Glücksspiel
Regulatorische Unsicherheit begrenzt Aufwärtspotential der Tipp24-Aktie
Ohne Staat ginge es Tipp24 prächtig 27. März 2007 Dass die Börse ein Glücksspiel sei, ist eine Weisheit, die zumeist von Nicht-Börsianern kolportiert wird. Dass Glücksspiel-Aktien in den vergangenen Monaten aber kein Glück an der Börse vergönnt war, ist eine auch von Börsianern anerkannte Tatsache.
Das gilt vor allem für den Bereich Sportwetten, aber auch für das gute, alte Lotto, wo zahlreiche Regierungen mit dem Auftauchen privater Konkurrenz plötzlich die Gefahren der Spielsucht erkannten und ihre Pflicht, die Bürger vor sich selbst zu schützen, nachdem sie diese jahrzehntelang selbst ungehemmt zum Lotto- und Toto-Spiel animiert hatten.
Deutlicher Kursrutsch im vergangenen Jahr
Zu leiden hatte nicht nur der bekannteste Anbieter von Sportwetten Bwin und seine Wettbewerber, sondern auch der Internet-Lotto-Vermittler Tipp 24, dessen Aktienkurs nach einem Hoch von 27,50 Euro im Mai 2006 bis zu Beginn diesen Jahres auf 10,82 Euro nach unten rutschte, bevor er sich dann zuletzt wieder bis auf 18,02 Euro erholen konnte. Am Montag legte die Notierung gegen den Markttrend sogar um 3,8 Prozent zu.
Dabei trafen mehrere Faktoren zusammen. Auslöser war sicherlich zunächst die allgemeine Marktkonsolidierung. Gleichzeitig geriet Tipp24 mit in den Sog der Sportwetten-Werte, weil Anleger befürchteten, die staatlichen Initiativen gegen diese Anbieter werden auch auf Tipp24 übergreifen. Zudem begab Tipp24 im Herbst eine Gewinnwarnung. Statt von der prognostizierten Steigerung des operativen Ergebnisses um 50 Prozent ging das Unternehmen nun nur noch von einem leichten Zuwachs aus. Dafür nannte man als Gründe höhere Ausgaben für die Neukundengewinnung und der Ausfall einer Sonderziehung zu Silvester. Und last, but not least, wollen die Bundesländer immer noch das Internet-Lotto verbieten.
Marktanteil zwangsläufig stark gestiegen
Indes hofft das Unternehmen immer noch mit einigem Recht, dass dieser Kelch, der es seiner Existenzgrundlage berauben würde, an ihm vorüber geht. Immerhin stieg der Marktanteil des Unternehmens auf seinem Kernmarkt Deutschland von 40 bis 50 Prozent gegen Ende des Geschäftsjahres auf über 60 Prozent, da die staatlichen Gesellschaften, mit Ausnahme von Lotto Niedersachsen und Lotto Nordrhein-Westfalen, ihre Online-Aktivitäten im Zuge der regulatorischen Diskussionen vorübergehend eingestellt haben.
Das Jahr 2006 fiel wohl nicht zuletzt auch deswegen unter dem Strich besser aus, als im Herbst befürchtet. Der Umsatz stieg, beflügelt durch einen Rekord-Jackpot, um 33 Prozent auf 34,6 Millionen Euro und damit im Rahmen der Prognosen. Das Ergebnis vor Steuern und Zinsen (Ebit) legte um ein Fünftel auf 7,2 Millionen Euro zu, das operative Ergebnis vor Zinsen, Streuern und Abschreibungen um 15 Prozent auf 2,3 Millionen Euro. Das Konzernergebnis verdoppelte sich auf 7,4 Millionen Euro und lag damit weit über den Erwartungen.
