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Centrotherm baut weltweit Anlagen für Solarfirmen. Momentan steht ein Werk in Katar auf dem Plan, dass das Unternehmen an die Spitze katapultieren soll. Die asiatische Konkurrenz will der Zulieferer ausgerechnet mit der Harmonielehre aus China auf Abstand halten. von Georg Weishaupt
Eine Produktionsanlage bei Centrotherm: Das Firmengelände ist nach dem Prinzip der Fengshui-Lehre gestaltet. Quelle: Pressebild
BLAUBEUREN. Robert Hartung springt auf und eilt aus dem Konferenzraum. Wenig später kehrt er zurück mit einem Plan, den er auf dem Tisch ausbreitet. "Sehen Sie, wie groß das Gelände ist?" Er nimmt einen Stift und misst mit ihm die grauen Balken ab. "Alleine die Kaimauern haben eine Länge von 25 bis 30 Kilometern", sagt der schmale Mann mit dem weißblau-gestreiften Hemd. "Wenn Katar etwas in die Hand nimmt, dann machen sie es richtig. Das gilt auch für die Photovoltaik. Da will Katar an die Weltspitze", freut sich der Chef des Solarzulieferers Centrotherm.
Deshalb baut Robert Hartung auf dem riesigen Hafen- und Raffineriegelände im Ölstaat jetzt ein großes Werk für Polysilizium. Das ist der Rohstoff, aus dem Solarzellen entstehen, die auf Dächern und Feldern die Sonnenenergie in Strom verwandeln.
Mit diesem 150-Millionen-Dollar-Projekt will der 43-jährige Unternehmer aus dem Städtchen Blaubeuren bei Ulm endgültig den Sprung schaffen, vom ehemals kleinen mittelständischen Familienunternehmen zum Weltkonzern für die internationale Photovoltaik-Industrie.
Schon heute gehört Centrotherm zu den Vordenkern und Impulsgebern der Solarbranche. Was die Ingenieure hier auf der Schwäbischen Alb entwickeln, bestimmt später Qualität, Leistung und Preis der Solarmodule vieler großer Hersteller von Solarzellen weltweit. Das reicht von den deutschen Unternehmen Solarworld und Q -Cells bis zu den gefürchteten asiatischen Aufsteigern Suntech und Yingli .
Hartung hat sein Unternehmen mit einer klaren Forschungs- und Entwicklungsstrategie auf Platz eins der Anlagenbauer für die Solarbranche in Deutschland gehievt. Auf dem Weltmarkt belegt Centrotherm Platz zwei hinter dem US-Konzern Applied Materials .
"Unsere Kunden müssen die Solarzellen zu den günstigsten Kosten herstellen, um im Preiswettbewerb international zu bestehen", formuliert Hartung seine Botschaft im Konferenzraum des Kunden- und Innovationszentrums, das in einem parkähnlichen Gelände liegt. "Damit sie dies schaffen, müssen wir ihnen immer die beste Technologie anbieten."
Das klingt einfach. Aber wie misst man die beste Technologie? Die Autobranche liefert schnellere, sichere, umweltfreundlichere Autos, die Handyhersteller neue Geräte mit klareren Displays oder längerer Akkulaufzeit. Aber die Solarbranche?
Hartung muss das Unternehmen auf zwei Feldern immer weiter vorantreiben: Beim Endprodukt Solarzellen, die zur Solarmodulen auf Hausdächern verarbeitet werden. Und bei den Produktionsanlagen, die Solarzellen und-module fertigen.
Es geht vor allem um Kosten, Qualität, Schnelligkeit und Effizienz. Denn der Wettbewerb unter den Kunden, also den Herstellern von Solaranlagen, ist hart. Unternehmen aus China, Malaysia, Südkorea, Deutschland und den USA kämpfen um Marktanteile. Die Preise für Solarstromanlagen sind nach Angaben des Bundesverbandes Solar seit 2006 um 40 Prozent gesunken. Gleichzeitig kürzen viele Länder wie jetzt Deutschland die Förderung von Solarstrom.
Wer da überleben will, muss schnell sein. Centrotherm macht rund 80 Prozent seines Umsatzes mit Produkten, die nicht älter sind als drei Jahre. "Seit 2005 haben wir die Effizienz der Zellen, also wie viel Prozent der Sonnenenergie sie zu Strom umwandeln, deutlich verbessert", sagt Hartung. Der so genannte Wirkungsgrad stieg von zwölf bis 13 auf 17 bis 19 Prozent.
Gleichzeitig hat er das Produktionstempo beschleunigt. Als Centrotherm vor acht Jahren für Frank Asbeck, den Chef des Bonner Branchenpioniers Solarworld, eine Anlage installierte, dauerte es von der Unterschrift bis zum Betriebsstart noch etwa zweieinhalb Jahre. Die Fertigungsstraße, die Centrotherm 2009 dem koreanischen Hyundai-Konzern übergab, war hingegen schon nach elf Monaten fertig. Außerdem schafft sie achtmal soviel wie die alte Produktionsstraße.
