500000 auf der Flucht
Werner Pirker

Mit dem Pickup raus aus Beirut. Auf dem Luft- und Seeweg werden auch Tausende Ausländer evakuiert Foto: AP |
Der israelische Bombenkrieg gegen den Libanon hat nach Angaben des Kinderhilfswerkes der Vereinten Nationen (UNICEF) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 500000 Menschen in die Flucht getrieben. Die beiden Organisationen forderten am Mittwoch einen sicheren Korridor für den Transport von Verletzten und Hilfsgütern im Libanon. »Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Wasser und Strom ist auch abseits der Kampfhandlungen nicht mehr gesichert«, schlugen die Helfer Alarm.
Berichten der New York Times und des britischen Guardian zufolge wollen die USA die israelischen Militärs noch eine Woche in ihrem mörderischen Treiben gegen die libanesische Zivilbevölkerung gewähren lassen. Unter Berufung auf britische Diplomaten berichtete die Londoner Zeitung ferner, daß Washington von Beginn an in die israelischen Kriegspläne eingeweiht gewesen sei und grünes Licht für die Bombardierungen gegeben habe. Nach Vollendung des Zerstörungswerkes solle US-Außenministerin Condoleezza Rice in die Region reisen, um die Errichtung einer 19 Kilometer breiten Pufferzone durchzusetzen.
Inzwischen hat Israel auch eine Bodenoffensive eröffnet. Mittwoch morgen kam es erstmals seit Beginn der Militärintervention zu Gefechten der israelischen Armee mit Hisbollah-Einheiten. Dabei sollen zwei israelische Soldaten gefallen sein. Eine spätere Ausweitung der Bodenoffensive wollte ein israelischer Armeesprecher nicht ausschließen. Augenzeugen wollen gesehen haben, daß ein weiterer israelischer Soldat entführt worden sein.
Bei neuerlichen Luftangriffen sind am Mittwoch nach libanesischen Angaben mindestens 54 Menschen ums Leben gekommen. Erstmals wurde die Innenstadt von Beirut direkt attackiert. Der folgenschwerste Angriff richtete sich gegen ein Dorf in der Nähe der südlichen Hafenstadt Tyrus, bei dem zehn Wohnhäuser zerstört wurden. Bei dem nächtlichen Angriff auf die Ortschaft Srifa sind nach vorläufigen Polizeiangaben mindestens 21 Zivilisten getötet worden.
Auch an der zweiten Kriegsfront bleibt Israel aggressiv. In der Nacht zum Mittwoch drangen Soldaten mit Panzern in den zentralen Abschnitt des Gazastreifens und in die Stadt Nablus im Westjordanland vor. Im Gazastreifen starben sieben Palästinenser, in Nablus wurden drei palästinensische Sicherheitskräfte getötet.
Die USA verstärkten indessen in koordinierter Aktion mit Israel ihr Kesseltreiben gegen Syrien und den Iran. US-Präsident George W. Bush unterstellte den Syrern, in den Libanon zurückkehren zu wollen. Die Hisbollah bezeichnete er als iranisches Produkt. Israels Premier Ehud Olmert warf Teheran vor, die Entführung der beiden israelischen Soldaten mitorganisiert zu haben.
In einer Sondersitzung der libanesischen Regierung am Dienstag abend in Beirut stellte Ministerpräsident Fouad Siniora den Frontverlauf klar: Die libanesische Armee habe »einen einzigen Feind, nämlich Israel«. Den Angreifern warf er Massaker an der Zivilbevölkerung vor. Verteidigungsminister Elias Murr stellte in Aussicht, daß die libanesische Armee im Falle eines Bodenkrieges in die Kämpfe eingreifen würde. (jw)