einen schönen Beitrag gefunden,ist zwar schon älter (Donnerstag)aber immernoch aktuell-interessant. Also :
Ein Jahr Seitwärtsbewegung geht zu Ende
Von Jochen Steffens Sehr interessant. Gestern legten die Amis deutlich zu, doch der Dax schwächelte. Ich erhielt mehrere erstaunte Anrufe von Traderkollegen, die mich alle etwas aufgeregt und leicht irritiert fragten. "Was ist denn mit diesem xxxx-Dax los?". Diesmal sind für den schwachen Dax direkt mehrere Faktoren verantwortlich: Erst einmal ist hier in Deutschland die Stimmung erheblich bearisher als in den USA. Hier glaubt kaum jemand, dass der Dax noch großes Potenzial nach oben hat, obwohl der Dax wesentlich günstiger bewertet ist als die amerikanischen Indizes. Zudem befinden wir uns wieder an der oberen Begrenzung der Seitwärtsbewegung. Der Dax ist in diesem Jahr nun schon viermal an diesem Niveau gescheitert. Die Bullen, die bereits viermal auf einen Bruch getradet haben, sind entweder pleite oder mutlos. "Nein, diesmal wird der Dax es nicht schaffen",höre ich sie stöhnen. Sie wissen, ich war einer der ersten, der die Seitwärtsbewegung im November letzten Jahres vorausgesagt hat und jetzt sage ich das Ende dieser (engen) Seitwärtsbewegung voraus. Wir befinden uns nun seit einem Jahr (!) innerhalb einer Range von ca. 500 Punkten! Das hat es schon lange nicht mehr gegeben. Jetzt hat die abgelaufene US-Wahl unbemerkt das Ende dieser engen Seitwärtsbewegung eingeleitet.
Die Börse lässt niemals eine Regel zu. Oder drücken wir es anders aus: Jede Regel, die entsteht, wird dann gebrochen, wenn auch der letzte Idiot sie verstanden hat. Die einzige Frage, die noch nicht wirklich entschieden ist: Wird die Seitwärtsbewegung nach oben oder nach unten verlassen.
Viermal ist die Börse nun im Bereich der 4100 Punkte Marke gescheitert. Und genau das lässt den Dax im Moment etwas straucheln. Die Investoren lösen ihre Positionen auf, sie können sich nicht vorstellen, dass der Dax nach der Wahl weiter nach oben zieht.
Aber genau das lässt mich vermuten, dass der Dax genau das machen wird. Sie wissen, die Börse geht immer den Weg, der möglichst vielen Investoren den größten Schmerz bereitet. Viele Investoren hatten auf eine "Bush Rallye" gesetzt, die natürlich aus den genannten Gründen nicht kam. Sobald sich die Investoren damit abgefunden haben, könnten die Märkte einfach durchstarten. Das ist das Szenario, das ich zurzeit favorisiere. Wenn der Dax jedoch weiter fällt und noch einmal durch die 3838 Punkte Marke rutscht, dann wird es Zeit, auf fallende Märkte zu spekulieren.
Aber die Verkäufe an der oberen Begrenzung der Seitwärtsbewegung sind nicht der einzige Grund dafür, dass der Dax aktuell Schwäche zeigt. Heute hat die EZB, wie erwartet, die Zinsen unverändert belassen. Dabei steigt (auch aufgrund des Ölpreises) die Inflation in Europa an. Und zwar auf ein Maß, welches die EZB zwingen wird, die Zinsen bald anzuheben, vielleicht schon bei der nächsten Zinssitzung. Das wiederum würde jedoch die zarte Knospe der europäischen Konjunktur bedrohen. Ein weiterer Grund, warum einige institutionelle Anleger ihre Positionen bereits jetzt verkleinern.
Und dann ist da natürlich noch der steigende Euro. Der Euro kämpft aktuell mit seinem letzten großen Bewegungshoch, das bei 1,29 Dollar lag. Ein hoher Euro ist schlecht für den Export – der Export ist allerdings gerade in Deutschland der einzige Faktor, der noch Wachstum generiert. Aus diesem Grund wird der steigende Euro auch einige Investoren dazu verleitet haben, ihre Positionen zu verkleinern.
Kommen wir zum letzten Punkt: Der Euro steigt natürlich nicht aus eigener Stärke, – dafür gäbe es auch kaum Gründe. Er profitiert lediglich von der immensen Schwäche des Dollars. Die Devisenhändler gehen davon aus, dass Bush seine katastrophale Haushaltspolitik weiterführen wird. Eine sich ausweitende Staatsverschuldung in Verbindung mit dem gigantischen Außenhandelsdefizit kann nur zu einem schwächeren Dollar führen – so die Überlegung. Natürlich wirkt sich der schwächelnde Dollar direkt auf den Ölpreis aus, mit der Konsequenz, dass dieser steigt.
Steigende Ölpreise belasten wiederum den Gesamtmarkt. Und auch dieser Effekt wird natürlich in die Märkte "eingepreist".
Einen psychologischen Faktor, den ich in seiner Auswirkung auf den Dax nicht wirklich abschätzen kann, will ich noch hinzufügen: In Europa ist die Enttäuschung groß, dass Bush die Wahl gewonnen hat: Das unterstützt die hier vorherrschende Weltuntergangsstimmung und fördert nicht gerade die Investitionsbereitschaft der Investoren in Deutschland.
Und zum Schluss: Die Wiederwahl Bush wird für den Standort Deutschland als ungünstig gesehen. Die augenfälligen Missstimmungen zwischen der deutschen und der amerikanischen Regierung könnten zu einer Ausweitung der Probleme führen. Erinnerungen an die Strafzölle auf Stahl etc. werden wach. Die Sorge geht um, dass der nun gestärkte Bush seine protektionistische Wirtschaftspolitik wieder ausbauen wird. Schlecht für Deutschland.
Das waren also mögliche Einflüsse, die dazu führten, dass der Dax so überraschend schwach reagierte.
Doch auch hier gilt: Wenn die Amis nun durchstarten sollten, werden diese Sorgen schnell vergessen sein und der Dax wird sich im weltweiten Wettlauf der Indizes wieder nach vorne drängeln und laut rufen: "Hier, ich! Ich zuerst!". Denn an der Tatsache, dass in Deutschland die Gier und die Angst der Investoren den Index wesentlich stärker beeinflussen, als sonstwo in der Welt, hat sich noch nichts geändert
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