Den Abstand zu den Konkurrenten hat sich Hartung in den vergangenen Jahren hart erarbeitet. Vor sieben Jahren traf der gebürtige Ulmer eine mutige Entscheidung. "Ich sah, dass die zu der Zeit noch kleine Photovoltaikbranche ein großes Wachstumspotenzial hat, und dass wir das Thema mit voller Kraft angehen müssen."
Deshalb konzentrierte Hartung das 1976 von seinem Vater als Spezialist für die Halbleiterbranche gegründete Unternehmen auf die Solarbranche, wobei er die Erfahrungen seines Vaters mit thermischen Prozessen nutzte. 2007 brachte er das Unternehmen an die Börse, an dessen Mehrheitsaktionär TCH GmbH er beteiligt ist.
Seitdem hat er die Produktpalette ständig erweitert: von Anlagen für die Zell- und Modulproduktion über Reaktoren, die den Rohstoff Silizium produzieren, bis zu schlüsselfertigen Komplettanlagen. Um das mit größtenteils eigener Technologie zu leisten, hat der gelernte Wirtschaftsingenieur und Diplom-Informatiker Hartung inzwischen ein 545 Mann starkes Forschungs- und Entwicklungsteam aufgebaut, das an drei deutschen Standorten forscht.
"Die Solarbranche muss immer höhere Summen in Forschung und Entwicklung investieren, um ihren technologischen Vorsprung zu halten", weiß Philipp Bumm, Spezialist für erneuerbare Energien beim Investmenthaus Crédit Agricole Cheuvreux in Frankfurt. Das belaste die EBIT-Marge.
In diesem Jahr steigert Hartung die Ausgaben für Forschung und Entwicklung deutlich um fast 100 Prozent auf 50 Mio. Euro. Das sind rund neun Prozent vom geschätzten Umsatz, der zwischen 550 und 580 Mio. liegen soll. Damit schneidet Centrotherm besser ab als mancher anderer. "Der Branchendurchschnitt beträgt 4,5 Prozent", hat Torsten Henzelmann, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger und Greentech-Spezialist, ausgerechnet.
"Aber andere forschungsintensive Industrien wie Pharma, Chemie oder Elektrotechnik geben deutlich mehr für Forschung und Entwicklung aus als die Solarbranche", merkt Henzelmann kritisch an.
Damit die 545 Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung sich nicht verzetteln, führt Hartung gerade ein neues Planungssystem ein. "Unsere Technologie-Roadmap setzt den Kundennutzen in den Vordergrund. Also top-down statt bottom-up!", erklärt Technologievorstand Peter Fath die neue Methodik. Er ist - wie zum Beweis der Internationalität von Centrotherm - aus einem Büro im viele Tausend Kilometer entfernten China per Telefon zugeschaltet.
Das heißt: Wenn die Kunden im nächsten Jahr Solarzellen produzieren wollen, die um einen bestimmten Prozentsatz billiger und leistungsfähiger sein sollen, muss Centrotherm rechtzeitig geeignete Zelltechnologien und Produktionsverfahren entwickeln. Und die müssen sich zweimal jährlich mit den kostengünstigsten Herstellern von Solarzellen messen lassen.
Aber auch diese Methode birgt Risiken. Und so erzählt Firmenchef Hartung, wie er vor Jahren am Flughafen in San Franzisco das Buch "The Innovator?s Dilemma" des Harvard Professors Clayton Christensen entdeckte. "Er beschreibt, dass große Konzerne, von der Produktentwicklung bis zum Marketing eigentlich alles richtig gemacht haben, dann aber doch gescheitert sind, weil sie eine ganz neue Technologie übersehen haben."
Das darf den Blaubeurern nicht passieren. Deshalb baut Centrotherm jetzt ein Team auf, in dem Softwarespezialisten, Verfahrens- und Bauingenieure, Chemiker und Physiker sitzen. Das Team ist direkt beim Vorstand angesiedelt und soll Entwicklungen in anderen Technologien wie in der Windkraftbranche oder der Wasserversorgung im Blick behalten.
Damit Innovation gelingt, muss die Atmosphäre stimmen. Hartung hat deshalb das Firmengelände, das hinter dem Bahnhof in Blaubeuren liegt, in einen Park mit Springbrunnen und Blumenbeeten verwandelt - und alles nach dem Prinzip der fernöstlichen Fengshui-Lehre gestaltet, einschließlich der Gebäude mit runden Ecken.
