IPO-Rückblick 2000 - Auch Börsenbäume wachsen nicht in den Himmel
Von vwd Korrespondentin Vera Schrader
Frankfurt (vwd) - Rund 160 Unternehmen wagten 2000 den Gang an die Frankfurter Wertpapierbörse. Der größte Teil von ihnen notiert am Neuen Markt. Das Börsenjahr begann euphorisch, besonders für die Neuemissionen. Zeichnungsgewinne von 200 bis 300 Prozent waren an der Tagesordnung. "Die Anleger kauften einfach alles", so Norbert Empting, Händler bei der Börsenmakler Schnigge AG. Allerdings ist nicht alles Gold, was glänzt. Und so mussten sowohl Investoren als auch Händler lernen, dass auch die Börsenbäume nicht in den Himmel wachsen. "Nicht alles, was die Börsenkandidaten versprachen, bewahrheitete sich später", konstatiert Empting.
"Sehr undifferenziert" seien die Anleger am Jahresanfang vorgegangen, bestätigt Heiko Bienek, Leiter des Aktienresearch bei Independent Research. Alles, was den Stempel Internet getragen habe, sei immer "super" gewesen. Dabei sei es Privatinvestoren oftmals nur um das schnelle Geld gegangen und nicht um eine langfristige solide Vermögensanlage. Doch bereits im zweiten Quartal sei es für die Neuemissionen schwieriger geworden. Und in der zweiten Jahreshälfte hätten auch die Unternehmen mit soliden Ertragszahlen zunehmend kämpfen müssen, erklärt der Analyst.
Die Schutzgemeinschaft für Kleinaktionäre (SdK) registrierte im Laufe des Jahres eine "extrem abnehmende Qualität" bei den Börsenkandidaten. Paradebeispiel ist nach Ansicht des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Markus Straub der Online-Werbevermarkter ad pepper media. Das Unternehmen sei Anfang Oktober an den Neuen Markt gegangen und habe wenige Wochen später seine Umsatz- und Ertragsprognosen nach unten korrigieren müssen. Auch für Händler Empting ist dies der "Gipfel". Es könne doch nicht sein, dass der Vorstand die Entwicklung der Zahlen nicht bereits vor dem IPO erkannt habe.
Bei solchen Fällen wird die Frage nach der Prospekthaftung wieder lauter. So will die SdK bei einigen Börsenneulingen eventuelle Haftungsansprüche prüfen, unter anderem auch bei ad pepper. Nach Ansicht Straubs war die Bewertung vieler Unternehmen "völlig überzogen" und die Prüfung seitens der Banken nur unzureichend. So habe der Vorstand der DG Bank bereits eingeräumt, die Kandidaten besser durchleuchten zu müssen, bevor sie auf die Börse losgelassen werden. Den Grund für die eher wohlwollende Bewertung der Unternehmen sieht Straub in dem prozentualen Abrechnungssystem der Banken. Je höher das Emissionsvolumen ausfalle, um so mehr fließe in die Kassen der Konsortialbanken.
Das Umfeld für Neuemissionen dürfte im kommenden Jahr nicht einfacher werden. Händler und Analysten registrieren einen massiven Vertrauensverlust seitens der Anleger. "Für viele Kleinanleger wird der Neue Markt in den kommenden Jahren keine Anlageoption mehr sein", befürchtet Empting. Das bekämen dann auch die Börsenaspiranten zu spüren, denn die Zeichnungsbereitschaft der Anleger sei derzeit eher rückläufig. vwd/14.12.2000/ves/gl
|