HINTERGRUND: Medienriese Bertelsmann spart sich gesund
16:29 31.08.09
GÜTERSLOH (dpa-AFX) - Wenn ein Brief vom Chef mit den Worten "Ich hoffe, hinter Ihnen liegt eine entspannte Ferienzeit" beginnt, bedeutet das oft nichts Gutes. Bertelsmann-Vorstandschef Hartmut Ostrowski muss am Montagmorgen die Mitarbeiter von Europas größtem Medienkonzern auf bevorstehende schwierige Monate einstimmen. Vom "langen Schatten" der Rezession ist in dem Rundschreiben aus Gütersloh die Rede - und von "persönlichem Verzicht". Bertelsmann stemmt sich gegen eine Medienkrise ungekannten Ausmaßes und antwortet mit dem größten Sparprogramm in fast 150 Jahren Unternehmensgeschichte.
"Wir werden nach der Krise besser dastehen als vorher", kündigt Ostrowski später vor der Presse an. Wegen hoher Sonderbelastungen muss er 333 Millionen Euro Halbjahresverlust vermelden. Der operative Gewinn (EBIT) liege aber bei 475 Millionen Euro im Plus. Zugleich nennt Ostrowski erstmals öffentlich sein Sparziel: Bertelsmann wolle die Kosten in diesem Jahr um mehr als 900 Millionen Euro senken. "Das ist ein Riesen-Kraftakt."
Und das bedeutet auch Stellenabbau. Die Mitarbeiterzahl sank gruppenweit im ersten Halbjahr bereits um 3.700 auf rund 103.500 Beschäftigte. Betroffen vom Sparprogramm sind alle Sparten - von der Dienstleistungs-Tochter Arvato über Gruner + Jahr, die Buchsparte Random House bis hin zur Fernsehtochter RTL Group. Im operativen Geschäft zeigt das Kostensenkungsprogramm schon Wirkung. Die Umsatzrendite sei von 3,3 Prozent im ersten auf 9,8 Prozent im zweiten Quartal gestiegen.
Freiwillige Opfer in barer Münze bringen die Bertelsmann- Beschäftigten. In der Gütersloher Zentrale verzichten die Angestellten in diesem Sommer solidarisch auf eine geplante Gehaltserhöhung. Das Spitzenmanagement hat bereits im Frühjahr angekündigt, für 2009 keinen Bonus zu beanspruchen. Weiterer Stellenabbau scheint unvermeidlich, soll aber über Fluktuation geschehen. Soziale Härten wolle das Familienunternehmen abfangen, verspricht Ostrowski.
Von dem Sparzwang merkt mancher Fernsehzuschauer wohl ebenfalls etwas. So mögen Kritiker bemängeln, dass bei RTL und anderen Privatsendern in letzter Zeit häufiger als gewohnt US-Krimiserien wiederholt werden. Das dürfte wohl der Preis für geringere Programmkosten sein.
Der Sparkurs ist jedoch nur eine Seite der Medaille - Bertelsmann räumt zugleich mit Altlasten auf. Fast eine halbe Milliarde Euro werden für Belastungen angesetzt: Wertberichtigungen, Abschreibungen und Restrukturierung. Allein die Abschreibungen bei der britischen Fernsehtochter Five schlagen in der Bilanz mit 140 Millionen Euro Belastung zu Buche. "Wir haben allen erkennbaren bilanziellen Risiken für das Gesamtjahr 2009 Rechnung getragen", sagt Ostrowski. In der zweiten Jahreshälfte will er nach vorne sehen und Gewinn machen - diesmal nicht verhagelt durch Sondereinflüsse. "Zu diesem Zeitpunkt gehe ich davon aus, dass wir auf dem richtigen Weg sind."/bok/DP/fn
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