Indes sank die Ebit-Marge um 2,2 Prozentpunkte auf 21,0 Prozent. Grund seien die schon im Oktober genannten Sondereffekte gewesen sowie zusätzliche Kosten für die Lobby-Arbeit. Der Auslandsanteil am Umsatz stieg auf 12,7 von 8,5 Prozent. Allerdings schreibt das Geschäft immer noch rote Zahlen, auch wenn das Minus nur noch 83.000 Euro nach 952.000 Euro im Vorjahr beträgt. Die spanische Tochtergesellschaft habe sogar bereits die Gewinnschwelle erreicht.
Hoffen auf die EU
Grundsätzlich rechnet der Hamburger Lottovermittler im Jahr 2007 mit einem starken Wachstum. Der Umsatz soll weiterhin um rund 30 Prozent wachsen und das Ebit entsprechend deutlich steigen. Zugute kommen soll dem Unternehmen dabei ein starkes Wachstum des Online-Lotteriemarktes, dessen Zuwachs das Unternehmen auf derzeit 27 Prozent beziffert.
Voraussetzung sei allerdings, dass der gegenwärtige Entwurf des Glücksspiel-Staatsvertrags der Bundesländer nicht unterschrieben und ratifiziert werde. Dabei hofft Vorstandschef Jens Schumann auf die EU, die den Vertrag und insbesondere das Verbot des Online-Spiels gerügt hat.
Schumann machte nochmals den Standpunkt des Unternehmens deutlich, nach dem das von den Bundesländern angepeilte Verbot von Internet-Lotto zur Vermeidung von Spielsucht rechtlich nicht tragfähig ist. „Der Staat hat nicht nachgewiesen, dass es diese Spielsucht überhaupt gibt und er hat nicht berücksichtigt, dass es weniger drastische Maßnahmen gäbe, diese denkbare Spielsucht einzudämmen“, sagte er.
Ehrgeizige Bewertung der Aktie
Nirgendwo sei ein Lottospieler so kontrollierbar wie im Internet, wo es Wochen-Höchsteinsätze gebe und jeder Teilnehmer mit Name und Alter registriert werde. Die EU-Kommission habe dazu eindeutig Stellung bezogen und festgestellt, dass ein Verbot von Internet-Lotto EU- rechtswidrig sei. „Damit macht es keinen Sinn mehr, den Staatsvertrag zu unterschreiben“, sagte Schumann. Zudem sei der Rechtsstreit mit dem Land Sachsen-Anhalt, das dem Unternehmen Anfang Januar die Geschäftstätigkeit untersagt hatte, weitgehend ausgestanden.
Zudem rechnet Schumann auf weitere Internationalisierung. Durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. März sei ein starker Hinweis zur Deregulierung des europäischen Marktes gegeben worden. „Bei allen derzeit diskutierten kurzfristigen Risiken gehen wir davon aus, dass eine Deregulierung des Marktes in Europa unserem europäischen Wachstum zusätzliche Impulse verleihen würde.“, sagt Schumann. Man sei gut positioniert, um diese Potentiale aktiv auszuschöpfen.
Indes ist die Aktie nach der jüngsten Kurserholung bereits recht hoch bewertet. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für das laufende Jahr beläuft sich nach Analystenschätzungen auf 22,5 und für das kommende Jahr auf über 16. Indes gehen die Analysten von etwas geringeren Umsatzsteigerungen aus, doch ändert dies an den Bewertungsrelationen wenig.
Für die Aktie spricht derzeit ein positiver charttechnischer Trend. Noch hat sie allerdings ihr Septemberhoch bei 18,29 Euro nicht überwinden können. Ein starker Widerstand findet sich in der Region um 20 Euro. Angesichts der ehrgeizigen Bewertung und der regulatorischen Unsicherheit ist vor einer endgültigen Entscheidung über den Lotto.-Staatsvertrag nicht damit zu rechnen, dass die Notierung diese Marke überwinden kann. Indes sollte sie Luft haben, wenn sie das Septemberhoch hinter sich lassen kann.
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Text: @mho Bildmaterial: dpa, FAZ.NET
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