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Nennt Beitragsanstieg 2008 Spekulation: Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Foto: dpa |
HB BERLIN. Die Gesundheitsreform wird teuer - vor allem für die Versicherten. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) plant den Gesundheitsfonds finanziell so großzügig auszugestalten, dass keine gesetzliche Krankenkasse bereits im ersten Jahr gezwungen sein wird, die Versicherten zusätzlich mit einer kleinen Kopfpauschale zur Kasse zu bitten.
Damit kommen auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab 2008 allerdings deutliche Beitragserhöhungen zu, erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen. Die Rede ist laut Nachrichtenagentur dpa von einem Satz von bis zu 15,7 Prozent. Bislang geht die Koalition davon aus, dass der Durchschnittssatz von 14,2 Prozent 2007 um 0,5 Punkte steigt. Das Gesundheitsministerium wies die Berichte zunächst zurück. Dies sei "reine Spekulation", sagte ein Sprecher am Mittwoch in Berlin.
Wir das Handelsblatt jedoch weiter erfuhr, werden auch die Beiträge der Unternehmen zur gesetzlichen Krankenversicherung weiter steigen. Danach muss das Bundesgesundheitsministerium jährlich im Oktober den Fondsbeitrag von Arbeitnehmern und Arbeitgebern erhöhen, wenn absehbar ist, dass mit den Geldern des Fonds die Ausgaben der Krankenkassen im Folgejahr nicht mindestens zu 95 Prozent gedeckt sind.
Dies steht im Widerspruch zu Ankündigungen aus den vergangenen Wochen, der Fonds werde zu einer Stabilisierung der Beitragssätze führen. So hatte Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) noch im Juli im Gespräch mit dem Handelsblatt erklärt, der Fondsbeitrag werde für viele Jahre festgeschrieben werden. Er schloss sogar nicht aus, dass einzelne Kassen, die mit den Geldern aus dem Fonds nicht auskommen, Pleite gehen könnten.
Der Gesundheitsfonds soll die bisherige Finanzierung des Gesundheitswesens über von den Krankenkassen festgelegte Beitragssätze ersetzen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen jeweils einen einheitlichen Prozentsatz vom Lohn an den Fonds abführen. Hinzu kommt ein Steuerzuschuss von 1,5 Mrd. Euro, der jedes Jahr um weitere 1,5 Mrd. Euro steigen soll. Aus dem Fonds sollen die Kassen eine Pauschale pro Versicherten erhalten, die umso höher ausfällt, je mehr Kranke bei der Kasse versichert sind. Der Fonds soll vom Bundesversicherungsamt geführt werden.
Nach den bisherigen Plänen sollte der Fonds 95 Prozent der Krankenkassenausgaben decken. Kassen, die mit den Zuweisungen aus dem Fonds nicht auskommen, sollten ihr Defizit durch eine Kopfpauschale oder einen prozentualen Zusatzbeitrag decken, den die Versicherten zu zahlen haben. Um zu verhindern, dass diese kleine Kopfpauschale bereits am Anfang von vielen Kassen eingeführt werden muss, will Schmidt nun den Fondsbeitrag so festlegen, dass er zunächst mindestens 100 Prozent der Kassenausgaben deckt.
Außerdem soll durch entsprechende Zuschläge sichergestellt werden, dass auch heute schon teure Kassen wie DAK, Barmer und viele Ortskrankenkassen mit dem Geld aus dem Fonds auskommen. Damit dürfte der Fondsbeitrag, über dessen genaue Höhe wegen der unsicheren Finanzentwicklung der Kassen frühestens Ende 2007 entschieden werden kann, deutlich höher ausfallen als der heutige Durchschnittsbeitrag von fast 7,2 Prozent für die Arbeitgeber und 8,1 Prozent für die Arbeitnehmer.
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<!--/nodist-->Die Finanzentwicklung der Krankenkassen verläuft trotz der positiven Konjunkturentwicklung weiterhin negativ. So haben die gesetzlichen Krankenkassen ihr Rekorddefizit von 1,2 Mrd. Euro im ersten Quartal bis Ende Juni nur deshalb auf rund 300 Mill. Euro verringern können, weil sie im Mai einen Steuerzuschuss von 2,1 Mrd. Euro erhalten haben. Er sorgte dafür, dass alle Kassen im zweiten Quartal schwarze Zahlen schrieben. Dadurch konnten die Innungskrankenkassen ihren Überschuss im ersten Quartal von 48 Mill. Euro auf 55 bis 60 Mill. Euro weiter ausbauen. Den Arbeiterersatzkassen gelang es, ihr 10-Millionen-Defizit von Ende März in ein Plus von 11 Mill. Euro zu verwandeln. Auch die Betriebskrankenkassen kündigten ein positives Halbjahresergebnis an.
Dagegen stecken Angestelltenersatz- und Ortskrankenkassen trotz des Steuersegens weiter in den roten Zahlen. So sank das Defizit der Angestelltenersatzkassen von 581 auf 284 Mill., das der Ortskrankenkassen von 444 Mill. auf 101 Mill. Euro. Da die Kassen im zweiten Halbjahr einen erneuten Steuerzuschuss von 2,1 Mrd. Euro erhalten, wächst die Hoffnung, dass sie dieses Jahr doch noch mit einer schwarzen Null abschließen können. Dafür spricht auch, dass sich die Einnahmesituation leicht verbessert hat und die Zuwachsraten bei den Ausgaben für Medikamente und Krankenhausbehandlung bei der Barmer und bei der DAK von 9,7 und 6,6 Prozent auf 4,5 und 4,2 Prozent zurückgingen.
Dies wird aber nicht reichen, um die für 2007 geplante Kürzung des Steuerzuschusses von 4,2 auf 1,5 Mrd. Euro aufzufangen. Hinzu kommen Schulden von 3,7 Mrd. Euro, die die Kassen bis Ende 2007 abbauen müssen. Die Regierung erwartet allerdings nicht, dass den Kassen der Schuldenabbau pünktlich gelingen wird. Weil dies aber die Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme des Fonds Mitte 2008 ist, plant die Regierung, dass defizitäre Kassen zuvor von Kassen gleicher Art entschuldet werden müssten. Damit müssten etwa alle AOKs die auf zuletzt 2,7 Mrd. Euro bezifferten Kredite einzelner AOKs abzahlen.
Auch bei den privaten Krankenversicherungen drohen durch die Gesundheitsreform angeblich drastische Beitragserhöhungen. Wie die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf den Gesetzentwurf in ihrer morgigen Ausgabe meldet, könnten die Beiträge vor allem für jüngere Versicherte um bis zu 37 Prozent steigen. Grund sei die im Entwurf enthaltene Vorschrift, dass die privaten Versicherer künftig ohne Gesundheitsprüfung einen Basisversicherungsschutz anbieten, der den Leistungen der gesetzlichen Versicherung entspricht. Außerdem führe die erleichterte Möglichkeit des Krankenkassenwechsels zu erheblichen Mehrkosten bei den privaten Kassen.
Das Arbeitspapier für den Gesundheitsfonds ist ein mehrere hundert Seiten starker erster Entwurf für das Gesetzeswerk. Es wird derzeit aber noch im Ministerium und mit beteiligten Experten abgestimmt. Nach einem Bericht der "Zeit" wurde der Entwurf bereits zu Wochenanfang an ausgewählte Gesundheitspolitiker in Bund und Ländern versandt, soll aber mit besonderen Verschlüsselungen noch "geheim" gehalten werden. Etliche Punkte sind noch offen und müssen politisch geklärt werden.