"Deutschland ist das korrupteste Land der Welt" Ein Gespräch mit dem Wirtschaftskriminalisten und Publizisten Uwe Dolata, Mitherausgeber des im Mankau Verlag erschienenen Buches „Korruption im Wirtschaftssystem Deutschland – Jeder Mensch hat seinen Preis......“. 12.09.04
Würden Sie die Bundesrepublik als besonders korrupt bezeichnen?
Dolata: Ja, weil Korruption bereits überall anzutreffen ist. Wo man noch nichts gefunden hat, wurde bloß noch nicht richtig geprüft. Der Wirtschaftspakt der OECD klagte Deutschland sogar als das korrupteste Land der Welt an.
Korruption „Made in Germany“ – wo liegen hier Ihrer Erfahrung nach die Unterschiede im internationalen Vergleich?
Dolata: Die Unterschiede liegen nicht so sehr in der Dichte, sondern beziehen vielmehr auf Perfektion und Größenordnung der Korruptionsfälle.
Sie bezweifeln, dass strafrechtliche Sanktionen ein wirksames Mittel zur Bekämpfung von Korruption sind. Warum? Und welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie alternativ vor?
Dolata: Probleme bei der Korruptionsbekämpfung bestehen im Streben, korruptes Verhalten in strafrechtliche Normen pressen zu wollen. Als Gegenmaßnahme halte ich vor allem einen Wertewandel in der Gesellschaft für notwendig. Firmen von Wirtschaftsbetrügern sollten von zukünftigen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Die Öffentlichkeit sollte informiert werden. Auch muss die enge Verflechtung zwischen Wirtschaft und Politik aufgehoben werden. Ebenso könnten die Bürger vieles gegen Korruption unternehmen: In erster Linie geht es darum, Zivilcourage zu zeigen sowie aufmerksam und kritisch zu sein.
Sie definieren Korruption als „Missbrauch einer Machtposition zu privaten Zwecken“. Muss Ihrem Verständnis nach diese Machtposition immer staatlicher Natur sein?
Dolata: Nein. Dass wirtschaftliches Wachstum, soziale Stabilität und im Weiteren die Demokratie gefährdet werden, zeigen Korruptionsbeispiele vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Medizin, Sport und Kultur – aber auch in Politik und Verwaltung.
Sie werfen in Ihren Vorträgen des Öfteren den Machthabern vor, sie wollten im Grunde Korruption gar nicht bekämpfen – schon allein deswegen, weil sie im Grunde selber davon profitieren. Ist das nicht ein bisschen hart?
Dolata: Tatsache ist, dass die verschiedenen Ebenen politischer Korruption bislang viel zu wenig analysiert wurden. Wenn eine Gesellschaft die Raffkes und Rabattniks bewundert oder zumindest wohlwollend duldet, statt sie links liegen zu lassen, muss man sich nicht wundern, wenn moralische und juristische Grenzen verschwimmen. Erst wenn man politische Korruption nicht mehr mit einem Augenzwinkern hinnimmt und erkannt wird, dass unter anderem auch falsch verstandener oder vorauseilender Gehorsam Bestandteil politischer Korruption sein können, hat man das Wesen der politischen Korruption wirklich verstanden.
Wie gehen die Täter in der Regel vor? Gibt es da bestimmte, sich wiederholende Verhaltensmuster?
Dolata: Zunächst testet der, der bestechen will, ob das Gegenüber für materielle Dinge, geldwerte Vorteile oder herausragende Stellungen empfänglich ist. Dann füttert er mit Kleinigkeiten an und baut oft ein Kapital an Dankesschuld auf. Erst zeitlich versetzt beginnt dann das eigentliche Korrumpieren.
Was raten Sie dem, der sich einer solchen Situation gegenüber sieht oder vielleicht besonders fahrlässig hineingestolpert ist?
Dolata: Patentrezepte gibt es nicht. Man sollte sich aber stets fragen, ob man diesen Vorteil auch als Normalbürger und nicht als jemand in einer Schlüsselposition Befindlicher erhalten hätte. Verneint man dies, sollte strikt Ablehnung im Sinne von „Wehret den Anfängen“ an den Tag gelegt werden. Wäre meine Forderung, in jeder Kommune einen Antikorruptionsexperten einzusetzen, schon weiter verwirklicht, könnte man sich an diesen wenden. Wichtig ist jedoch, rechtzeitig aus dem Korruptionsgeflecht auszusteigen. Diesbezügliche Anfragen können an mich gestellt werden.
Waren Sie selbst einmal in einer solchen Situation? Was haben Sie getan?
Dolata: Auch mir wurde – angeblich aus Dank – der kostenlose Beitritt zu einem Golfclub angeboten. Ich lehnte jedoch kategorisch ab, da mir dieses Geschenk in meiner Funktion als Kriminalbeamter angeboten wurde, ich dagegen als „Uwe Dolata“ wohl nie in diesen Genuss gekommen wäre.
Uwe Dolata – Vita Der für Wirtschaftskriminalität zuständige Dipl.-Verwaltungswirt und Kriminalhauptkommissar Uwe Dolata (geb. 1956) begann seine berufliche Laufbahn als Außenhandelskaufmann. Danach absolvierte er die Ausbildung zum Polizei- und Kriminalbeamten und studierte an der Fachhochschule und „zur Horizonterweiterung“ Soziologie, Philosophie und Politik an der Universität Würzburg. Seit elf Jahren widmet er sich der Korruption. Unzählige Publikationen und Vortragsreisen im In- und Ausland folgten. Er ist im Ehrenamt als Kreisrat im Landkreis Würzburg tätig, wo er sich vordergründig die Korruptionsprävention auf die Fahnen geschrieben hat. Dort nennt man ihn deshalb den „Robespierre aus Rimpar“. Aus der gleichen Motivation ist er Mitglied bei Transparency International (TI) und Business Crime Control (BCC) sowie Sprecher des Landesverbandes Bayern im Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK).
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