Rückversicherer - Profiteure der Flut
Noch stehen weite Teile Deutschlands unter Wasser, da zeichnen sich schon Profiteure der Flutkatastrophe ab: die Rückversicherer.
Ausnahmezustand. Kleine Rinnsale werden zu reißenden Strömen. Wo seit Jahrhunderten kein Hochwasser mehr hinkam, steht nun die braune Brühe meterhoch in den Häusern: Mitteleuropa steht unter Wasser. Kuhkadaver treiben durch die Straßen von Eilenburg bei Leipzig. Losgerissene Lastschiffe wurden auf der Elbe gesprengt, bevor sie mit voller Wucht gegen Brücken donnern und diese zerstören. Allein in Deutschland verloren bisher mindestens zehn Menschen durch die Fluten ihr Leben.
Der volkswirtschaftliche Schaden ist riesig. Der Bauernverband sieht in ersten Schätzungen einen Ernteausfall von deutlich mehr als einer Milliarde Euro. Das Ausmaß der Zerstörung an Straßen, Brücken und Häusern kann derzeit niemand annähernd beziffern. Die 300 Millionen Euro, die die Bundesregierung beim Oder-Hochwasser 1997 zur Verfügung stellte, werden diesmal nicht ausreichen. "Mit ersten offiziellen Prognosen der Versicherungen wird erst in einigen Wochen gerechnet", sagt Axel Horster, Sprecher der General Cologne Re.
Auch die Börse hat auf die Flut reagiert und die Versicherer erst mal abgestraft. Die Allianz als Branchenprimus konnte sich im Wochenverlauf erholen, verlor nur noch gut 1,5 Prozent.
Doch die Börse könnte sich auch damit geirrt haben. Für die aktuellen Schäden durch Hochwasser müssen die deutschen Versicherer wohl wenig bluten. "Flutschäden sind kaum oder gar nicht versichert", bestätigt Andreas Schäfer, Spezialist für Versicherungswerte der Fondsgesellschaft Activest. "Lediglich Sturm- und Hagelschäden kosten die Versicherer Geld."
Die Gebiete an Rhein, Mosel und Donau werden gar nicht mehr gegen Hochwasser versichert. Und in vielen Gebieten Ostdeutschlands sind keine Policen abgeschlossen worden, weil diese Regionen bisher nicht als gefährdet galten. Die Assekuranzen werden also durch die neuen Flutkatastrophen weniger belastet als angenommen.
Dieses Mal sind die Versicherer glimpflich davongekommen. Doch die Zahl der Klimakatastrophen hat sich seit den 50er-Jahren vervierfacht. Noch nie gab es bundesweit so viele Überschwemmungen, Stürme und Unwetter innerhalb weniger Wochen. Einmalige Ausnahme? Oder ist doch die globale Erderwärmung schuld, wie viele Experten vermuten?In Ballungsräumen haben Naturkatastrophen verheerende Folgen. Auch solche, für die die Versicherungen wieder leisten müssen. Hatte das Erdbeben in San Francisco 1906 noch einen Sachschaden von 350 Millionen US-Dollar zur Folge, so wären heute rund 100 Milliarden als Entschädigung fällig. Die so genannten Mega-Städte stellen ein Risikopotenzial dar, das nur durch große Versicherungsgesellschaften gedeckt werden kann.Sogar in Deutschland sind solche Szenarien möglich. "Laut neuesten Schätzungen würde ein Erdbeben der Stärke 6,0 auf der Richterskala in den Ballungsgebieten des Rheinlands oder im Raum Stuttgart einen Schaden von rund drei Milliarden Euro zur Folge haben", unterstreicht Axel Horster diese These. Und dass dieses Szenario nicht unrealistisch ist, zeigten die Erdstöße, die vor vier Wochen mit einer Stärke von 4,8 das Rheinland erschütterten. Für die Versicherer ein Horrorszenario? Nur auf den ersten Blick, denn die Vergangenheit zeigt eine andere Entwicklung. Nach den Sturmtiefs "Lothar" und "Martin" im Winter 1999 haben die Versicherer ihre Prämien deutlich erhöht. Außerdem sind die neuesten Ereignisse für die Versicherungsbranche eine gute Chance, neue Absatzpotenziale zu erschließen.
Laut einer Forsa-Umfrage rechnen 83 Prozent der Deutschen auch künftig mit ähnlich starken Katastrophen durch Naturgewalten in Mitteleuropa. Folge: Es werden Versicherungen abgeschlossen, die man in bestimmten Regionen eigentlich gar nicht braucht.Allerdings profitieren weniger die Erst-, sondern vielmehr die Rückversicherer von diesen Ereignissen. "Rückversicherer wie die Münchener Rück können ihre Prämienerhöhungen sehr schnell bei den Erstversicherern durchsetzen", sagt Experte Schäfer. Auf dem Markt für Rückversicherer haben einige wenige Konzerne die Vorherrschaft. Dadurch ist der Wettbewerb gering und die Gesellschaften können die Prämien fast beliebig erhöhen. "Sie diktieren die Preise und sitzen damit am längeren Hebel", bestätigt auch Frank Stoffel, Versicherungsanalyst der WestLB. Die Allianz dagegen muss mit jedem einzelnen Kunden die neuen Prämien aushandeln, ohne ihn dabei zu verprellen.
Favorit der Analysten ist die Aktie der Münchener Rück. "Der Konzern besitzt eine überragende Finanzstärke, was gerade bei den schwachen Kapitalmärkten wichtiger ist als je zuvor", begründet Stoffel seine Kaufempfehlung. Die negativen Meldungen seien bereits im Papier enthalten: Seit Jahresanfang hat die Münchener-Rück-Aktie über ein Drittel an Wert verloren. Das Papier des weltgrößten Rückversicherers liegt damit sogar unter den Tiefständen vom September 2001. Belastend wirkte sich zuletzt die Ankündigung aus, dass der Konzern seine Rückstellungen für die US-Tochter American Re auf zwei Milliarden Dollar erhöhte. Doch schon vor Veröffentlichung der Halbjahreszahlen am 29. August sind nach Meinung von Ralph Bressler, Analyst vom Bankhaus Lampe, alle Risiken eingepreist. "Wir halten den aktuellen Aktienkurs für ein attraktives Einstiegsniveau."
Die Hannover Rück erscheint ebenfalls sehr viel versprechend. Nach den Terroranschlägen des 11. September hat sich der weltweit fünftgrößte Rückversicherer nachhaltig erholt. Vor allem im Hauptgeschäft Schadenrückversicherungen wollen die Norddeutschen nach kräftigen Prämienerhöhungen künftig kassieren. Als einziges Manko gilt die niedrige Eigenkapitalquote. "Hier muss in naher Zukunft etwas passieren", sagt Frank Stoffel. Für aussichtsreich hält er auch die Swiss Re, bei der ebenfalls ein kräftiger Zuwachs auf Grund der gestiegenen Prämien zu erwarten ist. Hier bleibe allerdings abzuwarten, wie hoch die Abschreibungen auf das Investment-Portfolio ausfallen werden. Die optimalen Ratings von AAA für Münchener Rück und Swiss Re machen die beiden größten Rückversicherer zu einer ersten Adresse für alle Erstversicherer. Damit haben sie natürlich gute Ausgangspositionen, wenn es um das Aushandeln der Prämien geht.
von Nando Sommerfeldt / Euro am Sonntag
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