Apropos Energiequellen: Schon mal von Heizen mit Eis gehört? Was widersprüchlich klingt, ist eine altbekannte Methode, dem Frieren zu trotzen und dubiosen Gaslieferanten die kalte Schulter zu zeigen. Eiskalt. (Der Artikel stammt vom 19.04.2012!!)
Die Firma isocal hat eine Idee von Albert Einstein in die Praxis umgesetzt: Heizen mit Eis. Ein in der Erde vergrabener Behälter speichert Energie auf einem Temperaturniveau, bei dem keine Isolierung nötig ist.
Heizen mit Eis: Für den Laien klingt das genauso unglaublich wie die Schokoladendiät. Doch es geht tatsächlich, wie Alexander von Rohr vor einigen Jahren zunächst mit Hilfe eines schlichten Zinkeimers herausfand. Inzwischen haben deutschlandweit 180 Einfamilienhäuser einen Eisspeicher im Garten, und sogar ganze Siedlungen mit mehreren Hundert Wohnungen beziehen ihre Wärme vollständig aus gefrorenem Wasser. Damit sparen sie auf längere Sicht nicht nur die Hälfte ihrer Heizkosten. Die Technik ist auch völlig ungefährlich und überaus klimafreundlich.
Das physikalische Prinzip ist altbekannt, und kein Geringerer als Albert Einstein meldete darauf bereits 1930 ein Patent an. Eine Kopie seines Antrags hängt bei der kleinen Firma isocal in Friedrichshafen im Konferenzraum. „Allerdings hat es sich bis vor 20 Jahren nicht gelohnt, die Technik zu nutzen, weil Öl und Gas noch zu billig waren“, erläutert Maschinenbauingenieur Heiko Lüdemann, der zusammen mit seinem Berufskollegen Alexander von Rohr das 18-Personen-Unternehmen leitet.
„Wenn man Wärme erzeugt, entsteht Kälte – und umgekehrt. Energie kann ja nie verbraucht, sondern nur gewandelt werden“, benennt Lüdemann das physikalische Gesetz, das auch jedem Mittelstufenschüler bekannt sein sollte. Konkret geht die Sache so: Kristallisiert Wasser bei null Grad, wird dabei so viel Energie freigesetzt, wie nötig ist, um die gleiche Menge Wasser auf 80 Grad zu erhitzen. Natürlich kann man die beim Gefrieren entweichende Energie nicht unmittelbar zum Heizen einsetzen. Vielmehr nutzt isocal dafür zwei weitere physikalische Gesetze: Temperaturen in benachbarten Räumen gleichen sich aus. Und einige Substanzen verdampfen bei Minustemperaturen zu Gas und dehnen sich dabei aus.
Legt man nun ein mit einer sehr kalten Flüssigkeit gefülltes Rohr in einen Wasserbottich, so gefriert das Wasser rundherum – erstes Gesetz. Zugleich verwandelt sich die Flüssigkeit im Schlauch in Gas – zweites Gesetz – und treibt durch die Ausdehnung eine Pumpe an. Der Druck erwärmt die Pumpe, und mit dieser wird dann das Haus geheizt.
Weil im Erdreich auch im Winter Temperaturen von sechs bis acht Grad herrschen, schmilzt ein Teil des so produzierten Eises immer wieder. Auch der mit der Speicherapparatur zusammenarbeitende Solarkollektor auf dem Dach unterstützt das Tauen, sofern nicht im Haus warmes Wasser zum Duschen gebraucht wird. Die Erwärmung des Wassers im Eisspeicher führt dazu, dass sich die Kühlflüssigkeit im Rohr wieder stärker ausdehnt, die Pumpe Wärme abgibt – und so kann es immer weitergehen, bis der Winter zu Ende ist. „Man könnte natürlich auch von der Sonne erhitztes Wasser speichern und damit heizen. Aber dann bräuchte man eine extrem gute – und teure – Isolierung“, erläutert Lüdemann und ergänzt: „Wir speichern auf dem Temperaturniveau, auf dem es am billigsten ist.“
Rund 14.000 Euro kostet ein 10.000-Liter-Speicher für ein Einfamilienhaus; hinzu kommen noch etwa 20.000 Euro für Anschlüsse, Wärmepumpe, die Rohre in den Fußböden und die Arbeitsstunden der Handwerker. Aufgrund der hohen Energiemenge, die bei der Verwandlung von Wasser zu Eis frei wird, ist die Ausbeute aber beachtlich: Ein 10.000-Liter-Speicher reicht aus, um in unseren Breitengraden in einem Einfamilienhaus komplett auf eine andere Heizung zu verzichten. Dabei ist das Eis zunächst eine Art Abfallprodukt. Im Sommer dann lässt es sich aber bestens zum Kühlen nutzen.
Das dahinterstehende Wissen ist alles andere als neu. Was andere Firmen aber bisher davon abschreckte, die Technik einzusetzen, ist die immense Sprengkraft von Eis. Jeder, der je eine Flasche Wasser oder Bier auf dem eisigen Balkon oder in der Kühltruhe vergessen hat, kennt das Problem: Der Behälter platzt. Und genau für dieses Problem hat Alexander von Rohr, der früher als Entwickler in einem Heizungsbaubetrieb gearbeitet hat, eine schlaue Lösung gefunden. Während der Vereisungsprozess natürlicherweise von außen nach innen und von oben nach unten abläuft, sorgt seine Rohrkonstruktion dafür, dass bei den isocal-Speichern das Eis von unten nach oben und von innen nach außen entsteht.
Erstmals ausprobiert hat von Rohr das im Jahr 2004 in dem besagten Zinkeimer. Quer zum Boden schweißte er auf halber Höhe eine Leitung ein, füllte den Eimer mit Wasser und jagte minus 18 Grad kaltes Frostschutzmittel durch das Rohr. Die Eisschicht begann um die Mittelstrebe herum zu wachsen, die Außenwand des Eimers wurde nicht belastet.
Genauso funktioniert die Eisheizung heute auch im Großen: Die spiralförmigen Plastikrohre befinden sich in der Mitte und im unteren Teil des Behälters. Weil die Betonwände keinerlei mechanischer Belastung ausgesetzt sind, bescheinigt Lüdemann den Speichern eine Lebensdauer von 30 bis 50 Jahren. Das Ganze ist außerdem so gut wie wartungsfrei. Und sollte es trotzdem mal zu einem Leck kommen, ist das für die Umwelt völlig ungefährlich: Schließlich befindet sich im Speicher ja nichts anderes als Wasser.
Theoretisch kann die Heizungsanlage deshalb auch im Sommer als Zisterne für den Garten genutzt werden. Allerdings solle man nicht vergessen, im Herbst wieder Wasser einzufüllen, sonst werde es im Winter ungemütlich, warnt Lüdemann. Zugleich gehen seine Überlegungen auch in eine andere Richtung. Man könnte die Konstruktion ja auch zur stromfreien Produktion von Kälte nutzen – zum Beispiel für die Fußballstadien bei der Weltmeisterschaft in Katar.
Quelle: https://futurzwei.org/article/240
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