Aktien brillieren 2023 und Gold fristet ein Schattendasein. Auf der Zinsseite deutet sich aber an, dass die Karten neu gemischt werden Eigentlich ist die Sache klar. Die Zinsen sind in den USA deutlich oberhalb von fünf Prozent angekommen und belasten damit Edelmetalle wie Gold, die keine laufenden Erträge liefern. Da an der Börse der Kaufmann für das Gewesene aber nichts gibt, werden Investoren bald die Zinsentwicklung ab 2024 einpreisen. Bisher sind nur zwei Zinssenkungen 2024 im Markt, doch die Notenbank reagiert flexibel. Für Gold besteht somit primär Fantasie in Richtung aufwärts. „Die Daten unterstreichen nämlich, dass der Goldpreis im Vergleich zu US-Aktien so tief ist wie selten zuvor“, sagt Jürgen Molnar vom Broker Robomarkets. Zwar ist der US-Arbeitsmarkt weiterhin solide, was für steigende Zinsen sprechen würde. Allerdings ist die Inflation deutlich zurückgekommen, was wiederum ein Argument für fallende Zinsen wäre. „Eine Wette für Gold könnte demnach eine Wette auf nachlassende Inflation sein“, so Molnar. Auf der Aktienseite folgt auf das bisher starke Zwischenwahljahr 2023 im kommenden Jahr dann der Wahlkampf und die Entscheidung im November 2024. „Obwohl der Wahlkampf erwartungsgemäß „sehr schmutzig“ wird, sind Wahljahre tendenziell positive Jahre für den Aktienmarkt – ausgenommen die Sektoren Pharmazie und Rüstung“, sagt Michael Winkler von der St. Galler Kantonalbank zu den statistisch guten Aktienaussichten. Dies würde den Nachholbedarf von Gold noch verstärken. „2023 weist der Goldpreis eine relativ moderate Handelsspanne zwischen 1.850 und 2.000 US-Dollar – mit leichten Ausreißern nach oben und unten – auf“, sagt Funda Sertkaya vom Goldhändler Ophirum über die Volatilität am Goldmarkt. Längerfristig gesehen liegt Gold mit 1.900 Dollar auf dem Level vom Herbst 2020. „Rechnet man die Inflation ein, so müsste Gold aber ein gutes Stück höher notieren“, so Stefan Riße, Autor des Buchs „Die Inflation kommt“.
Gold kann beim Goldilocks-Szenario für Aktien – vor allem Techaktien – demnach nicht mithalten. Denn auf den ersten Blick kann sich die Bilanz an den Aktienmärkten seit Jahresbeginn weiterhin sehen lassen. Zwar büßten die größten Indizes im August im Durchschnitt rund fünf Prozent ein. Dennoch liegen zahlreiche Leitbörsen prozentual zweistellig im Plus, die Nasdaq 100 steht sogar gut 36 Prozent höher. „Auch die Tatsache, dass zwei Drittel der Indizes ihre meist steigende 200-Tage-Linie behaupten, spricht aus markttechnischer Sicht mittelfristig für ein freundliches Börsenumfeld“, sagt Franz-Georg Wenner von Indexradar zur charttechnischen Seite.
Richtig ist allerdings auch, dass die Dynamik in den vergangenen Monaten vor allem in Europa kräftig nachgelassen hat. So laufen Euro Stoxx 50 und Dax seit Februar fast nur noch seitwärts, die Gewinne resultieren nur aus dem starken Anstieg in den ersten Wochen des Jahres. Erste WarnungenAuch an der Wall Street werden Anleger wieder vorsichtiger, wobei vor allem die überhitzten Techwerte zuletzt unter Druck standen. Nvidia spiegelt die Lage gut wider: Obwohl der Konzern die Prognosen pulverisierte, sprang der Kurs nicht mehr an. Viel Fantasie ist eingepreist, Aktien sind inzwischen gut bezahlt im historischen Vergleich wie auch gegenüber weniger riskanten Alternativen. Die Gewinnrendite des S&P 500 beträgt derzeit rund 5,3 Prozent, während risikoärmere zehnjährige US-Anleihen rund 4,2 Prozent bieten. Die daraus resultierende magere Aktienrisikoprämie von rund ein Prozent liegt deutlich unter dem langjährigen Wert von mehr als drei Prozent. Wer somit in US-Aktien investiert, wird für das höhere Risiko kaum noch entschädigt. Selbst die Kleinanleger sind überwiegend wieder skeptischer, nur rund ein Drittel erwarten den S&P 500 auf Sicht von sechs Monaten höher. An den Terminmärkten ist zugleich die Nachfrage nach Absicherungen angesprungen. Als klassische Kontra-Signalgeber wäre daher eine Erholung nicht überraschend.
Für Gold sind die Anleiherenditen ebenfalls ein Schlüsselfaktor. Da die Feinunze keine Zinserträge abwirft, wird das Edelmetall für Investoren tendenziell interessant, wenn die Zinsen oder die Realzinsen (nach Inflation) niedrig sind oder sinken. Bei hohen Zinsen und Renditen wie derzeit existieren aber zahlreiche Investmentalternativen in Form von Anleihen. Dennoch hält sich Gold bisher beeindruckend stabil und pendelt um 1900 Dollar, obwohl die Anleiherenditen auf dem höchsten Niveau seit 2007 liegen.
Doch das Blatt an den Bondmärkten kann sich schnell wieder drehen, vor allem wenn erneut Rezessionssorgen hochkochen. Die Zinssätze für Kredite sind kräftig gestiegen, entsprechend dürften sich zeitnah die Verbraucherausgaben verlangsamen. „Zuletzt sind die Zahlungsrückstände bei Kreditkarten bereits auf ein Mehrjahreshoch geklettert“, sagt Robomarkets-Experte Molnar. Aus antizyklischer Sicht passt dazu auch die Entwicklung der weltweiten ETF-Bestände bei Gold: Mit derzeit rund 90 Millionen Unzen liegen diese auf dem tiefsten Niveau seit März 2020. Für das begehrte Edelmetall gibt es somit gute Gründe, auf einen goldenen Herbst zu setzen.
https://www.capital.de/geld-versicherungen/...-sich-auf-33843568.html
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