Mittwoch, 4. Juni 2003 | 14:39 Uhr [Artikel versenden] [Artikel drucken] [zurück] Biotechs richtig bewerten Erfolgreiches Biotechinvestment erfordert eine gänzlich andere Strategie Immer mehr Medikamente stammen aus den Schmieden der Biotechnologie-Branche. Im Jahr 2000 waren es bereits mehr als ein Drittel aller zugelassenen Medikamente, die in den Labors der Biotechunternehmen entwickelt wurden. Und die Zahl innovativer Biopharmazeutika, entwickelt nicht nur von den Giganten der Branche wie Amgen, Biogen und Genentech, wird weiter zunehmen. Die jüngsten Ergebnisse des jährlichen ASCO Meetings bestätigten diesen Trend. Doch nicht nur in der Medizin liegt die Zukunft der Biotechnologie, auch in der Landwirtschaft, im Umweltschutz und vor allem in der Nahrungsmittelindustrie fassen biotechnologische Methoden immer mehr Fuß.
Als im Jahr 1999 viele Sektoren bereits massive Kursverluste erlitten, waren in der Biotechnologie noch rasante Kursanstiege zu beobachten. Doch Ende 2000 konnten sich auch die Biotechs dem Abwärtstrend nicht mehr entziehen. Der Nasdaq-Biotechnologie Index musste von seinem damaligen 52-Wochen-Hoch etwa 35 Prozent abgeben, doch seit Beginn des Jahres 2003 scheint sich erneut ein Trendwechsel abzuzeichnen. Auch wenn viele Biotechs bisher schon fast zu gut gelaufen sind, gibt es immer noch Unternehmen, die noch über Aufwärtspotenzial verfügen. Gelegenheiten für einstiegswillige Investoren wird es in der Biotechbranche immer geben, Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass man sich der Chancen und Risiken eines Investments bewusst ist.
Doch wie filtert man aus der Vielzahl börsennotierter Biotech-Unternehmen die versteckten Perlen heraus, wie geht man vor, um die Nadel im Heuhaufen aufzuspüren. Eines ist klar, herkömmliche Bewertungsverfahren sind im Biotechnologie-Sektor nicht anzuwenden. Zukünftige Umsatz- und Gewinnentwicklungen machen bei Firmen, die noch keine Gewinne erzielen, beziehungsweise deren Umsatz durch unregelmäßige Einmalzahlungen oder Lizenzeinnahmen gekennzeichnet ist, keinen Sinn. Ein Trend bezüglich der Umsatzentwicklung lässt sich aus Kennzahlen also nicht ableiten.
Auf Grund der Branchencharakteristika wurde deshalb ein spezifisches Bewertungsmodell geschaffen, das "Pipeline-Score-Modell". Dieses Modell ermöglicht dem Investor einen rein quantitativen Vergleich der Produkt-Pipelines der verschiedenen Unternehmen. Je mehr Produkte und je weiter fortgeschritten die Entwicklungsphase dieser Produkte, desto früher kann ein Unternehmen mit Umsätzen aus Produktverkäufen rechnen. Eine zweite Bewertungsmethode für Firmen der Biotech-Branche ist die so genannte "Burn-Rate-Methode", mit ihrer Hilfe lässt sich die Überlebensrate eines noch nicht profitablen Unternehmens schätzen. Der Investor erkennt an den Liquiditätsreserven, wann die Cashreserven zu Ende gehen und wann ein Rückzug aus dem Investment angebracht erscheint. Ein dritter wichtiger Punkt bei der Bewertung von Biotech-Unternehmen ist die Frage, ob Partnerschaften mit Schwergewichten aus der Pharmaindustrie bestehen.
Diese Partnerschaften sind von großer Wichtigkeit, da sie den Biotech-Unternehmen den Zugang zu den flächendeckenden Vertriebsnetzen der Pharmaindustrie eröffnen. Denn erst der erfolgreiche Vertrieb macht ein Produkt zu einem so genannten Blockbuster. Und noch einen wichtigen Punkt gilt es bei der Bewertung von Biotechs zu beachten: die Patente. Marktposition und Wettbewerbsvorteil einer Firma steht und fällt mit den Patenten. Denn nur der Patentschutz gewährt in der Biotechnologie über einen bestimmten Zeitraum hohe Monopol-Erlöse.
Wer nicht Zeit und Muße für eine eingehende Bewertungsanalyse kleinerer Unternehmen hat, sollte sich vorsichtshalber an die Marktführer, mit bereits zugelassenen Produkten, prall gefüllten Pipelines und operativer Profitabilität halten. Die besten Renditechancen findet man bei den Medikamenten-Entwicklern. Angesichts der horrenten Gewinnaussichten sollte man allerdings nicht vergessen, dass diese Unternehmen auf Grund des nicht unerheblichen Entwicklungsrisikos auch zu den risikoreicheren Investments der Biotechbranche zählen.
Simone Hörrlein Staatl. gepr. LebChem, TUM (Life Scientist)
http://www.wallstreet-online.de/ws/news/news/...id=667641&m=3.1.0.0.0
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