Die Architektur verfehlt offenbar nicht ihre kreative Wirkung. Im neuen Technikum steht ein stählernes Ungetüm, das aussieht wie eine Apollokapsel auf drei Beinen: der neueste Reaktor für den Rohstoff Polysilizium. Er schafft doppelt so viel wie die alten. "Wir testen ihn jetzt bei einigen Kunden und setzen ihn dann in Katar ein", sagt Hartung. Dort muss alles rund laufen. Denn er hofft auf neue Aufträge: Schließlich will der Ölstaat eine komplette Fertigung für Solarmodule aufbauen und an die Weltspitze aufsteigen.
Centrotherms Stärken: Hohes Budget und breite Forschung
>>Innovationskraft: Centrotherm legt sich bei Forschung und Entwicklung (F&E) mächtig ins Zeug. Der Maschinen- und Anlagenbauer für die Solarbranche verdoppelt dieses Jahr die F&E-Investitionen auf 50 Mio. Euro. Das sind etwa acht bis zehn Prozent des für 2010 geschätzten Umsatzes. Damit liegt das Unternehmen aus Blaubeuren in der Nähe von Ulm deutlich über dem Durchschnittswert der Solarbranche, den die Unternehmensberatung Roland Berger auf 4,6 Prozent beziffert.
>>Breite in der Forschung: Centrotherm deckt alle Forschungsbereiche für die gesamte Wertschöpfungskette ab: von der Produktion des Rohstoffes Silizium über die Vorprodukte Wafer und Zelle bis zum fertigen Solarmodul. Damit will das Unternehmen Kosten und Effizienz im kompletten Fertigungsprozess verbessern. Konkurrenten wie Roth & Rau konzentrieren sich hingegen vor allem auf Technologien für die Zellproduktion.
>>Erfahrung: Das Unternehmen, das seit seiner Gründung 1976 nach wie vor mehrheitlich der Familie Hartung gehört, verfügt über lange Erfahrung in der Halbleitertechnik und Mikroelektronik. Das gilt insbesondere für thermische Prozesse, die bei der Silizium- und bei der Zellenproduktion wichtig sind.
>>Markenname: Centrotherm hat sich in Deutschland einen Namen gemacht, aber auch in Asien, wo das Unternehmen inzwischen rund 80 Prozent seines Umsatzes erzielt. So lassen sich viele Neueinsteiger in das Solargeschäft wie der südkoreanische Elektronikriese LG Electronics schlüsselfertige Anlagen vom Mittelständler liefern.
>>Innovationskultur: Das Unternehmen baut gerade ein Team aus den verschiedensten Berufsgruppen auf, das sich um neue Märkte und Technologien auch außerhalb der Solarbranche kümmert. Außerdem fördert Centrotherm Startups, um frühzeitig junge Technologien zu entdecken. Ein anderes Team sorgt dafür, die drei Zentren für Forschung und Entwicklung in Deutschland eng mit der Produktion und den Kunden zu verzahnen.
Centrotherms Schwächen: Fokus auf Asien und Silizium
>>Auslandsgeschäft: Centrotherm ist stark fokussiert auf den asiatischen Markt. Fast 80 Prozent des Geschäfts macht das Unternehmen heute mit Kunden aus Ländern wie China, Malaysia und Südkorea. Diese Abhängigkeit wollen die Blaubeurer langfristig auf jeden Fall überwinden. Das neue Projekt im Ölstaat Katar, wo Centrotherm das erste Werk für die Produktion des Rohstoffes Polysilizium aufbaut, ist ein Versuch, die Kundenbasis in anderen Weltregionen zu verbreitern. Denn: Die Bedeutung von Indien und dem arabischen Raum wird wachsen.
>>Silizium: Das Unternehmen macht derzeit einen Großteil seines weltweiten Geschäfts mit Anlagen für die Siliziumproduktion. Einige Experten halten diese Entwicklung für kritisch. "Da wird die Auftragslage künftig schwieriger", prognostiziert etwa Philipp Bumm, Experte für erneuerbare Energien beim Investmenthaus Crédit Agricol Cheuvreux in Frankfurt. "Denn es wird tendenziell Überkapazitäten auf dem Weltmarkt geben, wenn die bereits angekündigten bzw. ausgelieferten Anlagen vollständig ausgelastet sind."
>>Nähe zu Deutschland: Centrotherm ist sowohl mit seinen drei Zentren für Forschung und Entwicklung in Blaubeuren, Konstanz und Burghausen als auch mit seinen Werken ganz auf Deutschland konzentriert. Viele deutsche Kunden, die Solarzellen und-module herstellen, hingegen eröffnen immer mehr Werke im Ausland, vor allem in Asien und in den USA. Sie rücken damit näher an ihre Kunden auf den großen Exportmärkten heran. So erfüllen sie Auflagen der jeweiligen Regierungen in Sachen Wertschöpfung vor Ort und senken ihre Logistikkosten. Centrotherm-Vorstandschef Robert Hartung will die Fertigung im Ausland nicht ausschließen. Aber insbesondere in China will er zuerst die eigenen Technologien mit Patenten schützen und auch Alternativlösungen absichern.
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