsbelastung pro Tag? Also wenn man mit Refa-Methoden messen würde - eine Stunde müsste eigentlich schon relativ viel sein."
Abgeschlossene Büros, leere Flure Eine Stunde Arbeit am Tag? Das klingt plausibel. Frontal21 macht Aufnahmen in den Fluren der OFD Berlin zwischen elf und zwölf Uhr. Es herrscht gähnende Leere. Die meisten Büros sind abgeschlossen. Der Schlüsselkasten beim Pförtner ist fast vollständig bestückt. Zahllose Beamte sind nicht am Arbeitsplatz. Etliche Chefs auch nicht.
Das Beamten-Schutzgebiet am Kudamm wird zäh gegen Neugierige verteidigt: Der Rechnungshof hatte Probleme mit der OFD, sogar von Hausverbot war die Rede. Die Prüfer drücken sich diplomatisch aus. Im Bericht heißt es: "Die Aufgabe des Rechnungshofs bringt es mit sich, dass ihm einzelne Mitarbeiter geprüfter Behörden vor Ort gelegentlich mit Vorbehalten begegnen."
Karl-Heinz Däke
Ah ja. Das Grundgesetz wurde eigens geändert, damit die überflüssigen Oberfinanzdirektionen abgeschafft werden können. Fachleute wie Karl-Heinz Däke vom Bund der Steuerzahler drängen deshalb: "Die Oberfinanzdirektion Berlin könnte ohne weiteres abgeschafft werden und deren Aufgaben auf den Finanzsenat und andere Behörden übertragen werden, auch die Kontrolle der Finanzämter. Die Oberfinanzdirektion ist schlicht und einfach überflüssig."
Eigentlich funktionslos Eigentlich dürfte die Abschaffung kein Problem sein. Die OFD hat nämlich schon seit Jahren keine nennenswerten Aufgaben mehr. Die Zoll- und Verbrauchssteuerabteilung wurde aufgelöst, die Abteilungen für Einkommensteuer und Abgabenordnung wurden stark verkleinert. Sie reichen meist nur noch Vorgänge von oben nach unten und von unten nach oben. Und die Liegenschaftsverwaltung wird privatisiert. Das Ergebnis: Eine Tu-Nix-Behörde verwaltet sich selbst.
Nikolas Zimmer
Im Berliner Abgeordnetenhaus hat die CDU den Antrag eingebracht, dass die nutzlose Oberfinanzdirektion sofort aufgelöst werden soll. Als die Partei noch regierte, ist ihr das nicht eingefallen. In der Opposition gibt sich die CDU reformbereit. Nikolas Zimmer, CDU-Fraktion: "Die Oberfinanzdirektion ist eine der Behörden, die man am leichtesten abschaffen kann, weil sie erstens nicht vorgehalten werden muss, zweitens eigentlich völlig überflüssig ist und drittens Geld kostet. Und das ist das, was wir in Berlin nicht haben. Da, wo wir sparen können, müssen wir es tun. Deswegen gehört die OFD aufgelöst."
Prüfen, was längst klar ist Der Senat könnte ab sofort zweistellige Millionenbeträge sparen, die die OFD Berlin jährlich kostet. Das soll aber nicht geschehen. Erst wollen die Senats-Bürokraten prüfen, ob die OFD-Bürokraten nicht doch zu etwas nütze sind. Geprüft wird 2003 und 2004, teilt der Senat mit. Erst danach werden etwaige Entscheidungen getroffen. So macht man es, wenn man nichts machen will: Man prüft, was längst klar ist.
Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Bremen haben Oberfinanzdirektionen abgeschafft. Berlin hat ganz viele Schulden - und ganz viel Zeit. In der Ex-Front-Stadt sind die Uhren stehen geblieben. Doch damit nicht genug. Statt die überflüssige OFD abzuschaffen, werden 6 Millionen investiert in die Luxussanierung eines Gebäudes in der Bredtschneiderstraße gesteckt - beste Lage beim Funkturm. Alles vom Feinsten. 12.000 Quadratmeter für die Oberfinanzdirektion. Die soll in das neue Gebäude umziehen, weil der Miteigentümer Bund auf den Verkauf des Quartiers am Kudamm drängt. Ein neues Haus also für 850 Bürokraten. Ob die überhaupt gebraucht werden, wird erst nach dem Einzug geprüft.
Gähnende Leere
Eine Stadt arbeitet für ihre Bürokraten Zu der offensichtlichen Geldverschwendung hat Frontal21 zwei Dutzend Fragen an den Berliner Finanzsenator Sarrazin gerichtet. Und keine einzige Antwort bekommen. Arroganz der Macht. Ärzte, Wissenschaftler und anderes medizinisches Personal des Klinikums "Benjamin Franklin" der Freien Universität können demonstrieren solange sie wollen - sie werden wohl abgeschafft. Berlin muss sparen, heißt es.
In der Oberfinanzdirektion dagegen ist alles in Butter. Die OFD bleibt. Es stehen sogar kräftige Gehaltserhöhungen an. Die Gruppenleiter sollen befördert werden. Macht dann schlappe 4.500 Euro im Monat. Berlin: Eine Stadt arbeitet für die Bürokraten. Woanders ist es umgekehrt.
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