Russische Aktien im Bann der Yukos-Krise
Die Warnung von Chief Executive Officer Steven Theede, dem russischen Ölkonzern OAO Yukos Oil drohe die Insolvenz, wenn nicht bald eine Lösung in der Krise um Yukos gefunden werde, hat die Investoren am russischen Aktienmarkt stark verunsichert.
Nach der von Yukos einberufenen Pressekonferenz am Donnerstag, auf der das Management betonte, der Konzern könne in der derzeitigen Situation maximal bis Mitte August weiteroperieren, sank der Aktienkurs nochmals um 14 Prozent und der gesamte russische Aktienmarkt gab nach.
Keine Lösung in Sicht
"Es ist nicht klar, welche Strategie die Regierung mit Yukos verfolgt. Solange die Situation so ist, sollten sich Anleger am russischen Aktienmarkt besser zurückhalten," riet am Donnerstag ein Analyst einer der großen westlichen Investmentbanken in Moskau, der allerdings nicht genannt werden wollte. Anleger sollten jetzt besser nicht am russischen Markt investieren, meinte dieser Analyst.
Derzeit blockieren sich das Yukos Management und die russische Regierung gegenseitig, in dem die russische Regierung massive Steuernachzahlungen von Yukos verlangt, gleichzeitig aber liquide Mittel des Konzerns eingefroren hat und vor wenigen Tagen sogar mit dem Zwangsverkauf des Kerngeschäftes von Yukos, der Ölförderung durch Yuganskneftegaz, drohte. Gleichzeitig haben das Yukos Management und die Eigentümer von Yukos Strategien zur Lösung der Krise vorgeschlagen, auf die die russische Regierung aus politischen Gründen so nicht eingehen kann.
Das Aus für den Markt?
"Hier wird kräftig taktiert," sagt Anatoli Kaminov, Yukos-Analyst bei Merrill Lynch. Aber auch Kaminov warnt, man müsse die Warnung der Insolvenz bei Yukos ernst nehmen und in das Investment-Kalkül mit einbeziehen. "Wenn die Regierung tatsächlich in Kauf nehmen sollte, daß Yukos in die Insolvenz getrieben oder zerschlagen wird, hätte dies schwerwiegende Folgen für den russischen Aktienmarkt und für die Auslandsdirektinvestitionen in Rußland," sagt Kaminov.
Dann müsse am russischen Aktienmarkt eine deutlich höhere Risikoprämie bei Investitionen in Unternehmensaktien angesetzt werden und dies führe bei der Bewertung zu einer schlechteren Risiko-Ertrags-Bewertung. "Die Risikoprämie, die Investoren fordern würden, müßte so hoch angesetzt werden, daß russische Unternehmensaktien im Vergleich zu Unternehmensaktien an anderen Emerging Markets nicht mehr attraktiv wären. Die institutionellen Investoren würden sich auf lange Zeit vom russischen Markt zurückziehen." Das wäre das Aus für den Markt. Die Aktienbörse würde eine Krise erleben wie damals in der Bankenkrise 1998, betont Kaminov.
Scheinbar ausweglose Situation
"Das ist aber die schlechteste aller Möglichkeiten. Ich glaube, der Fortbestand von Yukos ist für das Management von Yukos und die russische Regierung so extrem wichtig, daß letztlich eine Lösung gefunden wird. Yukos ist zu wichtig als Arbeitgeber, zu wichtig als Signal für andere Auslandsdirektinvestitionen und zu wichtig als Aktienanlagewert für die Börse." Der Analyst von Merrill Lynch nimmt an, daß jetzt relativ schnell eine Lösung gefunden wird und die Situation dann für Yukos und den russischen Gesamtmarkt deutlich besser aussieht - besser als es jetzt möglich erscheine. Viele Analysten teilen seine Meinung.
Auch Adam Landes von Renaissance Capital, einer russischen Investmentbank, betont, daß trotz all der Drohungen und der scheinbaren Ausweglosigkeit der Situation eine Lösung immer noch möglich sei. "Ich wäre überrascht, wenn wir nicht noch eine Überraschung erleben - wie immer in Rußland," sagt Landes. Selbst der für Yukos fatale drohende Verkauf des Kerngeschäftes von Yukos, der Ölfördereinheit Yuganskneftegaz, sei noch nicht endgültig.
Für risikobewußte Anleger
Der Markt sehe und bewerte die Situation zu negativ. Kaminov empfiehlt Yukos - wie auch die Ölwerte Lukoil und Surgutneftegaz - sogar zum Kauf, "allerdings nur für risikobewußte Anleger", fügt er hinzu, denn auf Dauer werde sich die Eigentümerstruktur und Struktur von Yukos verändern mit entsprechenden Auswirkungen auf den Kurs. "Aber die potentiellen Gewinnmöglichkeiten mit Yukos sind größer als die möglichen Abwärtsrisiken des Kurses," erwartet der Analyst von Merrill Lynch und meint, die Yukos-Aktie könne in den nächsten zwölf Monaten von derzeit 5,2 auf 9 Dollar (36 Dollar je ADR) steigen. Die Aktie hatten in den vergangenen drei Tag mehr als 30 Prozent Wert verloren.
John Hatherly von der Londoner Fondsgesellschaft M&G Investments glaubt sogar, daß eine Lösung des Yukos-Konfliktes eine Aktienrally in Rußland auslösen könnte und neue Investitionen in die russische Ölindustrie nach sich ziehen werde. Auch Jens Nystedt, Analyst für den russischen Markt bei der Deutschen Bank, betont, es sei für die Marktentwicklung in Rußland entscheidend, wie der Yukos Fall jetzt gelöst werde. Die jüngste Bankenkrise sei da weniger wichtig, da sie ohnehin nur ein Vorspiel auf die bevorstehende Reform im Bankensektor in Rußland sei.
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