**Top: Mythen zur Finanzkrise**

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Die sieben Mythen zur Finanzkrise der USA

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Von Sebastian Jost 27. September 2008, 12:52 Uhr

Am Ende haben es alle gewusst: Weil Amerika die skrupellosen Finanzjongleure nicht rechtzeitig an die Leine genommen hat, ist die Wirtschaft jetzt am Ende. Doch die Totengräber der heutigen Finanz- und Wirtschaftsordnung könnten sich irren. WELT ONLINE räumt auf mit den Mythen zur US-Finanzkrise.

1. Mehr Kontrolle ist die Rettung

Der Ruf nach mehr staatlicher Aufsicht hat sich zum parteiübergreifenden Dauerton entwickelt. Kanzlerin Merkel packt ihre Pläne vom vergangenen Jahr wieder aus, um Hedgefonds an die Leine zu nehmen, und Altkanzler Helmut Schmidt entwirft Pläne für eine Weltfinanzaufsicht. Was sie alle zu übersehen scheinen: Hauptverantwortlich für diese Krise sind die Banken – und damit der am strengsten regulierte Teil des Wirtschaftssystems. Zumindest in der Theorie.
Weiterführende Links

   * Weltbörsen zittern vor Details des Rettungsplans
   * Weitere Bankenpleiten sind sehr wahrscheinlich
   * Dramatisches Ringen um US-Finanzrettungspaket
   * Regierungen stürzen sich in neue Schulden
   * Größte Bankenpleite aller Zeiten erschüttert USA
   * Washington Mutual – Pleite wie aus dem Lehrbuch
   * Kunden treiben größte US-Sparkasse in die Pleite
   * Kommentar: Streit um Nothilfepaket für die Wall Street

Denn in der Praxis haben die Aufseher weltweit versagt. Weder die amerikanische Notenbank Fed noch die sonst als besonders streng bekannte Börsenaufsicht SEC haben rechtzeitig erkannt, dass den Banken der schwungvolle Handel mit verbrieften Krediten über den Kopf wuchs. Hierzulande ist die Bilanz der Aufseher nicht besser: Weder Bundesbank noch die Finanzaufsicht BaFin oder das Finanzministerium haben das Desaster kommen sehen, das sich bei der Staatsbank KfW und ihrer Tochter IKB anbahnte –obwohl es frühzeitig Hinweise gab. Auch bei der SachsenLB ergab eine Prüfung kurz vor der Quasi-Pleite noch: alles okay!

Angesichts dessen ist es naiv zu glauben, es brauche nur weitere Kontrollregeln, um künftige Krisen zu vermeiden. Auch wenn einzelne Korrekturen wie höhere Eigenkapital-Rücklagen sinnvoll sind: Vor allem kommt es darauf an, bestehende Befugnisse der Kontrolleure ordentlich umzusetzen. Dafür sollten sich die Aufseher gerade nicht in jedes Detail neuer Finanzprodukte einfuchsen müssen, sondern sich auf die zentralen Fragen konzentrieren: Womit verdient eine Bank ihr Geld, wo liegen ihre Risiken und was heißt das für das Finanzsystem? „Solange die Polizei die Verkehrsregeln nicht effektiv überwacht“, sagt ein Bankenvorstand, „bringt es nichts, mehr Verkehrsschilder aufzustellen.“

2. Der Markt hat versagt

Politiker und Kommentatoren werten die Finanzkrise als Bankrotterklärung des freien Marktes. Und die große Mehrheit der Deutschen schließt sich in Umfragen diesem Urteil an. Schließlich haben die Investmentbanken reihenweise Bonussysteme geschaffen, die zur Zockerei einladen. Allerdings hat der Staat kräftig dazu beigetragen, dass es überhaupt so weit kam. Die Immobilienfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac, die den Bauboom in Amerikas Vorstädten erst möglich gemacht haben, sind quasistaatliche Anstalten. Sie handelten im Auftrag der Bush-Regierung, wenn sie jedem Amerikaner den Traum vom eigenen Haus erfüllen wollten. Dazu kam eine Notenbank, die unter ihrem legendären Chef Alan Greenspan ab dem Jahr 2001 den Markt mit Geld überschwemmte, um die Wirtschaft anzukurbeln – womöglich auch, um Bushs Irakkrieg zu finanzieren, wie Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz ätzt. „Alan Greenspan hat die Krise erfunden“, sagt Bankenprofessor Wolfgang Gerke.

3. Gewinne wurden privatisiert, Verluste werden sozialisiert

Auf den ersten Blick ist allein der Steuerzahler der Dumme. Jahrelang haben Wall-Street-Banker Millionengehälter kassiert – und nun ist es der Staat, der 700 Milliarden Dollar aufbringen soll, um das Finanzsystem zu retten. „Wir setzen ein System fort, bei dem die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert werden“, sagt der New Yorker Ökonom Nouriel Roubini.

Auch wenn die Finanzkrise für die Steuerzahler fraglos zu einem Fiasko zu werden droht: Es ist nicht richtig, dass sie allein drauflegen. Zehntausende Banker von der Wall Street verlieren ihren Job. Und: Gerade in den Top-Positionen wurden die Verantwortlichen in der Regel zu einem großen Teil in Aktien bezahlt. Da diese in der Regel erst nach zwei bis drei Jahren verkauft werden dürfen, haben die Boni erheblich an Wert verloren. Die Kursverluste treffen auch die übrigen Anteilseigner der Banken. So soll das Vermögen von Maurice Greenberg, dem langjährigen Chef des nun quasi verstaatlichten Versicherers AIG, seit Januar 2007 von 1,25 Milliarden auf 50 Millionen Dollar geschrumpft sein.

