Wie wir den Griechen die Kapitalflucht finanzieren
von Dr. Bernd Niquet
Schauen Sie auch so viel Fernsehen wie ich? Arte, 3sat und Phoenix? Das Meiste, was dort zu sehen ist, ist ja eigentlich gar nicht zu glauben. Und trotzdem ist es wahr. Wenn man heute mit zwei unterschiedlichen Positionen konfrontiert wird, ist leider meistens diejenige wahr, die eigentlich auf den ersten Blick kaum zu glauben ist.
Was haben sich unsere Staaten mit diesen Fernsehsendern da nur ins Nest gelegt? Ein rationaler Staat, der Ruhe und Kontrolle haben möchte, würde anders handeln. Die Regierungen können nur froh sein, dass es auch noch das Privatfernsehen gibt und dass die Mehrheit die leichte Unterhaltung bevorzugt.
Neulich hat eine Stunde Phoenix bei mir fast für ein gesamtes Leben gereicht. Ich mochte ja eigentlich Hans-Werner Sinn nie. Heute jedoch bin ich sein größter Fan. Denn er ist ein Radikalaufklärer. Was er zum Euro sagt, ist wie ein Schlag ins Gesicht.
Und jetzt behauptet er: Wir finanzieren den Griechen die Kapitalflucht.
Viele Griechen, die noch über frei verfügbare Geldbeträge verfügen, transferieren diese ins Ausland. Das ist durchaus verständlich. Das kann man niemandem übelnehmen. Das würde ich sicher auch tun, wenn ich in einem Krisenland wie Griechenland leben würde.
Doch Sinn sagt: Wir finanzieren ihnen das auch noch. Unglaublich. Kann das tatsächlich sein? Das wäre ja ein Unding! Warum hat die Bild-Zeitung da noch nicht Krawall gemacht? Und warum gibt es eigentlich keinen öffentlichen Aufstand? Weil es nicht wahr ist und Professor Sinn irrt? Ich vermute eher, weil es ein bisschen zu kompliziert ist, um es zu verstehen.
Denn es geht erneut um die Target-Salden, und da schnallen die meisten schnell ab. Oder sie ziehen sich auf Positionen zurück, die behaupten, das sei alles irrelevant mit den Target-Salden. Also schauen wir mal:
Wenn ein griechischer Staatsbürger Geld auf ein Konto in Deutschland überweist, nimmt die griechische Notenbank einen Kredit des Eurosystems zu Lasten der Deutschen Bundesbank auf, die dann das Geld dem überweisenden Griechen in Deutschland bereitstellt.
Auf der Ifo-Homepage nennt Sinn hierzu Zahlen: „Die griechische Notenbank nahm im Februar weitere 15 Milliarden Euro an Überziehungskrediten anderer Notenbanken in Anspruch, um Auslandsüberweisungen durchführen zu können. Im Januar waren es sogar 27 Milliarden Euro. Damit hat die griechische Notenbank nun insgesamt 91 Milliarden Euro an Target-Schulden gegenüber anderen Notenbanken des Eurosystems. Hinzu kommt eine Kreditgewährung in Form einer überproportionalen Bargeldausgabe in Höhe von 13 Milliarden Euro.“
Und was ist an diesen Bank-Transaktionen nun so besorgniserregend? Wenn Griechenland aus dem Euro aussteigt, werden diese Schulden zu den sonstigen Schulden hinzugerechnet und sind wertlos. Die Zentralbanken des Euroraums müssen sie abschreiben und mindern im selben Umfang ihre Ausschüttung an die Staatshaushalte.
Sinn plädiert daher dringend für Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland. Denn jeder Euro griechisches Fluchtgeld ist möglicherweise in Zukunft ein Euro weniger Staatsausgaben bei uns.
Doch irgendwie interessiert sich anscheinend niemand so recht dafür. Da wird ein riesiger Zeck veranstaltet über „Hausaufgaben“ der Griechen, die schließlich zur Zahlung der letzten Tranche aus dem zweiten Rettungspaket von ein paar lächerlichen Milliarden Euro führen sollen. Dabei werden gleichzeitig allein pro Woche weit mehr Euros über das Targetsystem von den Griechen an sich gesogen.
Sind wir eigentlich noch recht bei Trost?
Quelle: Doersam-Brief
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