Am Kindeswohl orientiert? Europäischer Menschenrechtsgerichtshof fordert Stellungnahme wegen Schulschließungen
am 6. Februar 2023
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bundesregierung über einen Fragenkatalog aufgefordert, zu den Schulschließungen Stellung zu nehmen, die über die bundeseinheitliche Corona-Notbremse durchgesetzt wurden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.
In der Corona-Politik wurden schwere Fehler gemacht – das räumte zuletzt selbst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein. Gegenüber dem ARD-Morgenmagazin hatte Lauterbach zugegeben, dass es falsch gewesen sei, Schulen und Kindertagesstätten so lange geschlossen zu halten. Das Vorgehen Deutschlands könne durchaus kritisiert werden – und das sieht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anscheinend sehr ähnlich: Er forderte die Bundesregierung nun zur Stellungnahme wegen der Schulschließungen auf.
Wie aus einem Bericht der Welt am Sonntag hervorgeht, bestätigte das Bundesjustizministerium den Eingang eines Fragenkatalogs zur sogenannten Bundesnotbremse. Die Maßnahme wurde im April 2021 im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes beschlossen und sah harte Maßnahmen vor, wenn ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen eine Inzidenz von 100 überschreitet: Unter anderem Kontaktbeschränkungen (ein Haushalt durfte nur eine weitere Person treffen), Ausgangsbeschränkungen von 22 bis 5 Uhr, Homeoffice – und Schulschließungen.
War das Kindeswohl zentraler Maßstab?
Wie die Welt am Sonntag berichtet, fordert der EGMR unter anderem eine Antwort, ob das Kindeswohl bei eben diesen Schulschließungen tatsächlich der zentrale Maßstab gewesen sei – und ob die Auswirkungen früherer Schulschließungen in der Corona-Zeit bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden seien. Die Bundesregierung sei zudem aufgefordert worden, Informationen über die damalige „Verfügbarkeit, den Umfang und die Dauer alternativer Bildungsmöglichkeiten“ wie hybride Lernmöglichkeiten, Online-Unterricht und Notfallbetreuung in Schulen herauszugeben.
Die Rechtsanwälte Axel Koch und Bernhard Ludwig hatten im Mai 2022 Beschwerde beim EMGR eingereicht, nachdem ihre Klage gegen die Schulschließungen vom Bundesverfassungsgericht abgelehnt worden war. Das Gericht hatte damals geurteilt, dass Schulschließungen zum Schutz von Risikogruppen vertretbar seien, solange sich der Staat auf wissenschaftliche Expertisen stützen kann, die nicht eindeutig widerlegt sei.
Es bleibt abzuwarten, ob der EGMR diesem Urteil zustimmt – der Fragenkatalog könnte zumindest darauf hindeuten, dass man sich ernsthaft damit auseinandersetzt, ob die Schulschließungen rechtens waren.
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