Außerdem: Von den billigen Häuserkrediten in der Immobilienblase haben Millionen Amerikaner über Jahre profitiert. Und die 700 Milliarden Dollar, mit denen Finanzminister Henry Paulson jetzt Problempapiere aufkaufen will, werden nicht komplett verloren sein. Wie groß das Verlustgeschäft für den amerikanischen Steuerzahler wird, ist daher noch offen.

4. Der Staat wird es jetzt richten

Die Finanzkrise hat die öffentliche Hand in den USA zu einer gigantischen Finanzholding gemacht. Die Regierung kontrolliert die Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac, die Notenbank Fed AIG. Und Experten wie der Wirtschaftsweise Peter Bofinger fordern als nächsten Schritt bereits eine Verstaatlichung von Ratingagenturen. Doch nichts deutet darauf hin, dass die USA nun deutsche Verhältnisse kopieren werden – hierzulande liegt der Staatsanteil im Bankensektor bei 50 Prozent. „Die Rettungsaktionen der US-Regierung sind zu vergleichen mit einem Feuerwehreinsatz“, sagt der Frankfurter Bankenprofessor Jan Pieter Krahnen. Dass Paulson und Bernanke dabei Aktien einkassieren, ist nur der Ausgleich für die Milliardenhilfen – so hat der Steuerzahler die Chance, über einen späteren Wiederverkauf einen Teil des Geldes zurückzubekommen. Schließlich haben die USA auch die nach der „Savings & Loan“-Krise in den 80er-Jahren verstaatlichten Institute zügig wieder privatisiert.

5. Amerika wird sozialistisch

Paulsons Feuerwehreinsätze werden von zahlreichen Kommentatoren als Zeitenwende interpretiert. „Die Krise ist das Ende der Ideologie, dass freie, deregulierte Märkte immer funktionieren“, sagt Ökonom Joseph Stiglitz. Er schreibt dem Bush-Kabinett die „sozialistischsten Regierungsakte seit Jahrzehnten“ zu. Nur: Selbst glühende Verfechter freier Märkte haben kaum etwas gegen die Rettungsaktionen einzuwenden. Schon der Vater des Ordoliberalismus, der deutsche Ökonom Walter Eucken, warnte den Staat ausdrücklich davor, die Wirtschaft sich selbst zu überlassen. Dass die Regierung bei existenziellen Krisen eingreift, gehört zum modernen Verständnis einer Marktwirtschaft – solange die der Staat nicht zum dauerhaften Machtzentrum im Wirtschaftsleben wird. „Die völlig freie Marktwirtschaft ist ein Mythos“, sagt Stig?litz. Genau deswegen macht aber auch ein „sozialistischer Akt“ noch keinen Sozialismus.

6. Die Investmentbanken sind tot, es lebe die Universalbank

Die Finanzkrise hat die Hackordnung an der Wall Street auf den Kopf gestellt. Von fünf stolzen unabhängigen Investmentbanken sind nur zwei übrig geblieben, und selbst die – Goldman Sachs und Morgan Stanley – haben sich offiziell in normale Geschäftsbanken umgewandelt. Ökonomenrebell Roubini ruft bereits das Ende der „Schattenbanken“ aus und den Beginn einer neuen Ära, in der Universalbanken mit mehreren Sparten den Ton angeben. Das gängige Argument dafür: Banken mit Zugang zum Privatkundengeschäft sind stabiler, weil sie nicht darauf angewiesen sind, sich ständig Geld am Kapitalmarkt zu leihen. Doch wenn dieses Postulat absolut gelten würde, gäbe es noch eine Bank namens Washington Mutual. Tatsächlich ist die einst führende Sparkasse der USA jetzt zusammengebrochen, weil die Kunden ihre Einlagen abzogen – sie trauten der Bank nicht mehr. „Jede Bank geht unter, wenn sie kein Vertrauen mehr genießt“, sagt der Bankenprofessor Martin Weber von der Universität Mannheim. Dazu kommt: Die Krisenbilanz großer Universalbanken wie Citi oder UBS ist äußerst bescheiden.

7. Die Spekulanten sind schuld

Spekulanten sind als Sündenböcke bei Politikern und Konzernchefs gleichermaßen beliebt. Sie haben, so der Vorwurf, zunächst den Preisverfall bei verbrieften Hypothekenkrediten angeheizt und parallel auch noch auf sinkende Kurse bei Bankaktien gewettet. Richtig ist, dass einzelne Aktien in den vergangenen zwei Wochen auch wegen solcher Aktionen um mehr als 50 Prozent eingebrochen sind. Doch auch ohne Spekulanten wären sie abgestürzt, wenngleich in geringerem Ausmaß. Peer Steinbrück pflegt dennoch das alte Feindbild und will Spekulationen auf sinkende Kurse verbieten.

http://www.welt.de/finanzen/article2501065/...inanzkrise-der-USA.html  

28.09.08 19:10

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75 Postings, 5697 Tage DROOMWTAImmer noch aktuell.

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