von Florian Rötzer 16.10.2001
Stephen Hawking sieht nach den Anschlägen vom 11.09. das Überleben der Menschen erst recht nur in der Auswanderung auf andere Planeten und durch gentechnische Aufrüstung gesichert
Stephen Hawking ist bekannt dafür, dass er in die Zukunft denkt und dabei weniger auf seine eigene Disziplin, die Physik, als auf die Biotechnologie setzt, deren Aufgabe es sei, die Menschheit zu verbessern - und dadurch zu retten.
Allerdings passt der bekannte Physiker, dessen Hoffnung auf Bio- und Gentechnik wegen seiner Erkrankung durchaus verständlich ist, seine Zukunftsvisionen den aktuellen Bedingungen an. Nach den Anschlägen vom 11.9. Noch kurz vor dem Ereignis, nach dem, wie man schon nicht mehr so häufig sagt, die Welt nie mehr so sein wird, wie sie einmal gewesen ist, warnte der Inhaber des Newton-Lehrstuhls davor, dass die Welt bald von der künstlichen Intelligenz beherrscht würde, wenn die technischen Fortschritte so schnell weiter gehen wie bisher. Um die Überlegenheit der Wetware-Menschen zu sichern, müsse die Menschheit klüger werden, was durch eine Steigerung und Verbesserung des Genoms realisiert werden könne.
Hawking sah freilich das Überleben der Menschheit nie nur abhängig von seiner Intelligenz. Gefährdet ist sie auch durch ihre archaischen Aggressionen, die dazu führen können, dass sie durch einen Nuklearkrieg etwa Schluss mit sich macht. Freilich könne auch hier die Gentechnik eines Tages helfen, meint Hawking, und die Menschen freundlicher machen. Werden sie dann auch noch langlebiger und geschützt vor Krankheiten, so bestünde durchaus die Möglichkeit, dass die selbst-designte Menschenart der Zukunft etwa der drohenen Klimakatastrophe durch Auswanderung auf andere Planeten entgehen könnte, sofern die Wissenschaft nicht zufällig oder bewusst im Auftrag von kriegslüsternen Staaten bzw. Organisationen einen derart bösen Virus erzeugt, der alle Menschen dahin rafft.
Diese Vorstellung ist es, die nach den Anschlägen und mit dem Eintreffen der ersten Milzbrand-verseuchten Briefe natürlich an Aktualität gewonnen hat. In einem Gespräch mit dem Telegraph meinte denn Hawking auch, dass die Menschheit möglichst schnell ihre Fähigkeiten ausbilden sollte, auf andere Planeten auszuweichen, bevor hier etwas Schreckliches passiert. Man könne Reisen in Lichtgeschwindigkeit mit einer Art von Warp-Antrieb nicht ausschließen. Und dies wäre auch eine der Voraussetzungen, in neue Welten aufbrechen zu können.
Noch wichtiger ist allerdings der gentechnische Umbau der Menschen. Hawking glaubt, dass es uns vielleicht noch Tausend Jahre geben wird, wenn wir hier bleiben. weil einfach zu viele Gefährdungen existieren - die eben auch von der Gentechnik stammen. Warum allerdings die Flucht in den Weltraum die Menschheit vor ihren selbst erzeugten Gefahren retten soll, bleibt dunkel, schließlich werden sie ihre Technik ja mit sich nehmen, die man auch auf dem Mars oder anderswo anwenden könnte. Und was wäre besser, als ein Raumschiff oder eine dicht abgeschlossene Kolonie irgendwo auf dem Mars oder sonstwo, um die Verbreitung eines gefährlichen Virus zu garantieren?
"Auch wenn der 11. September schrecklich war", so Hawking, "bedrohte er nicht das Überleben der menschlichen Gattung, wie dies die Nuklearwaffen machen. Langfristig fürchte ich eher die Biologie. Nuklearwaffen benötigen große Anlagen, aber Gentechnik kann man in einem kleinen Labor betreiben. Man kann nicht jeden Labor auf der Welt kontrollieren. Die Gefahr ist, dass wir zufällig oder absichtlich einen Virus schaffen, der uns vernichtet."
Nicht mehr als Tausend Jahre gibt er uns, um die Erde zu verlassen (und die Viren mitsamt ihren bösen Erfindern hinter sich zu lassen): "Es gibt zu viele Katastrophen, die das Leben auf einem einzigen Planeten gefährden können. Aber ich bin ein Optimist. Wir werden zu den Sternen reisen." Die Idee scheint zu sein, dass die Menschheit selbst sich als ein im Weltall verstreutes Netzwerk von Kolonien verbreiten müsse. Solche Netzwerke sind, wie das Internet oder auch das al-Qaida-Netzwerk zeigen, nicht ohne weiteres schnell zu vernichten. Wenn allerdings die Menschen sich auch gentechnisch moralisch aufrüsten, wie Hawking fordert, und nicht nur intelligenter werden, um neue Waffen auszubrüten, dann könnte sie ja vielleicht doch auch auf einem Planeten überleben - wäre da nicht die Gewissheit, dass immer etwas schief gehen wird.
Schon im September ist Stephen Hawkings neues Buch "Das Universum in der Nußschale" bei Hoffmann und Campe erschienen. Mit vielen Bildern und leicht verständlich geschrieben will Hawking hier den Inhalt seines Bestsellers "Eine kurze Geschichte der Zeit" aktualisieren und für alle zugänglich machen. Auch hier schreibt er, dass trotz aller Versuche, gentechnische Eingriffe am Menschen zu verbieten, "irgend jemand irgendwo Menschen gentechnisch 'veredeln'"wird, allerdings betont er, dass er diese Veränderung nicht als "erstrebenswerte Entwicklung" preisen wolle, sondern nur als unabänderliche Tatsache betrachtet. Ein Problem bei der weiteren Zunahme der Komplexität des menschlichen Gehirns ist die Kopfgröße für eine natürliche Geburt: "Aber ich schätze, dass es im Laufe der nächsten hundert Jahre gelingen wird, Föten außerhalb des menschlichen Körpers wachsen zu lassen, so dass diese Einschränkung entfallen wird." Die Grenze bei der gentechnischen Vergrößerung sieht er in der Langsamkeit der chemischen Botenstoffe. Zunehmende Komplexität macht die Gehirne langsamer ...
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