Freitag 21. Dezember 2001, 21:03 Uhr Indien verstärkt diplomatischen Druck auf Pakistan
Neu-Delhi/Islamabad (Reuters) - Mit der Abberufung seines Botschafters aus Islamabad hat Indien am Freitag den diplomatischen Druck auf das Nachbarland Pakistan verstärkt. Außerdem habe die Regierung in Neu-Delhi beschlossen, den Bus- und Bahnverkehr nach Pakistan vom 1. Januar an einzustellen, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Neu-Delhi. Pakistan kündigte Gegenmaßnahmen zu indischen Truppenbewegungen in dem seit Jahrzehnten umstrittenen Grenzgebiet von Kaschmir an. Indien teilte mit, bei der Verlegung der Soldaten habe es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme gehandelt.
Nach indischer Lesart ist der Anlass des Streits zwischen den beiden Atommächten die angebliche Unterstützung von Extremisten durch Pakistan über die Grenze beider Staaten hinweg, was Pakistan bestreitet.
Indien begründete die Abberufung des Botschafters damit, dass Pakistan nach dem Anschlag auf das indische Parlament nicht wie gefordert zwei extreme Organisationen verboten habe, die Indien ANZEIGE für den Anschlag verantwortlich macht. Vielmehr habe das Land den "grenzüberschreitenden Terror" weiter gefördert. Das Außenministerium Pakistans, das die Vorwürfe bestreitet, erklärte, auf diplomatische Gegenmaßnahmen nach der Abberufung des Botschafters verzichten zu wollen.
Besorgnis hingegen hätten in Pakistan Berichte über "massive indische Truppenbewegungen" ausgelöst, sagte ein Sprecher des Ministeriums in Islamabad. Er bezog sich auf die Grenzgebiete im Sektor Sindh-Rajasthan, dem Chenab-Ravi-Korridor und an der Demarkationslinie zwischen dem pakistanischen Teil Kaschmirs und dem indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir. Durch diese Truppenbewegungen nach angeblich provokativen Verlautbarungen aus Indien werde die ohnehin gespannte Lage in der Himalaya-Region weiter verschärft. Pakistan werde daher mit geeigneten Gegenmaßnahmen reagieren. Zu den Truppenbewegungen hieß es später von indischer Seite, es handele sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, nachdem es auf pakistanischer Seite eine "weit reichende Mobilisierung" von Truppen gegeben habe.
Indien verlangt von Pakistan, den von seinem Gebiet aus in Jammu und Kaschmir operierenden, aber in Pakistan beheimateten Untergrundgruppen die Unterstützung zu entziehen. Davon sei jedoch in den Tagen nach dem Anschlag von Extremisten auf das indische Parlament nichts zu spüren gewesen, erklärte die Sprecherin in Neu-Delhi. Zwischen den beiden verfeindeten Staaten haben die Spannungen nach dem Anschlag auf das Bundesparlament vergangene Woche wieder zugenommen, für das Indien die von Pakistan aus operierende Separatisten- Organisation Lashkar-e-Taiba und Jaish-e-Mohammad verantwortlich macht. Die beiden Organisationen haben die Tatbeteiligung bestritten und sehen Indiens Geheimdienst hinter dem Anschlag.
Indien und Pakistan haben bereits zwei Kriege um die überwiegend moslemische Region Kaschmir geführt, auf die beide Staaten Anspruch erheben. Eine 742 Kilometer lange Demarkationslinie teilt Kaschmir zwischen ihnen. Ein kleiner Teil Kaschmirs steht unter chinesischer Verwaltung. Indien und Pakistan verfügen über Atomwaffen. Beide Staaten erklärten, sie wollten den gegenwärtigen Konflikt mit friedlichen Mitteln beilegen. Ein Vertreter des US-Außenministeriums äußerte sich zufrieden darüber, dass diese Zusage bisher von beiden Seiten eingehalten worden sei.
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