Meldung 20.10.2006 09:19 Rätselraten um Anaconda Gold Minenaktien gibt es wie Sand am Meer – oder passender wie Abraum im Tagebau. Besonders bei deutschen Zockern und bei Börsenbriefschreibern sind sie beliebt. Aktuell sorgt eine kanadische Minenaktie für Gesprächsstoff in den Boards. Bild zum Artikel
Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles: Die Suche nach Gold-Funden hat im Laufe der letzten Jahrhunderte immer wieder Tausende von Menschen mobilisiert. Am eindrucksvollsten stellte dies Charlie Chaplin im Film "Goldrausch" dar. Auch heute noch kommt mitunter Goldgräberstimmung auf – vor allem in deutschen Zockerkreisen.
PR-Experten rühren Werbetrommel Explorationsunternehmen, die nach Goldvorkommen oder anderen wichtigen Rohstoffen graben oder schürfen, werden als heiße Aktientipps mit hohen Kursgewinnchancen angepriesen. Mit mehr oder weniger durchsichtiger PR werden die Papiere in der börseninteressierten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Da laden Minengesellschaften auch schon mal Privatanleger in Frankfurter Luxushotels ein, um sie bei gutem Essen und Wein vom enormen Wachstumspotenzial ihrer Firma zu überzeugen. Zugleich rauscht es gewaltig im Newsletter-Wald.
Der Fall De Beira Bekanntestes Beispiel ist der US-Goldschürfer De Beira. Die Aktie wurde ursprünglich als "Pennystock" in den US-Freiverkehr eingeführt. Seit dem Frühjahr wird sie auch in Deutschland gehandelt. Binnen kurzer Zeit kletterte hier der Kurs von rund einem Euro um über 1000 Prozent auf 12 Euro. Dann jedoch folgte ein tiefer Absturz. Heute ist De Beira nur noch knapp zwei Euro wert. Die BaFin ermittelt wegen Verdachts auf Marktmanipulation und Insiderhandel.
Das Debakel um De Beira hat jedoch das Interesse an Minenaktien kaum gebremst. Dabei sei betont, dass beileibe nicht jedes Bergbau-Unternehmen automatisch anrüchig ist, nur weil die Branche so viel Anziehungskraft auf Glücksritter ausübt. Aber auch seriöse Explorations-Firmen haben eine Grundeigenschaft, die Chance und Risiko zugleich bedeutet: Ihre künftigen Erträge sind abhängig vom Schürfglück, und das kann niemand ernsthaft prognostizieren.
Börsenbriefe pushen Anaconda Doch just dieses erhoffte Schürfglück befeuert immer wieder die Fantasie der Zocker, die auf der Suche nach einem neuen Geheimtipp durch die einschlägigen Boards streifen. So stießen einige auf Anaconda Gold, einen kanadischen Goldexplorer, der 22.000 Tonnen Unzen Gold beim "Damoti-Lake-Projekt" fördern will. Die Aktie wurde in den letzten Monaten von mehreren Börsenbriefen (u.a. Pennystock-Report) den Anlegern wärmstens ans Herz gelegt. Ein boerse.ARD.de-User schrieb uns, am 20. September hätten "zahlreiche Anleger" die Aktien von Anaconda "nach Empfehlungen etlicher Börsenbriefe" gekauft. Die Aktie konnte sich seit Anfang August mehr als verdoppeln, von 15 Cent auf 39 Cent.
Doch schon am Nachmittag des 20. September gab es ein böses Erwachen: Die kanadische Börsenaufsicht stoppte den Handel mit der Aktie wegen bevorstehender Unternehmensnachrichten, und damit konnten auch deutsche Anleger ihre Buchgewinne nicht mehr versilbern.
Übernahme von Colorado Minerals Einen Tag später wurde bekannt, dass Anaconda die chilenische Colorado Minerals gekauft habe. Nach Angaben von "Rohstoffraketen.de" arbeite Colorado an mehreren Projekten zur Erschließung von Kupfer-Gold mit einem angeblichen Potenzial von einer Million Unzen Gold und 750 Millionen Pfund Kupfer.
Seit vier Wochen vom Handel ausgesetzt Doch kaufen können die Anleger die Aktie seither nicht mehr. Seit dem chilenisch-kanadischen Firmendeal ist sie vom Handel ausgesetzt. Anleger, die die Aktie vorher gekauft haben, fragen verzweifelt in den Boards, wann der Handel mit der Aktie wieder aufgenommen werde und ob da was faul sei.
Auf Nachfrage von boerse.ARD.de bestätigte die kanadische Börsenaufsicht, dass die Aktien immer noch vom Handel ausgesetzt seien. Wie ein Sprecher der Torontoer Börse TSX erklärte, hat Anaconda immer noch nicht die erforderlichen Übernahme-Dokumente und/oder Unterlagen zur "Änderung des Geschäftszwecks" ("Change of Business") eingereicht.
SdK warnt Anlegerschützer zeigen sich besorgt. Dass die Aktie nun schon seit vier Wochen vom Handel ausgesetzt sei, müsse als schlechtes Zeichen gewertet werden, meint Markus Straub, stellvertretender Vorsitzender der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). Freilich seien Probleme mit Minenwerten nichts Ungewöhnliches. "Da gab es schon mehrere Fälle, wo die SEC einschreiten musste." Vancouver, der Sitz von Anaconda, gelte ohnehin als Eldorado für fragwürdige Minengesellschaften. Dort gebe es über 1000 Unternehmen, die nach Gold oder anderen Vorkommen schürfen; nirgendwo sei es einfacher, ein Explorationsunternehmen zu gründen.
Wer in Rohstoffwerte investieren wolle, solle eher auf große Werte wie Rio Tinto oder BHP Billiton setzen, anstatt sich mit Pennystocks abzugeben, empfahl Straub. Bei vielen kleinen Minenwerten sei einfach das Informationsdefizit zu groß. "Es gibt leider keine neutralen Analysen." Es sei, so Straub weiter, auch kein Qualitätskriterium, dass die betreffenden Aktien im Freiverkehr gehandelt werden.
Wie im Film? Schon der Name Anaconda wirkt furchteinflößend. Eine Anaconda ist eine Riesenschlange, die bis zu 150 Kilogramm schwer werden kann. Sie frisst alles, was ihr nicht schnell genug aus dem Weg geht – von Vögeln und Schildkröten bis hin zu Kaimanen. Im Horrorstreifen "Anaconda" mit Jennifer Lopez verschlingt sie die halbe Bootsbesatzung eines kleinen Dampfers. Was sind da schon ein paar Euro Anlegergelder? nb Pfeil Überblick: Meldungen
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