UBS-Aktienpaket im Wert von 1,5 Milliarden verschollen Von Martin Vetterli. Aktualisiert am 01.10.2008
Die Pleitebank Lehman sorgt für eine weitere böse Überraschung: Wertschriften verschiedener Hedge-Funds sind weg. Auch der UBS-Grossaktionär Olivant ist davon betroffen. Olivant-Chef Luqman Arnold ist perplex: «Wir wissen nicht einmal mehr, wie viele Aktien wir besitzen.»
Olivant-Chef Luqman Arnold ist perplex: «Wir wissen nicht einmal mehr, wie viele Aktien wir besitzen.»
Luqman Arnolds Beteiligungsgesellschaft steckt in einer eigenartigen Situation. Eigentlich verfügt sie über 2,78 Prozent der UBS-Aktien. Doch an der ausserordentlichen Generalversammlung von morgen Donnerstag wird Olivant ihr Stimmrecht nicht ausüben können. Warum nicht? «Weil wir nicht wissen, wo sich diese Aktien befinden und wer sie hat», lautet Arnolds verblüffend einfache Antwort. «Wir wissen nicht einmal, wie viele UBS-Aktien wir im Moment besitzen, obwohl wir nichts verkauft haben.»
Der Fall ist gravierend. Das Aktienpaket, das die Investmentgesellschaft des ehemaligen UBS-Chefs besitzt, hat aktuell einen Wert von 1,5 Milliarden Franken. Ob diese Wertschriften ganz oder nur teilweise verloren sind, ob sie nur für einige Wochen oder Monate nicht verfügbar sind, welchen Umfang das Paket noch hat – alles Fragen, die der Olivant-Chef derzeit nicht beantworten kann. Immerhin sei das Geschäft seiner Investmentgesellschaft nicht existenziell betroffen. «Keine Frage, wir sind weiterhin operativ tätig und werden das auch bleiben», beruhigt Arnold.
Ein nie dagewesener Fall
Der Grund für die verworrene Lage liegt im Niedergang von Lehman Brothers. Der europäische Arm der US-Investmentbank agierte zuletzt als Prime Broker von Olivant und bewahrte das jetzt unauffindbare Aktienpaket auf. Prime Broker waren der lukrativste Teil der Investmentbanken. Sie stellen Hedge-Funds Fremdkapital gegen Sicherheiten zur Verfügung und streichen dafür einen Zins ein, die sogenannte Prime Rate. Als Sicherheiten dienen in vielen Fällen Wertpapiere.
Olivant ist die erste Investmentgesellschaft, die offen über ihr Prime-Broker-Problem spricht. Sie ist aber nicht das erste Finanzunternehmen, das davon tangiert ist. Der Sturz von Lehman Brothers hatte vorletzte Woche bei verschiedenen britischen Hedge-Funds Panik ausgelöst. Unternehmen wie GLG Partners, Amber Capital und Ramius realisierten sehr schnell, dass sie nicht mehr an ihre Anlagen im Wert von 40 Milliarden Dollar herankamen. Auch ihre Wertschriften waren beim europäischen Lehman-Arm aufbewahrt. Auch diese Hedge-Funds sind in eine Falle getappt, von der niemand wusste, dass sie überhaupt existierte. Die Lage für sie ist angesichts der anhaltend unsicheren Finanzmärkte doppelt gefährlich. Sie können nicht reagieren und sind teilweise handlungsunfähig geworden.
Das Prime-Broker-Problem ist eine neuartige Spielart der Finanzkrise. Es ist ohne jedes Vorbild. Denn niemals zuvor ist ein Prime Broker Pleite gegangen. Der Fall erschien undenkbar. Regeln für die Lösung des Problems gibt es deshalb genauso wenig wie Präzedenzfälle, an die sich die geschädigten Investmentgesellschaften und Hedge-Funds jetzt halten könnten.
Hedge-Fonds gehen zur Konkurrenz
Gemäss britischem Recht wird das Ausleihen von Aktien als Besitzerwechsel taxiert. Mit womöglich weit reichenden Konsequenzen: Selbst wenn der letzte Inhaber ausgemacht wird, können die eingefrorenen Wertschriften nur im Rahmen einer Globallösung aus der Lehman-Affäre wieder herausgezogen werden. Olivant-Chef Arnold vermutet deshalb, dass leicht zwei Monate verstreichen könnten, bis überhaupt mehr Klarheit besteht.
Als Reaktion auf den Fall Lehman haben Hedge-Funds weltweit die Verträge mit ihren Prime Brokern überprüft. Einzelne verlangten Nachbesserungen. Viele sind bereits zu sicheren Adressen geflüchtet und haben ihre Geschäftsbeziehung mit den beiden zuletzt verbliebenen US- Investmentbanken aufgelöst. Dieser Auszug war einer der Gründe, weshalb Morgan Stanley in die Bredouille kam und sich an die Brust des japanischen Bankenmultis Mitsubishi UFJ Financial werfen musste. Die Profiteure dieser Entwicklung sind Globalbanken wie UBS oder Credit Suisse, sagen Experten übereinstimmend. Sie konnten wie JP Morgan Chase, Deutsche Bank und Barclays Capital in den letzten Wochen lukrative Kunden aus der Hedge-Funds-Szene übernehmen.
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